Die neue marx21 Pocket-Edition mit dem Titel »Der Krieg um die Ukraine – Imperialismus und der Kampf für Frieden« erscheint am 21. Dezember 2022. Jetzt bestellen!
Liebe Leser:innen,
»Der Imperialismus ist zurück in Europa«, schreibt Kanzler Olaf Scholz in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fünf Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine. Mit dieser Sichtweise ist er nicht alleine. Seit Putins Einmarsch ins Nachbarland ist der Begriff des »Imperialismus« wieder in aller Munde. Aber was verstehen Scholz und Co. eigentlich darunter?
Klar ist, dass für sie nur die russische Seite »imperialistisch« agiert. Mundgeruch haben immer nur die anderen. Die Nato sei ein »Verteidigungsbündnis« und der »Westen« im Gegensatz zu Putins Russland »demokratischen Werten« verpflichtet. Dementsprechend verfolgten auch die Kriege der Nato keine imperialen Absichten, sondern dienten der »humanitären Intervention«, dem »Schutz der Menschenrechte« oder dem »Kampf gegen den Terror«. Angesichts der imperialistischen Großmachtpolitik Putins bliebe den Nato-Staaten nun jedoch keine andere Wahl, als ebenfalls militärische Stärke zu zeigen. Die Rückkehr des »Imperialismus« aus der Mottenkiste vermeintlich antiquierter Begriffe ins Zentrum des politischen Diskurses wird so zu einer weiteren Legitimation für Aufrüstung, Militarismus und Krieg.
Richtig ist: Russland ist eine imperialistische Macht, die den postsowjetischen Raum inklusive der Ukraine als ihren Hinterhof betrachtet. Die Ukrainer:innen haben ein Recht auf Selbstbestimmung und Widerstand gegen den russischen Angriff. Doch dass sich die Nato nun als »antiimperiales Verteidigungsbündnis« inszeniert, ist angesichts ihrer Geschichte blanker Hohn. Ihre Mitgliedstaaten sind seit dem Zweiten Weltkrieg für zahlreiche Angriffskriege und Staatsstreiche verantwortlich und unterstützen bis heute blutige Diktaturen und deren Kriege. Vom Koreakrieg und dem Putsch im Iran 1953 bis zu den Kriegen in Jugoslawien, Irak und Afghanistan oder der Unterstützung Saudi Arabiens im Jemenkrieg – die Blutspur der Nato-Staaten zieht sich seit mehr als 70 Jahren durch die ganze Welt.
Im Krieg um die Ukraine stehen sich zwei imperialistische Blöcke gegenüber, die um die Beute streiten – und das nicht erst seit dem 24. Februar. Der Krieg hat damit einen Doppelcharakter: Es handelt sich sowohl um einen nationalen Befreiungskrieg gegen die russische Invasion als auch um einen Stellvertreterkrieg zwischen dem westlichen Block unter Führung der USA auf der einen und Russland auf der anderen Seite – mit China als aufstrebender neuer Weltmacht im Hintergrund.
Dieser Doppelcharakter des Krieges ist einer der Gründe, warum Putins Angriff auf die Ukraine hierzulande nicht nur Entsetzen auslöste, sondern auch regelrechte Hilflosigkeit in großen Teilen der deutschen Linken. Während in der Ablehnung der Aufrüstung der Bundeswehr noch weitgehend Einigkeit besteht, ist die Frage des Umgangs mit dem Krieg selbst in der Linken hoch umstritten. Viele suchen nach Handlungsmöglichkeiten und Forderungen von links, um dem Krieg etwas entgegenzusetzen. Konzepte von »gezielten Sanktionen« werden laut, die mit einer vermeintlichen Klassenperspektive ausschließlich die Herrschenden und Oligarchen treffen sollen. Einige gehen in ihrer Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegung in der Ukraine gegen den russischen Imperialismus sogar so weit, dass sie Waffenlieferungen der Nato ins Kriegsgebiet gutheißen. Andere wiederum tun sich noch immer schwer damit, in Russland überhaupt einen imperialistischen Akteur zu erkennen, weil sie gewohnt waren, »Imperialismus« mit der Außenpolitik der USA gleichzusetzen. Beiden Seiten gemein ist, dass sie den Begriff als bloßes Synonym für eine militarisierte Verfolgung wirtschaftlicher Interessen gebrauchen, anstatt Imperialismus als System zwischenstaatlicher Konkurrenz zu verstehen, in das alle kapitalistischen Staaten involviert sind.
