Es gibt viele gute Gründe, die belagerten Kurden in Kobane zu unterstützen. Dass eine linke Partei den Widerstand anführt, gehört jedoch nicht dazu.
Die Kurden sind ein unterdrücktes Volk. Sie leiden bis heute unter der Neuaufteilung des Osmanischen Reiches durch die Siegermächte des Ersten Weltkriegs. In Syrien und dem Irak waren sie jahrzehntelang einer Politik der Zwangsarabisierung unterworfen, die vom Entzug der Staatsbürgerschaft in Syrien bis hin zu Angriffen mit Chemiewaffen durch das irakische Saddam-Regime reichten. Unabhängig von den im Iran herrschenden Regimes erging es den Kurden dort nicht viel besser, während die Türkei die vielleicht gründlichste Unterdrückungspolitik betrieb, die neben staatlicher Repression auch Zwangsassimilierung und das Verbot der kurdischen Sprache beinhaltete.
Der Kampf um Kobane wird derzeit vom linken Teil der kurdischen Nationalbewegung um die PKK und ihren syrischen Ableger PYD angeführt. Diese hat es angesichts des Chaos im syrischen Bürgerkrieg geschafft, ein Experiment in Selbstverwaltung, kultureller Autonomie und Frauenbefreiung im Norden Syriens zu beginnen, das angesichts der Welle der Unterdrückung in der Region ein Hoffnungsschimmer für alle linken Bewegungen darstellt. Dieser Teil der kurdischen Nationalbewegung ist auch scharf vom korrupten und angepassten Flügel dieser Bewegung im Irak zu trennen. Dieser herrscht über einen Ministaat, der im Rahmen der US-geführten Balkanisierung des Iraks ethnische Säuberungen gegen Araber und Turkmenen in seinem Gebiet unternahm. Im Gegensatz dazu werden die kurdischen Kräfte in Kobane durch sunnitisch-arabische Kämpfer der Freien Syrischen Armee unterstützt.
Solidarität der Linken
Es ist daher anscheinend einleuchtend für manche deutsche Linke, den kurdischen Kämpferinnen und Kämpfern in Kobane die Solidarität auszusprechen, weil diese ebenfalls Linke sind. Die Gefahr einer solchen Argumentation ist jedoch, dass andere Unterdrückte, die ähnliche basisdemokratische Experimente und kämpfende Fraueneinheiten nicht vorweisen können, etwa die mit israelischem Staatsterror konfrontierten Palästinenser im Gazastreifen oder die Syrer in Aleppo und Homs, die Solidarität der Linken nicht bekommen.
So eine Haltung würde den Kampf gegen Unterdrückung aber unnötig behindern. Menschen, die beginnen sich gegen ihre Unterdrückung zu wehren, haben eben aufgrund ihrer Unterdrückung alle möglichen Ideen im Kopf, nicht nur linke. Im Gegenteil: meistens erscheinen die herrschenden Verhältnisse auch den Unterdrückten als naturgegeben. Doch sobald Menschen Widerstand leisten, geraten auch ihre Ideen in Bewegung. Und auch wenn Widerstand nicht unter linken Fahnen geführt wird, kann er die Unterdrücker schwächen und Linken Raum schaffen. Menschen, die sich wehren, auf linke Überzeugungen hin zu prüfen, bevor man sie unterstützt, bedeutet in Wirklichkeit, den Herrschenden das Feld zu überlassen.
