Vier Großkonzerne teilen sich den privaten Krankenhaus-Markt in Deutschland. Die greisen Patriarchen an den Konzernspitzen liefern sich seit Jahren einen Machtkampf um die Vorherrschaft, der auch während der Pandemie nicht ruht. Harald Weinberg über den neuesten Übernahmepoker der Klinikkonzerne und die Ausplünderung der Sozialkassen als Geschäftsmodell
Wozu sind Krankenhäuser da? Dazu wird die große Mehrheit der Menschen in diesem Lande eine klare Meinung haben: Krankenhäuser sind Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung und damit ein zentraler Stützpfeiler der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ihre enorme Bedeutung wurde in der Corona-Pandemie offenbar und deshalb bekamen sie das Etikett »besonders systemrelevanter Bereich« umgehängt.
Vier Konzerne teilen sich Krankenhaus-Markt
Kurz bevor die Pandemie ausbrach, erschienen mehrere Studien, die einem weitergehenden Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft das Wort redeten. Mit einer Konzentration auf größere und leistungsfähigere Kliniken könne man ohne Versorgungseinbußen auf hunderte Krankenhäuser verzichten, so deren Hauptaussage. Nun muss man wissen, dass der Strukturwandel der vergangenen Jahre bereits zu dem Ergebnis geführt hat, dass mehr als jedes dritte Krankenhaus in privatem Besitz ist (37 Prozent). Den »Markt« teilen sich insbesondere vier große Konzerne: Fresenius/Helios SE, Asklepios Kliniken GmbH, Röhn AG und Sana AG.
Die Sana AG wurde zu Beginn der 1970er Jahre als »Verein zur Planung und Förderung privater Krankenhäuser e. V.« von 18 Privaten Krankenversicherungen gegründet. Angesichts der zu dieser Zeit breit geführten sozialpolitischen Debatte um das »klassenlose Krankenhaus« wollten die privaten Krankenversicherer einen ideologischen und praktischen Gegenpol dazu schaffen. Sie sahen ihr Geschäftsmodell gefährdet, denn im »klassenlosen Krankenhaus« hätte es keine Privilegien für Privatpatienten gegeben.
Kampf um die Vorherrschaft
Aber aus dem großen »Krankenhaus-Monopoly« – dem mit harten Bandagen geführten Kampf um Konzentration und Zentralisation innerhalb des privaten Krankenhausmarkts – halten sich die Münchener Sana-Leute vornehm heraus. Dafür treiben es die anderen drei Konzerne umso toller. Es geht um nicht weniger als die Vorherrschaft auf dem Markt der Privatkliniken in Deutschland. Und damit natürlich auch darum, wer in den kommenden Privatisierungsrunden in Deutschland und Europa mit seinem Finanzpotenzial in der Pole-Position steht. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Vorherrschaft in der Rhön AG.
Gleichzeitig erweckt das Ganze den Eindruck einer Privatfehde einiger Unternehmenspatriarchen. Neben Eugen Münch (75 Jahre und Gründer sowie aktueller Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rhön AG) und seinem direkten Gegenspieler Dr. Bernhard gr. Broermann (76 Jahre und Gründer sowie Alleineigentümer der Asklepios Kliniken GmbH) spielt auch noch Ludwig G. Braun (76 Jahre und graue Eminenz beim Medizintechnik-Konzern B.Braun Melsungen AG) eine tragende Rolle.
Das »Krankenhaus-Monopoly« der Patriarchen
Im Jahr 2012 versuchte Münch den Zusammenschluss von Rhön AG und Fresenius/Helios zu einem Krankenhausgiganten zu bewerkstelligen. Gr. Broermann und Braun setzten alles daran, dieses Vorhaben zu vereiteln. Dazu kauften sie zu den Aktienpaketen der Rhön AG, die sie bereits hatten, weitere Anteile hinzu und verhinderten so erfolgreich, dass Fresenius/Helios die für eine Übernahme erforderliche Mehrheit von 90 Prozent erreichen konnte. Danach versuchte Fresenius/Helios mit einer einfachen Aktienmehrheit die strategische Führung im Rhön-Konzern zu übernehmen und sämtliche Kapitalvertreter im Aufsichtsrat durch eigene Leute zu ersetzen. Diesen Plan durchkreuzten die Anwälte von Asklepios ein weiteres Mal. Der Rhön-Patriarch Münch verfolgte seine Pläne jedoch beharrlich weiter, unter anderem in dem er über die Wirtschaftskanzlei Peter Gauweilers (CSU) eine Anzeige gegen gr. Broermann betrieb – wegen Marktmanipulation und Nötigung. Die Ermittlungen wurden allerdings bereits nach kurzer Zeit eingestellt.
Letztlich gelang Fresenius/Helios aber doch noch ein Deal mit Rhön, der sie zum größten Klinikkonzern in Europa machte. Im September 2013 gaben die beiden Konzerne bekannt, dass Helios den Großteil der Rhön-Krankenhäuser aufkauft (40 Kliniken und 17 Medizinische Versorgungszentren). So erklären sich auch die 1,3 Mrd. Euro Gewinn des Rhön-Konzerns 2014 (siehe Tabelle oben).
