Der ursprüngliche Mietendeckel Entwurf (»8-Euro-Hammer«) hätte den Menschen in Berlin geholfen. Doch in der neuen, abgeschwächten Version haben sich Immobilienkonzerne und ihnen wohlgesonnene Politikerinnen und Politiker von SPD und Grüne vorerst durchgesetzt. Das sollte DIE LINKE nicht kampflos hinnehmen
Die erste Mietendeckel Variante der linken Bausenatorin Katrin Lompscher hätte hunderttausenden Berlinerinnen und Berlinern eine deutlich niedrigere Miete gebracht und zudem der Beginn einer deutschlandweiten Kampagne für die gesetzliche Beschränkung von Mieten sein können (Lies hier den Artikel: »Das Ende der Märchenstunde: Verteidigt den Berliner Mietendeckel!«). Doch der neue Entwurf ist so stark verschlechtert, dass wenig davon übrigbleibt.
Mietendeckel zerstört
Der Sinn eines Mietendeckels ist es, den Mietenwahnsinn zu stoppen, also Spekulation mit Wohnraum und die ausufernden Mietsteigerungen zu beenden. Mit dem alten Entwurf wäre dies eingetreten, weil in Berlin fast niemand mehr als 7,97 Euro pro Quadratmeter für die Miete hätte zahlen müssen. Der neue, durch SPD und Grüne abgeschwächte Entwurf, sieht hingegen höhere Oberwerte als ursprünglich, sowie Zuschläge für Sanierungen und mehr Ausnahmeregelungen im Interesse der Immobilienwirtschaft vor.
Gesenkte Mieten: 80 Prozent weniger
Die größte Verschlechterung ist, dass ein Antrag auf Senkung auf die neuen Oberwerte nur noch möglich sein soll, wenn die Miete 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt. Allein durch diese Regelung können etwa 80 Prozent weniger Berlinerinnen und Berliner das Absenken ihrer Miete beantragen.
Die Mieten in Berlin sind derzeit so hoch wie nie zuvor
Die Folge: Für die meisten Berlinerinnen und Berlin wird sich durch den Mietendeckel wenig verbessern. Sie zahlen ihre bisherige (hohe) Miete weiter. Beispielsweise müsste eine Familie mit 3000 Euro Haushaltseinkommen eine Nettokaltmiete von 900 Euro (30 Prozent von 3000 Euro) und damit eine Gesamtmiete von etwa 1200 Euro weiter bezahlen. Bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung entspräche das 12,86 Euro nettokalt pro Quadratmeter.
Mietenwahnsinn 2019
Dass die Berliner Mieten weiterhin auf dem Stand von 2019 für fünf Jahre eingefroren werden, nützt nur wenig. Denn die Mieten sind derzeit auf dem höchsten Niveau aller Zeiten. Die Immobilienwirtschaft in Berlin hat von Wohnungssuchenden 2018 doppelt so hohe Mieten verlangt wie zehn Jahre zuvor. Die durchschnittliche Angebotsmiete lag bei 11,09 Euro nettokalt, 2008 waren es 5,59 Euro. Nach einer Untersuchung von Immowelt setzt sich diese Entwicklung in Berlin auch 2019 fort, das Inserateportal kommt im Mittel auf 11,60 Euro.
Neuer Mietendeckel hilft nicht
Der neue Mietendeckel hilft kaum, weil er diese ausufernden Mietsteigerungen mit der 30-Prozent-Regel nur für wenige Berliner verhindern kann. Die Regel gilt bereits für die sechs städtischen Wohnungsbauesellschaften, die zusammen mit etwa 300.000 Wohnungen der größte Vermieter Berlins sind. Dennoch gab es bei diesen Gesellschaften 2018 nur 282 Mietsenkungen. Hinzu kommt, dass die Obergrenzen für Neuvermietungen teils deutlich erhöht wurden. Für Wohnungen mit Baujahr ab 2003 von 7,97 auf 9,80 Euro nettokalt pro Quadratmeter. Das ist ein Anstieg um 23 Prozent!
Außerdem gelten im neuen Entwurf statt des bisher verwendeten Mietspiegels von 2011 nun die deutlich höheren Werte von 2013. Bei den Angebotsmieten beträgt der Unterschied 1,11 Euro pro Quadratmeter. Das Jahr 2013 markiert in Berlin den Zeitpunkt, als die Spekulationen von großen Investoren eine neue Qualität annahmen. Aus der Sicht von Mieterinnen und Mieter ist es deswegen ein Nachteil, dass sich die Koalition auf das Jahr 2013 geeinigt hat.
2013: Das Jahr der Spekulanten
Denn spätestens ab dem Jahr 2013 hat die Profitgier der privaten und institutionellen Anleger den Berliner Wohnungsmarkt in ein Casino verwandelt, in dem die Beteiligten auf große Gewinne hoffen. Das Volumen der Verkäufe von Grundstücken, Immobilien und Eigentumswohnungen hat sich zwischen 2009 und 2018 von 6,5 auf 19 Milliarden Euro Jahresumsatz fast verdreifacht. Es hat sich eine Ertragserwartungsspekulation entwickelt. Der Stadtsoziologe Andrej Holm skizziert die Folgen: »Je höher die gezahlten Preise, desto höher die Ertragserwartung für die Investoren und desto stärker der Verdrängungsdruck für die Mieterinnen und Mieter. Denn aus den Bestandsmieten können die aktuellen Kaufpreise nicht refinanziert werden.«
Immobilienwirtschaft: Knietief im Sumpf der Spekulation
Eine immobilienwirtschaftliche Analyse hat kürzlich errechnet, dass Immobilienkäufer in Berlin die Bestandsmieten um 90 Prozent erhöhen müssten, um den durchschnittlichen Kaufpreis zu refinanzieren. Die Mietsteigerung oder Verdrängung ist also in der Ertragserwartung der Immobilienverkäufe schon eingepreist. Wer in Berlin diesen Mietenwahsinn beenden möchte, muss die Mieten auf das Niveau vor der Spekulation zurückschrauben. Mit dem Absenken der Mieten in ganz Berlin auf maximal 7,97 Euro pro Quadratmeter ohne Einkommenseinschränkung war dies im alten Mietendeckel-Entwurf angelegt. Deswegen das laute Geschrei der Immobilienwirtschaft, die knietief im Sumpf der Spekulation steckt (Lies hier den Artikel: »Mieten, Wohnungsmarkt und Kapitalismus: Der Ausverkauf der Städte.«).
