Hannover, Berlin, Essen oder Hamburg: In immer mehr deutschen Städten werden kurdische Gruppen durch türkische Nationalisten angegriffen. Gleichzeitig verschärft der türkische Präsident Erdoğan die Repression gegen die kurdische Bevölkerung der Türkei. Die Bundesregierung stützt dabei das Vorgehen der regierenden AKP. Von Daniel Kerekeš
In Berlin-Kreuzberg warfen türkische Nationalisten Flaschen und Steine auf Infostände der kurdisch-türkischen Linkspartei HDP. In Hannover wurde ein 26 jähriger Kurde durch einen Messerstich am Hals lebensgefährlich verletzt. Die Angriffe auf kurdische Demonstrationen und Infostände in Deutschland nehmen dramatisch zu. Gleichzeitig führt die eskalierte Situation in der Türkei auch unter deutschen Kurdinnen und Kurden zu gewalttätigen Verzweiflungstaten. Die Auseinandersetzung ist in Deutschland angekommen. Immer mitten im Getümmel: die Grauen Wölfe. Dabei handelt es sich um Anhänger der rechtsradikalen türkischen Partei MHP, die in Deutschland in Rund 150 Vereinen mit 7.000 Mitgliedern organisiert sind. Im Vergleich zur Größe der türkischen Diaspora ist die Partei also eher klein. Die Linkspartei HDP erfährt derweil große Unterstützung unter den in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken und Kurdinnen und Kurden. Sie erzielte hierzulande bei den vergangenen Wahlen 17,5 Prozent der Stimmen.
Doch trotz der geringen Größe der MHP in Deutschland ist der Gruß der türkischen Rechtsradikalen vermehrt auf Demonstrationen türkischer Nationalisten zu beobachten. Meistens greift der deutsche Staat nicht ein. Während Demonstrationen von deutschen Nazis in der Regel mit einem massiven Polizeiaufgebot abgeschirmt werden, können türkische Nationalisten bisher weitgehend frei demonstrieren. So wurde in Essen kürzlich eine Demonstration von Grauen Wölfen zugelassen. Als der vor Ort ansässige kurdische Verein eine Gegendemonstration anmelden wollte, wurde diese mit dem Hinweis untersagt, es gäbe gar keine Demo gegen die man protestieren könne. Eine Falschbehauptung, wie sich später herausstellte.
Bundesregierung steht an der Seite der AKP
Die deutsche Bundesregierung steht nach wie vor an der Seite des türkischen Staates, der diese Situation bewusst herbeigeführt hat. Auch wenn Außenminister Frank Walter Steinmeier Erdoğan zur Mäßigung aufruft, ist bis jetzt das gewaltsame Vorgehen gegen die kurdische Minderheit und die HDP ohne Konsequenzen geblieben. Dies kommt nicht von ungefähr: Deutschland und die Türkei pflegen enge wirtschaftliche und politische Beziehungen. Die Türkei gehört zu den größten Abnehmern deutscher Waffenexporte. Der Rüstungskonzern Rheinmettal plant nun sogar in einem Joint Venture Waffen direkt vor Ort produzieren zu lassen. Zusätzlich hat Deutschland 250 Soldaten und Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze stationiert.
Auch hierzulande behindert die Große Koalition den Kampf der kurdischen Minderheit in der Türkei um Gleichberechtigung und Frieden. Durch das PKK-Verbot kriminalisieren sowohl EU, als auch die Bundesrepublik, kurdische Aktivistinnen und Aktivisten und behindern somit das Engagement zehntausender für eine progressivere Gesellschaft. Dabei galt die PKK bis vor kurzem noch als Verbündeter im Kampf gegen den Islamischen Staat, als die Kämpfer der YPG Kobanê befreiten.
Erdogan setzt weiter auf Krieg gegen die PKK
Erdoğan setzt nach wie vor auf eine repressive Politik gegenüber den Anhängerinnen und Anhängern der HDP und der kurdischen Bewegung. So wurde z.B. in Cizre, einer Hochburg der PKK, erneut eine Ausgangssperre verhängt. Für den Machterhalt bei der kommenden Neuwahl riskiert Erdoğan einen Bürgerkrieg, wenn er diesen nicht bereits ausgelöst hat: Immer wieder fliegt die türkische Luftwaffe Angriffe gegen vermeintliche PKK Stellungen und nimmt tote Zivilisten dabei billigend in Kauf.
Die Linke in Deutschland muss den Druck auf CDU und SPD erhöhen. Ein sofortiger Stopp aller Waffenexporte in die Türkei und den Nahen Osten sowie die Aufhebung des PKK Verbotes müssen zentrale Forderungen sein. Die HDP macht es mit ihrem Friedensbündnis in der Türkei vor und sollte auch in Deutschland ein enger Bündnispartner sein – Gemeinsam auf die Straße für ein Ende der Repressionen und gegen den aufkeimenden Nationalismus.
Foto: UweHiksch
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