Glanz und Elend in der Weimarer Republik: Die Frankfurter »Schirn« präsentiert Kunstwerke der Neuen Sachlichkeit und politische Plakate aus den 1920er Jahren. Von David Paenson
Die Menschen haben ein niederträchtiges System geschaffen – ein Oben und ein Unten (…). Einige wenige verdienen Millionen, während Abertausende knapp das Existenzminimum haben (…). Was aber hat das mit ›Kunscht‹ zu tun? Eben das, dass viele Maler (…) diese Dinge immer noch dulden, ohne sich klar dagegen zu entscheiden (…). Den Unterdrückten die wahren Gesichter ihrer Herren zu zeigen, gilt meine Arbeit. Der Mensch ist nicht nur gut, sondern ein Vieh«, urteilte der Künstler George Grosz 1922 über seine Arbeit.
Klare politische Standpunkte
Zweihundert Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus der Zeit der Weimarer Republik werden bis zum 25. Februar 2018 in der Frankfurter »Schirn« ausgestellt. Die Werke zeigen Straßenbilder, Vergnügungshallen, Sport, moderne Architektur und Technik, aber sie beziehen auch klare politische Standpunkte. Sie wenden sich gegen das im Paragraphen 218 verankerte Abtreibungsverbot und die krasse gesellschaftliche Spaltung zwischen Arm und Reich, zwischen bettelnden, versehrten Kriegsheimkehrern und gleichgültigen, gut betuchten Passanten, die nur ihr eigenes Wohlergehen im Sinn haben.
Die ausgestellten Zeichnungen und Gemälde werden der Neuen Sachlichkeit zugeordnet. Diese Kunstrichtung stellt nüchterne, schonungslose Sozialkritik in den Mittelpunkt und macht sie zu ihrem Programm. Mit der Machtergreifung Hitlers fand die Neue Sachlichkeit ein jähes Ende.
Kein Platz für naiven Optimismus
Viele der Bilder wirkten auf mich wie Karikaturen. »Möchte ich diese Bilder in meinem eigenen Wohnzimmer aufhängen?«, fragte ich mich. »Eher nicht.« Die Menschen erwecken den Eindruck von gelenkten Puppen, von Charaktermasken. Kein Wunder, könnte man meinen. Der Erste Weltkrieg mit seinen Millionen Toten, die Inflationsjahre, Arbeitslosigkeit und der aufsteigende Faschismus waren allzu sehr präsent und verboten einen naiven Optimismus. Der Impressionismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte keinen Platz mehr.
Kurt Querners »Agitator« aus dem Jahr 1931 zeigt einen überzeugten Kommunisten, der seinem Publikum den richtigen Weg weist, nur dass auf dem Bild kein Publikum zu sehen ist. Vielleicht liegt hier die Erklärung, warum gerade die politischeren Bilder seltsam leer erscheinen. Die KPD, immerhin eine Massenpartei mit hunderttausenden Mitgliedern, war selbst zu einer Karikatur verkommen. Derweil schwafelte die SPD, jene Partei, die den Ersten Weltkrieg bejubelt und Rosa Luxemburg ermordet hatte, von Frieden. An wen sollte man sich wenden, wem sollte man glauben?
Mit Selbstironie das Leben genießen
Es gibt einige Ausnahmen. Vor allem die Bilder der Malerin Jeanne Mammen zeigen kecke Menschen, junge Frauen und Transvestiten, die aus eigenem Antrieb aber mit einer gewissen Selbstironie das Leben genießen, ohne sich dabei zu verlieren.
Im Treppenhaus zu den Ausstellungsräumen findet sich eine Sammlung politischer Plakate aus der Zeit – Werbeplakate der SPD, der Kommunistischen Partei, des katholischen Zentrums und auch der Nazis. Ein besonders grausames Exemplar der letzteren Sorte ist das Abbild eines in grau gezeichneten Soldaten mit dem Spruch: »Nationalsozialist. Oder umsonst waren die Opfer«. Bezeichnend ein Plakat der SPD mit einem muskulösen Arbeiter, der, unter dem Motto »Bahnfrei! für Liste 1«, Nazis und die KPD gleichermaßen beiseiteschiebt. Nicht nur die KPD vertrat die Sozialfaschismustheorie, die SPD war keinen Deut besser.
Für jene, die die Ausstellung nicht besuchen können, stellt die Schirn ein sehr sehenswertes online-»Digitorial« zur Verfügung.
Die Ausstellung:
Glanz und Elend in der Weimarer Republik
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Noch bis 25. Februar 2018
Öffnungszeiten: Dienstag, Freitag bis Sonntag: 10 bis 19 Uhr, Mittwoch, Donnerstag: 10 bis 22 Uhr schirn.de
Foto: Schirn Presse Weimar Dodo Logenlogik 1929
Schlagwörter: Ausstellung, Frankfurt, Kultur, Kunst, Museum, Rezension, Weimar