Die AfD ist schwächer als anderswo, DIE LINKE erzielt eins der besten Wahlergebnisse seit ihrer Gründung und gewinnt viele neue Aktive: Die Erfahrungen aus Freiburg zeigen, wie eine Partei im Kampf gegen Rassismus als sozialistische Alternative aufgebaut werden kann. Von Daniel Anton und Dirk Spöri
Ein bestimmendes Thema im Wahlkampf war natürlich die AfD. Seit Ende 2015 war in Baden-Württemberg zu befürchten, dass die AfD in den Landtag einziehen könnte. Die Befürchtungen sollten sich am Wahlabend bestätigen: Mehr als 800.000 Menschen gaben der Partei ihre Stimme, das entsprach 15,1 Prozent.
Als Freiburger LINKE konnten wir den Wahlabend – bei aller Wut über die landesweiten Ergebnisse der AfD – dann doch ein wenig feiern: Nicht nur, dass die AfD hier ihr zweitschlechtestes Ergebnis holte, es wählten 9.500 Menschen DIE LINKE. Das entspricht 8,4 Prozent und ist in absoluten Zahlen das zweitbeste Ergebnis der hiesigen LINKEN seit ihrer Gründung. Unser Wahlkampf und unsere Politik waren im doppelten Sinne vor allem bei jungen Menschen erfolgreich: 58 Prozent unserer Wählerinnen und Wähler sind jünger als 35 Jahre. Die Freiburger Linksjugend-Gruppe konnte ihre Aktivenzahl im Wahlkampf verdoppeln und auch die Mehrzahl der Neumitglieder bei der LINKEN ist jung. Für uns ist dieser Erfolg nicht nur mit richtigen Inhalten zu erklären, sondern auch mit einem Wahlkampf, in dem sich junge Menschen aktiv für soziale Gerechtigkeit und Antirassismus einsetzten konnten.
Direkte Konfrontation mit der AfD
Viele Aktivistinnen und Aktivisten in Freiburg wollten die direkte Auseinandersetzung mit der AfD aufnehmen. Es handelt sich dabei um eine Partei, deren Mitglieder in Baden-Württemberg Anmelder für Pegida-Aufmärsche waren, die Demonstrationen von Abtreibungsgegnern und regelmäßige Proteste gegen die Homoehe organisieren. Nach einer landesweiten DGB-Demonstration gegen rechts im Januar gründeten deshalb Mitglieder der LINKEN und dem Studierendenverband Die Linke.SDS eine Aktionsgruppe, die sich einmal wöchentlich traf. Sie wurde zu einer Anlaufstelle für Menschen, die im Wahlkampf Partei ergreifen wollten gegen die AfD, ohne gleich bei der LINKEN mitmachen zu müssen. Die Kampagnengruppe setzte sich zum Ziel, bei jeder öffentlichen Aktion oder Veranstaltung der AfD zu protestieren.
Den Startschuss dafür gab es an der Uni: Wir haben für die Treffen der Aktionsgruppe plakatiert und über DIE LINKE dazu eingeladen. Außerdem verteilten wir Flyer auf Demonstrationen und bei einer LINKE-Veranstaltung zum NSU. Wir erstellten Listen, auf denen sich Interessierte eintragen konnten. Dutzende Leute meldeten sich, die mithelfen wollten. So haben wir noch vor Beginn des Wahlkampfs den Grundstein gelegt.
Gleich auf den ersten Treffen beschlossen wir, zwei Dinge zu tun: mit Plakaten im »AfD-Layout« und Flugblättern Gegenargumente zur rechten Propaganda zu liefern und bei allen öffentlichen Auftritten der AfD dabei zu sein. Letzteres war ein Spagat: Wir hatten nicht das Ziel, Veranstaltungen zu verhindern. Die AfD ist – zumindest im Moment – noch keine Nazipartei. Doch sie bereitet mit ihrer Hetze den Nährboden für Gewalt gegen Geflüchtete und andere. Zusammen mit den Pegida-Aufmärschen versuchen die Rechten, die Straßen und damit öffentliche Räume zu besetzen und damit Selbstbewusstsein bei ihren Anhängern zu erzeugen. Deshalb ist es uns wichtig, die AfD nicht ungestört reden zu lassen. Wir wollen ihren Anhängern zeigen, dass sie in der Minderheit sind und dass nicht nur ein paar wenige Linke, sondern Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen die AfD und ihre Propaganda für gefährlich halten.
Die »Bundeszentrale für Rassismusbekämpfung«
Als es Mitte Februar dann den ersten AfD-Infostand in der Freiburger Innenstadt gab, waren kurz darauf auch Aktive aus der Aktionsgruppe vor Ort: Mit einem Transparent, rot-weißem Baustellenabsperrband und einem Flugblatt ausgestattet, demonstrierten wir als »Bundeszentrale für Rassismusbekämpfung«. Mit dem Absperrband machten wir den Versuch, den Infostand zu umrunden, wurden aber von der Polizei ziemlich schnell daran gehindert.