Übernahme-Poker in der Coronakrise
Dieses Jahr wechselte Münch seine Strategie und machte nun einen Deal mit dem ehemaligen Widersacher gr. Broermann: Beide poolten ihre Aktienbestände an der Rhön AG und Asklepios kaufte weitere hinzu. Bald hielten sie deutlich mehr als 50 Prozent der Aktien. Am 8. April 2020 legte Asklepios ein formelles Übernahmeangebot vor. Würde die Übernahme gelingen, entstünde ein weiterer privater Klinik-Riese. Das rief Braun auf den Plan, der dagegen mit etlichen – erneut von gut dotierten Anwaltskanzleien entwickelten – Anträgen zur Hauptversammlung vorgeht. Diese reichen von der Ablösung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats als Versammlungsleiter über Satzungsänderungen, die die erforderlichen Mehrheiten für eine Übernahme betreffen, bis hin zu einer Sonderausschüttung an die Aktionäre, um dem Konzern auf diese Weise Liquidität zu entziehen.
Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 04.06.2020, die wegen der Pandemie virtuell durchgeführt wurde, scheiterten alle diese Versuche zunächst. Wie dieser Machtpoker ausgeht, ist ungewiss. Zumal wegen Corona eine ordentliche Hauptversammlung zunächst einmal verschoben wurde, derzeit ist sie für die zweite Augusthälfte angekündigt.
Ausplünderung der Sozialkassen
Was allerdings mehr als gewiss ist: Beim Krankenhaus-Monopoly geht es nicht um hochwertige und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Vielmehr geht es um eine (finanzielle) Luxusversorgung von Eigentümern und Aktionären sowie von Kanzleien und Beratungsunternehmen. Bei Letzteren ist die Rede von Honoraren in siebenstelliger Höhe.
Zu den ersten Verlierern in diesem perfiden Spiel gehören die verunsicherten Beschäftigten in den Krankenhäusern dieser Konzerne. Zu den nicht ganz so leicht erkennbaren Verlierern gehört die Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten, die mit ihren Beiträgen diesen ganzen Irrsinn finanziert (und ja, ich weiß, dass es auch Arbeitgeber-Beiträge gibt. Beide Beitragsanteile werden aus der Lohnsumme eines Unternehmens finanziert, die durch die Wertschöpfung der Arbeitnehmer befüllt wird).
Zugespitzt, aber dennoch treffend kann man das Geschäftsmodell dieser Klinikkonzerne als Ausplünderung eines wesentlichen Teils der Sozialkassen Deutschlands bezeichnen. Und zu nennen sind ganz prominent dann noch die politisch Verantwortlichen, also jene Regierungen, Koalitionen und Abgeordnete, von denen die Gesetze, die eine solche Kommerzialisierung ermöglicht haben, entwickelt und verabschiedet wurden.
Politische Verantwortung
- 1984 unter Kanzler Kohl (schwarz-gelbe Koalition) erfolgten die Festschreibung der »Trägervielfalt« und Festlegung des Leitbilds eines »eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhauses« im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), wodurch den privaten Trägern, die bis dahin nur in Form von Stiftungskrankenhäusern eine geringe Rolle spielten, in den Genuss von staatlicher Förderung kamen. Der »Markt« der Krankenhäuser wurde dadurch für anlagesuchendes Kapital geöffnet.
- 1993 ebenfalls noch unter Kanzler Kohl (schwarz-gelbe Koalition) wurde mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) den Krankenhäusern ermöglicht, uneingeschränkt Gewinne und Verluste zu machen und Gewinne an Anteilseignern auszuschütten. Dies war ein wesentlicher Turbo für eine Privatisierungswelle. Manche sprachen hier auch von einer »Lex-Rhön«.
- 2004 unter Kanzler Schröder (rot-grüne Koalition) erfolgte dann die Einführung der diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRGs) zur Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser. Dieses Festpreissystem hat die Marktsteuerung im Krankenhaussektor geradezu beflügelt. Dieses System ermöglichte es den privaten Klinikkonzernen durch Konzentration auf besonders lukrative Fallpauschalen und striktem Kostenreduzierungskurs satte Gewinne zu erwirtschaften (siehe obige Tabelle).
Der Umbau des Krankenhaussektors zu einem »Markt«, der dann den hier geschilderten Irrsinn hervor bringt, ist nicht vom Himmel gefallen. Dieser Umbau ist bewusst politisch herbeigeführt worden. Er kann und muss auch politisch wieder zurückgenommen werden.
Neoliberale Demagogen
Wer unter dem Tarnbegriff »Strukturwande« den Abbau von Betten sowie die Schließung und Konzentration von Krankenhäusern nach »Marktgesetzen« fordert, ist entweder ein Agent oder ein nützlicher Idiot der privaten Krankenhausindustrie. Gerade die Coronakrise hat offenbart, wie wichtig der stationäre Sektor als Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsversorgung ist.
Deshalb darf es beim »Krankenhaus-Monopoly« nicht darum gehen, möglichst erfolgreich mitzuspielen, sondern darum, das ganze blödsinnige Spiel vom Tisch zu fegen. Erste wichtige Schritte dafür sind die Ersetzung der Fallpauschalen durch eine kostendeckende Finanzierung und ein gesetzliches Verbot der Gewinnausschüttung in Krankenhäusern.
Harald Weinberg ist Sprecher für Krankenhauspolitik der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit.
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