In Berlin werden die Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 12. Februar 2023 wiederholt. DIE LINKE sollte die Koalition mit SPD und Grünen nicht fortsetzen. Ein Kommentar von Yaak Pabst
Zu wenig Stimmzettel, falsche Stimmzettel, stundenlange Wartezeiten: Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021 wegen vieler Pannen für ungültig erklärt. Verantwortlich für dieses Desaster ist der letzte rot-rot-grüne Senat, insbesondere der damalige zuständige SPD-Innensenator Andreas Geisel. Jetzt sollen die Wahlen zum Abgeordnetenhaus innerhalb von 90 Tagen wiederholt werden. Für DIE LINKE kann es nur heißen: Keinen Lagerwahlkampf für Rot-Rot-Grün. Und nach den Wahlen: Raus aus dieser DWE-Verräter-Immobilienlobbyfreundlichen-Armutsverwaltungs-S-Bahn-Privatisierungs-Abschiebe-Koalition.
Die Bilanz von Rot-Rot-Grün ist katastrophal
Die beteiligten Parteien geben sich Mühe ihre Politik im besten Licht erscheinen zu lassen. Doch die Bilanz des rot-rot-grünen Senats in Berlin ist mehr als schlecht. Egal welche Themen man sich ansieht: Der Senat liefert einfach nicht. In Berlin fehlen nach wie vor Tausende Lehrer:innen und die Situation bei der Kinderbetreuung hat sich ebenso wenig verbessert. Mehr als 17.000 Kita-Plätze fehlen in Berlin. Weiterhin sind hohe Mieten und zu wenig Wohnraum ein zentrales Problem für Hunderttausende Berliner:innen. Immer noch sind tausende Menschen obdachlos – hinzu kommen rund 50.000 wohnungslose Menschen.
Viel versprochen, aber wenig gehalten
Rot-Rot-Grün hat viel versprochen, aber wenig gehalten. Das ist nicht neu: Schon in der letzten Regierungskoalition war das Handeln des Senates geprägt von einer Politik, die gegen die Programmatik der LINKEN steht. Ein Beispiel: Der Umgang mit Geflüchteten. Der Flüchtlingsrat bilanzierte vor einem Jahr: »An der Abschiebepraxis des Landes Berlin hat sich unter R2G im Vergleich zum schwarz-roten Vorgänger Senat nichts geändert«. Berlin sei »Abschiebechampion«, mache aber zu wenig für Integration. Auch unter der Führung von Giffey ist es nicht besser geworden. Die rot-grün-rote Koalition schiebt weiter fleißig ab.
Was ist mit dem Volksentscheid?
Einer der größten Aufreger ist die konsequente Weigerung des Senates, den Volksentscheids »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen« umzusetzen (Lies hier den marx21-Artikel: Der Volksentscheid ist tot, es lebe der Volksentscheid!). Statt eines konkreten Zeitplans zur Umsetzung wurde eine »Expertenkommission zur Prüfung« eingesetzt. Obwohl die Durchsetzung des Volksentscheids das zentrale Wahlversprechen der LINKEN war, konnte die Partei sich nicht durchsetzen und ist nun mitverantwortlich für den Schlamassel.
Sozialgerechte und nachhaltige Klimapolitik? Fehlanzeige!
Eine weitere wichtige Leerstelle ist die Klimapolitik. Die faktische Privatisierung der S-Bahn durch deren Ausschreibung wurde vor allem von den Grünen, aber auch der SPD forciert. Anstatt die S-Bahn auszubauen und perspektivisch zu einer echten Alternative zum Auto zu entwickeln, droht mit der Privatisierung neues Chaos. Zudem: Statt Fahrpreissenkungen durchzusetzen, erhöht der Senat zum 1. April 2023 die Tarife um 5,62 Prozent. Es ist die dritte deutliche Preiserhöhung unter R2G: Bereits 2017 und 2021 stiegen die Ticketpreise. Die LINKE.Berlin lehnt hingegen die Ausschreibung der Berliner S-Bahn ab und setzt sich für Fahrpreissenkungen ein.
Video der Kampagne Eine S-Bahn für Alle
Ebenso fehlt der Wille zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in Berlin. In Berlin werden immer noch zu 92 Prozent fossile Energieträger eingesetzt, zum Großteil Erdgas und Mineralöl. DIE LINKE hingegen ist für den Ausstieg aus dem fossilen Energieregime.