Antimuslimischer Rassismus
Der Verweis auf den islamischen Charakter der IS-Milizen, die Kobane einnehmen wollen, ist ebenso wenig ein Grund zur Solidarität mit den Kurden wie ihre linke Überzeugung. Es liegt nichts speziell Islamisches in der Brutalität, mit der diese ultrareaktionäre Terrorgruppe ihre Opfer tötet, foltert und vergewaltigt. Dies sind auch Taktiken der schiitischen Todesschwadronen von Premierminister Maliki im Irak – die für die Popularität des IS unter vielen Sunniten heute verantwortlich sind. Sie ähneln außerdem Empfehlungen in Handbüchern psychologischer Kriegsführung der US-Armee. Sie verfolgen das Ziel, unbotmäßige Bevölkerungen in eroberten Gebieten zur Flucht zu zwingen um diese leichter regieren zu können, wie es beispielsweise in den 80ern in Zentralamerika geschah. Die ständige Betonung des islamischen Charakters der IS-Miliz ist hierzulande vor allem ein weiterer Baustein des allgegenwärtigen antimuslimischen Rassismus.
Die Linke in Deutschland hat in diesem Fall eine Vielzahl von Aufgaben. Sie muss ihre volle Solidarität mit der kurdischen Bevölkerung aussprechen, und zwar bedingungslos, aber nicht kritiklos. Das schließt offene Diskussionen über die Gefahren der westlichen Intervention ein, die viele Kurden verständlicherweise zurzeit als ein kleineres Übel sehen. Bei aller Solidarität zur PYD muss die Linke eine kritisch-solidarische Haltung zu dieser behalten. Die Idealisierung angeblicher Utopien in fernen Ländern ist immer gefährlich. Sie nimmt auf diesen Fall bezogen nicht die Komplexität der im Nahen Osten herrschenden Realpolitik zu Kenntnis und kann bei entsprechenden Ereignissen schnell in Desillusionierung und Distanzierung vom Objekt der Solidarität umschlagen.
Bedingungslos, aber nicht kritiklos
So unterstützte die deutsche Linke in den 70ern mehrheitlich die Palästinenser in ihrem Kampf für Selbstbestimmung. Grund dafür war vor allem die Präsenz einer einflussreichen bewaffneten Linken in diesem. Ihr Niedergang und der Aufstieg der Hamas führten dazu, dass sich heute nur noch ein kleiner Teil der deutschen Linken aktiv zu diesem nach wie vor legitimen Kampf bekennt, und das zu einer Zeit, wo Israels Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung immer brutaler und die Solidarität mit ihr immer nötiger wird.
Selbst eine linke Partei wie die PKK/PYD war in der Vergangenheit pragmatisch veranlagt und scheute nicht vor Bündnissen mit diktatorischen Staaten wie dem Syrien der Assads zurück um ihre Ziele zu erreichen. Eine solche pragmatische Veranlagung ist auch für die Zukunft nicht auszuschließen. Das minimiert nicht im geringsten Fall die Bedeutung des aktuellen Kampfes gegen den IS. Doch eine linke Solidarität kann nichts anderes als eine kritische sein, die auf universale Grundprinzipien basiert, bei denen es keine Abstriche geben kann.
PKK-Verbot aufheben
Unterstützen kann die Linke in Deutschland in der augenblicklichen Situation diesen berechtigten Kampf durch die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots. Die unbeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen aus allen Krisengebieten der Region, sowie der Stopp aller Waffenexporte in diese sind weitere Forderungen, die für die wir eintreten müssen. Unabhängig von den Geschehnissen, sind kurdische Menschen in Deutschland – die immer noch nicht als eine separate Gemeinschaft anerkannt werden – Opfer der im Rahmen der westlichen Allianz bestehenden engen Beziehung der Bundesrepublik zur Türkei. Noch in den 90ern wurden sie mit der Bezeichnung „Terror-Kurden“ pauschal als Terroristen stigmatisiert. Der Kampf gegen das PKK-Verbot ist daher auch ein Kampf gegen den allgegenwärtigen Rassismus und Zynismus deutscher Behörden.
Foto: dielinke_nrw
Schlagwörter: Antimuslimischer Rassismus, DIE LINKE, Irak, IS, Kobane, Kurden, Kurdistan, PKK, PKK-Verbot, Rojava, Solidarität, Syrien