Sexkauf und Bordellbetrieb sollten verboten werden, nicht Prostitution. Ein Debattenbeitrag von Katharina Sass
Im nordischen Modell machen sich nur Nachfrager und Organisatoren der Prostitution strafbar. Die Prostituierten werden in Norwegen seit 1899 nicht mehr kriminalisiert, in Schweden seit 1918. Damals wurden Zwangsuntersuchungen und Registrierungen von Prostituierten abgeschafft. Heute sind Zuhälterei, Bordellbetrieb und Menschen-handel verboten, aber es ist weiterhin erlaubt, sich zu prostituieren. Zusätzlich wurde in Schweden 1998 und in Norwegen 2008 das Sexkaufverbot beschlossen.
Sexkauf, Verbote und die Linke
Auch Frankreich hat seit kurzem ein fortschrittliches Prostitutionsgesetz, das mehr Rechte für Menschenhandelsopfer, verstärkte Finanzierung von Ausstiegshilfen und ein Sexkaufverbot kombiniert. Die Prostituierten wurden nun auch in Frankreich gänzlich entkriminalisiert. Diese Gesetze wurden von links erkämpft. In Schweden wie Norwegen gehörten die Linksparteien zu den ersten Unterstützern und die Sexkaufverbote wurden von rot-rot-grünen Regierungen eingeführt. Auch in Frankreich haben Linkspartei und Kommunisten geschlossen dafür gestimmt.
Erst spät haben die schwedischen Konservativen den Widerstand aufgegeben. Die norwegischen Konservativen und Rechtspopulisten haben das Gesetz immer abgelehnt, ebenso die Schwedendemokraten.
Was ein Verbot von Sexkauf bringt
Zur Wirkung der Gesetze wurden in beiden Ländern umfangreiche Forschungen durchgeführt. Straßenprostitution ist stark zurückgegangen und Prostitution in Gebäuden hat nicht zugenommen, sondern ist in Norwegen nach Schätzungen um zehn bis zwanzig Prozent geschrumpft. Die ausgewerteten Polizeiberichte lassen darauf schließen, dass das Sexkaufverbot für Zuhälter und Menschenhändler einen abschreckenden Effekt hat. Vor der Einführung des Gesetzes wurde die Zahl der Prostituierten in Norwegen auf über 3000 und heute auf etwas über 2000 geschätzt. Geht man von 400.000 Prostituierten in Deutschland aus, bedeutet dies, dass es hier relativ betrachtet etwa zehnmal so viel Prostitution gibt wie in Norwegen.
Ein Sexkaufverbot stärkt die Stellung der Prostituierten
Der Einwand, dass das Sexkaufverbot Prostituierte in Gefahr bringe, ist legitim. Prostitution geht überall mit Gewalt einher. Es gibt aber keine Belege dafür, dass die Gewalt durch das Sexkaufverbot angestiegen sei. Im Gegenteil stärkt die Kriminalisierung der Bordellbetreiber und Sexkäufer die Stellung der Prostituierten ihnen gegenüber. Prostituierte können Käufer anzeigen. Darüber hinaus trägt das Sexkaufverbot zu einem Einstellungswandel bei. Für Norwegen deuten Studien darauf hin, dass gerade junge Männer Sexkauf in ihrer großen Mehrheit ablehnen.
Reaktionäre Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität
Es geht in der deutschen Debatte nicht nur um die Effekte von Gesetzen, sondern um abweichende Analysen. Die abolitionistische, linksfeministische und marxistische Position, die ich vertrete, wertet Prostitution als Gewaltverhältnis und als Ausdruck von Patriarchat und Kapitalismus. Prostitution führt zu Traumata beim Großteil der betroffenen Menschen und ist Motor des Menschenhandels. Hinter Prostitution stehen reaktionäre Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität. Die Akzeptanz der Warenförmigkeit sexueller Beziehungen steht sexueller Befreiung entgegen. Daraus folgt, dass Prostitution langfristig überwunden werden sollte und kurzfristig eingedämmt werden muss.
Prostitution ist keine Arbeit, sondern sexuelle Gewalt
Die liberale Position hingegen begreift Prostitution als das Eingehen »freier Verträge« und fordert, Prostitution zu »professionalisieren«. Diese liberale Utopie hat mit der brutalen Realität nichts zu tun. Rund 90 Prozent der Prostituierten kommen aus den armen Ländern des Südens innerhalb und außerhalb der EU. Prostitution und Sexkauf gutzuheißen, wie Liberale es tun, bedeutet rassistische, sexistische Ausbeutung zu leugnen und zu legitimieren. In den deutschen Gesetzen, auch dem neuen, wird die Gewaltförmigkeit der Prostitution, das Leid der Opfer und die Verantwortung der Täter nicht anerkannt. Linke sollten dazu endlich klar Stellung beziehen. Prostitution ist keine Arbeit, sondern sexuelle Gewalt.
Zur Autorin: Katharina Sass ist Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin. Sie ist Mitgründerin des Netzwerks »LINKE für eine Welt ohne Prostitution«.
Auf marx21.de eröffneten wir die Debatte mit dem Beitrag von Katharina Sass. Sie meint: »Ein Sexkaufverbot stärkt die Stellung der Prostituierten«. Darauf antwortete Rosemarie Nünning. Ihre These: »Verbote verschieben Prostitution nur in den Untergrund, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Frauen«. Hier findest du eine erneute Antwort von Katharina Sass und den Replik von Rosemarie Nünning. Was denkst du? Sollten wir als Linke für ein Verbot von Sexkauf eintreten?
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Schlagwörter: Debatte, Inland, Kapitalismus, marx21, Patriarchat, Prostitution, Sexkauf, Sexuelle Gewalt