Wie soll die LINKE jetzt reagieren?
Innerhalb und außerhalb der Linkspartei gab es schon zu Beginn der letzten Koalitionsverhandlungen Protest gegen den Eintritt der LINKEN als Juniorpartnerin in eine Koalitionsregierung unter der Führung der rechten Sozialdemokratin Franziska Giffey. Der Berliner Landesvorstand ignorierte und bekämpfte diesen Protest. Doch die damals geäußerten Befürchtungen, dass DIE LINKE als Juniorpartnerin in der Koalition ihre selbstgesteckten Ziele nicht umsetzen wird, haben sich bestätigt. Es zeigt sich: Eine Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin ist eben nicht das kleinere Übel. Im Gegenteil: DIE LINKE kann sich von den desolaten herrschenden Zuständen in der Hauptstadt als Regierungspartei kaum distanzieren, sondern wird in Mithaftung genommen – sei es für die überforderte Verwaltung, das Verkehrschaos, die drohende Zerschlagung der maroden S-Bahn, den Notstand in Schulen und Krankenhäusern oder Polizeigewalt und behördlichen Rassismus. So macht sich die LINKE unglaubwürdig. Wenn die Partei ihre Glaubwürdigkeit wieder erlangen möchte, muss sie deutlich ausstrahlen: Politikwechsel statt Weiter so! Gleichzeitig läuft das Argument des »kleineren Übels« gegenüber einer Koalition ohne DIE LINKE deshalb ins Leere, weil die Regierungsbeteiligung die Partei und damit auch die gesamte Linke langfristig schwächt. Das ist gefährlich. Denn sowohl die Konservativen, als auch die faschistische Rechte versucht den Unmut über die gesellschaftlichen Verhältnisse auf ihre Bahnen zu lenken. In jüngsten Umfragen konnten CDU und AfD zulegen.
Problem Regierungsbeteiligung
Die schlechten Erfahrungen der Linken mit Regierungsbeteiligungen sind nicht neu. DIE LINKE konnte mit keiner ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin einen grundlegenden Politikwechsel einleiten (Lies hier den marx21-Artikel: R2G und DIE LINKE in Berlin). Schon die vergangenen Regierungsbeteiligungen haben der Partei massiv geschadet. DIE LINKE konnte bei der letzten Abgeordnetenhauswahl nur dort ihre Ergebnisse halten oder verbessern, wo sie an der Seite von Bewegungen in Opposition gegen den Senat mobilisierte. Will die Partei nicht weiter abstürzen, muss sie an diesen Erfolgen ansetzen und nicht blindlings in die nächste Koalitionsregierung reinstolpern. Wer einen Politikwechsel will, darf sich nicht der Politik der Unterwerfung in Koalitionsregierungen hingeben. Aber was ist die Alternative zur Regierungsbeteiligung?
Lieber richtig in die Opposition, als falsch in die Regierung
Nicht nur die Erfahrungen von sechs Jahren rot-rot-grüner Regierung zeigen, dass es vor allem Streiks und Proteste braucht, um einen wirklichen Politikwechsel durchzusetzen. Alles muss erkämpft werden. Nur wo die Bewegung stark ist, gibt es Zugeständnisse. So musste beispielsweise der Tarifvertrag für die Vivantes-Kliniken nicht nur gegen die Geschäftsleitung, sondern auch gegen die SPD geführte Senatsverwaltung erkämpft werden. Dies gilt auch für andere Politikfelder. Für eine glaubhafte Unterstützung dieser Kämpfe waren die Einbindung in die vergangenen Koalitionsregierung hinderlich, weil DIE LINKE nicht die Kompromisse im Senat verteidigen und gleichzeitig von außen kritisieren kann. Der Partei kann der Spagat auf Dauer nicht gelingen, in der Regierung mit den Koalitionspartnern mit einer Stimme zu sprechen und als Partei unabhängig zu mobilisieren. Vor allem in der Opposition wäre DIE LINKE in der Lage, gemeinsam mit Gewerkschaften und den vielen Initiativen in der Stadt Druck aufzubauen, glaubwürdig zu bleiben und für ihre Ziele – allen voran für die Umsetzung des Volksentscheides zu kämpfen.
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