Hier wollen wir mit dieser Ausgabe der marx21 Pocket Edition ansetzen. Anhand ausgewählter Texte soll sowohl ein vertieftes Verständnis des Kriegs um die Ukraine als auch ein Einblick in die marxistische Imperialismustheorie ermöglicht werden. Denn diese bildet sowohl den geeigneten Analyserahmen, um die Entstehung und die Dynamik des Konflikts zu verstehen, und ist zugleich Ausgangspunkt, um linke Antworten, Positionen und Handlungsmöglichkeiten gegen den Krieg und seine Verursacher zu bestimmen.
Im ersten Teil des Buches gehen wir dem Doppelcharakter des Ukrainekriegs auf die Spur. Wir beleuchten die ukrainische Geschichte im Wechselverhältnis von Imperialismus, Unterdrückung und Widerstand. Wir betrachten den Krieg vor dem Hintergrund marxistischer Debatten zum Umgang mit der nationalen Frage. Außerdem analysieren wir den Charakter des russischen Imperialismus unter Putin sowie das Agieren des Westens im Krieg um die Ukraine. Wir sprachen mit einem russischen Sozialisten und Aktivisten über die Perspektiven des Widerstands vor Ort und untersuchen die Wirkung der Sanktionen gegenüber Russland. Schließlich widmen wir uns dem Umgang der Bundesregierung mit dem Ukrainekrieg, den deutschen Waffenlieferungen und den dahinterstehenden Absichten sowie den gigantischen Aufrüstungsplänen und der damit einhergehenden neuen Blüte des deutschen Militarismus.
Der zweite Teil des Buches befasst sich mit der Frage, was Imperialismus eigentlich ausmacht. Nach einer Einführung in die marxistische Imperialismustheorie und der Beantwortung der Frage, was dies im Umkehrschluss für eine zeitgemäße antiimperialistische Linke bedeutet, betrachten wir die imperialistische Politik des 20. und 21. Jahrhunderts im Konkreten und zeigen dabei Brüche, aber auch Kontinuitäten auf. Hierbei wird deutlich: Anders als Kanzler Scholz und Konsorten uns glauben machen wollen, war der Imperialismus nie weg – auch nicht in Europa.
Im letzten Kapitel lassen wir schließlich mit Lenin, Rosa Luxemburg und Duncan Hallas drei Klassiker des Antiimperialismus zu Wort kommen, deren Schriften zu Imperialismus, Krieg, Frieden und Sozialismus bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben.
Wir hoffen, mit den ausgewählten Texten einen Beitrag zum besseren Verständnis des Kriegs um die Ukraine und der aktuellen politischen Weltlage insgesamt zu leisten. Denn angesichts der Barbarei des Kriegs sind linke Antworten dringender denn je.
Viel Spaß beim Lesen!
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Inhaltsverzeichnis marx21 Pocket-Edition 2022
Teil I: Krieg in der Ukraine
Nein zu Putins Krieg! Nein zur Eskalation der Nato!
Von der Aktualität des Antiimperialismus
Die Ukraine – eine Geschichte von Krieg und Unterdrückung
Die Ukraine und die nationale Frage
Der russische Imperialismus unter Putin
Wie sie das Kriegsfieber anheizen
»Die Sanktionen treffen die Falschen!«
Warum Sanktionen Putin nicht stoppen werden
Frieden mit deutschen Granaten?
Der neue deutsche Militarismus
Trotz alledem: Weiter gegen Krieg, Waffenexporte und Aufrüstung!
Teil II: Imperialismus damals und heute
Was ist Imperialismus?
Was ist Antiimperialismus?
Marxismus und die nationale Frage
Erster Weltkrieg: Der Griff nach der Weltmacht
Wie Kriege beendet werden können
Zweiter Weltkrieg: Ein antifaschistischer Krieg?
Säbelrasseln im Westpazifik
70 Jahre Nato: Von wegen Verteidigungsbündnis
Lügen, Folter und Massenmord: 20 Jahre Krieg gegen den Terror
Afghanistan und das Imperium
Teil III: Klassiker des Antiimperialismus
Wladimir Iljitsch Lenin: Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen
Rosa Luxemburg: Friedensutopien
Duncan Hallas: Sozialismus und Krieg
Verzeichnis der Autoren und Autorinnen
Schlagwörter: Imperialismus, Krieg, Ukraine