Die Aufmerksamkeit war dennoch groß und die Rückmeldung in der Bevölkerung positiv: Die Aktiven bekamen Brezeln und Äpfel geschenkt, die Rechten packten entnervt ein. Beim nächsten AfD-Infostand war dann mehr Polizei anwesend und versuchte, uns einzuschüchtern. Da nun aber eine größere Anzahl von Aktivistinnen und Aktivisten dabei war, darunter nun auch Leute aus Antifa-Gruppen, war unser Selbstbewusstsein groß genug, um so lange zu bleiben bis die AfD-Mitglieder abermals frustriert abzogen. Ihre Partei verzichtete im weiteren Wahlkampf auf Infostände in der Innenstadt.
Als die AfD ihre einzige Wahlkampfveranstaltung in Freiburg mit ihrem Spitzenkandidat Jörg Meuthen bekannt gab, gründeten wir ein Bündnis für eine Protestkundgebung vor dieser Veranstaltung. Diese Kundgebung meldeten wir auf einem Platz nahe der Veranstaltung an, zusammen mit einer Demo, die direkt vor der Eingangstür vorbeiziehen sollte. Doch angesichts einer antirassistischen Kundgebung des DGB wenige Tage zuvor und den zahlreichen Aktionen im Rücken sagte die AfD ihre Veranstaltung kurzfristig ab.
Eine reale Handlungsplattform für die Menschen
Auch im Umland von Freiburg gab es zahlreiche Aktionen. Die Linksjugend [’solid] machte es sich zur Aufgabe, vor jeder AfD-Veranstaltung in der Region Flugblätter zu verteilten und mit antirassistischen Transparenten präsent zu sein. Als zum Wahlkampfabschluss Frauke Petry in Breisach, in der Nähe von Freiburg, auftreten wollte, gründete sich auch dagegen ein Bündnis. Mit den erfolgreichen Aktionen und Protesten in Freiburg im Rücken demonstrierten 1500 Menschen gegen Frauke Petry – in einer Stadt mit nur 10.000 Einwohnern.
Neben dem direkten Erfolg – die AfD wurde mit ihrem Rassismus konfrontiert und konnte kaum öffentlich auftreten – boten diese Aktionen die Möglichkeit, sich im Wahlkampf zu engagieren, ohne direkt für eine Partei Werbung machen zu müssen. Die Aktionsgruppe und die Demonstrationen waren auch ein Ausweg aus der Ohnmacht, die viele angesichts der starken Umfragewerte der AfD und der rassistischen Hetze verspürten. DIE LINKE konnte davon profitieren, dass sie als entschiedene Gegnerin von Rassismus und als Kraft wahrgenommen wurde, die sich nicht nur um Wahlen und Wahlkämpfe kümmert.
Die antirassistische Kampagne der Freiburger LINKEN führte nicht dazu, dass wir andere Themen fallen ließen. Im Dezember und Januar beteiligten wir uns an vier Demonstrationen gegen den Krieg in Syrien, eine organisierten wir sogar mit. Mitglieder der LINKEN und der uns nahestehenden Gemeinderatsgruppierung Linke Liste haben schon vor zwei Jahren ein Bündnis für die Einführung eines Sozialtickets gegründet, welches mit Veranstaltungen und Aktionen so lange Druck machte, bis die Stadt Freiburg Anfang Mai endlich dessen Einführung beschloss – gegen den eigentlichen Willen der grün-schwarze Mehrheit im Gemeinderat. Es sind diese kleinen und großen Erfolge, die eines ganz deutlich machen: DIE LINKE kann nur Erfolg haben, wenn sie nicht nur als Wahlverein auftritt, sondern eine reale Handlungsplattform für die Menschen darstellt. Eine Umfrage am Wahltag belegt das: In Freiburg nannten 65 Prozent der Wählerinnen und Wähler »Soziale Gerechtigkeit« als Grund, uns zu wählen. Es war mit Abstand das wichtigste Thema, auch bei jungen Menschen, gerade in Städten. Denn teure Mieten, Befristung und Leiharbeit bestimmen das Leben vieler junger Leute.
Keine Angst über Sozialismus zu sprechen
Dieser Wahlkampf hat gezeigt, dass DIE LINKE jungen und älteren Menschen vermitteln muss, dass sie in unserer Partei in Theorie und Praxis mitbestimmen können. Jede und jeder von uns kann in Streiks, antirassistischen Aktionen, im Betrieb und auf der Straße für die Verbesserung des eigenen Lebens kämpfen. Der Gegenwind von rechts und die rassistisch geführte Flüchtlingsdebatte zeigen, dass ideologische Fragen wichtig sind. DIE LINKE wird nicht nur für praktische Aktionen gebraucht, sondern sie muss auch grundsätzliche Antworten auf die Frage geben, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Sie muss also klare Kante zeigen und offensiv für offene Grenzen für alle eintreten, außerdem für eine Umverteilung des Reichtums und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir sollten keine Angst davor haben, über Sozialismus zu sprechen und uns für die Überwindung des Kapitalismus zu engagieren. Wenn wir radikal, glaubwürdig und kämpferisch auftreten, können wir nur gewinnen.
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