Mietendeckel durchlöchert
Dass im neuen Mietendeckel sowohl die Oberwerte erhöht, als auch die 30-Prozent-Regel eingeführt wurde, dämpft die Wirksamkeit des Deckels stark. Ebenso durchlöchern die vielen Ausnahmeregelungen für die Immobilienwirtschaft den Mietendeckel in ihrem Interesse. So können die Kosten für Modernisierungen mit bis zu einem Euro je Quadratmeter auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt werden. Auch noch stärkere Mieterhöhungen sind nach Genehmigung möglich. Falls die Wohnung in den vorangegangenen 15 Jahren saniert wurde, dürfen Vermieterinnen und Vermieter 1,40 Euro je Quadratmeter auf den Oberwert aufschlagen. Auch die höheren Kosten für vermietete Wohnungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern berücksichtigt der Gesetzesentwurf durch einen »Zuschlag« in Höhe von zehn Prozent auf die Miete.
»Atmender Mietendeckel« läßt Aktienkurse steigen
Und als wäre all das nicht schlimm genug, haben sich die Grünen mit ihrem zynisch klingenden »atmenden Mietendeckel« durchgesetzt und damit eine weitere Möglichkeit der Mietsteigerung in das Gesetz eingebaut: Mieten, die in neuen Gebäuden unterhalb der 9,80 Euro pro Quadratmeter liegen, sind vom »Einfrieren« ausgenommen und dürfen in Höhe der Inflationsrate gesteigert werden. Laut der Senatorin soll das Genossenschaften mehr Geld für Renovierungen verschaffen. Erlaubt ist diese angeblich »atmende« Mieterhöhung aber auch den milliardenschweren Wohnungskonzernen. Die konservative Hetz-Seite bz-berlin.de des Axel-Springer-Verlags schreibt leider zu Recht: »Die Mieten sind zwar eingefroren, sie werden aber angetaut.« Der Aktienkurs des größten Berliner Wohnungsunternehmens Deutsche Wohnen ist nach bekannt werden der neuen Version des Mietendeckels um 9,6 Prozent(!) gestiegen.
Rechtssicher statt wirksam?
Katrin Lompscher rechtfertigte die Abschwächung bei der Vorstellung des Kompromisses mit dem Bemühen der Koalition, das Gesetz rechtssicherer zu machen. Doch es gab schon vorher mehrere juristische Kommentare und Gutachten, die zum Ergebnis kommen, das Land Berlin habe rechtlich die Möglichkeit, einen Mietendeckel einzuführen, darunter das Gutachten der Berliner SPD-Fraktion von Prof. Dr. Franz Mayer von der Yale University. Darin bringt Mayer zahlreiche historische Beispiele für staatliche Regulierung des Mietrechts und verweist auf Artikel 28 der Berliner Verfassung: »Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen«.
Entscheidungen von Gerichten sind keineswegs unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen
Es ist unnötig, das Gesetz zum Mietendeckel wegen eines möglichen zukünftigen Einspruchs eines Gerichtes abzuschwächen. Wenn LINKE-Politiker jeden Gesetzentwurf kassieren, gegen den die FDP mit Klage droht, können sie ihre Arbeit auch gleich einstellen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass gerade in grundsätzlichen Fragen die Entscheidungen von Gerichten keineswegs unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen sind, wie oft behauptet wird. So entschied der westdeutsche Bundesgerichtshof noch 1966, dass ein Mann das Recht habe, von seiner Ehefrau regelmäßigen Sex zu verlangen. Es waren die 1968er-Bewegung und insbesondere die Frauenbewegung, die dafür gesorgt haben, dass ein solches Urteil heute auch vom konservativsten Richter undenkbar ist. Ob Gerichte ein neues Gesetz für gültig erklären, hängt hauptsächlich davon ab, ob es der Linken gelingt, eine Bewegung auf die Beine zu stellen, die beweist, dass ganz Berlin und Deutschland den Mietendeckel wollen.
»Rebellisches Regieren« geht anders
Die Berlinerinnen und Berliner und alle anderen Menschen in Deutschland haben mit dem ersten Entwurf des Mietendeckels gesehen, dass die Politik nicht gezwungen ist, das immer weitere Ansteigen der Mieten achselzuckend hinzunehmen und zu lügen, dass der freie Markt das schon regelt. Gesetze können gemacht werden, die Mieten deutlich senken. Nach der Veröffentlichung des ersten Entwurfs des Mietendeckels hatte das Volksbegehren »Deutsche Wohnen und Co enteignen« bereits mit der Planung einer Demonstration für die Verteidigung des Projekts begonnen. LINKE-Bezirksverbände hatten schon Flugblätter und Transparente vorbereitet.
Doch statt den ersten »radikalen« Mietendeckel zu verteidigen, haben Lompscher und die anderen Landesminister der LINKEN es vorgezogen, dem Druck der Wohnungskonzerne und der Koalitionspartner SPD und Grüne nachzugeben. »Rebellisches Regieren« sieht anders aus! Einmal mehr zeigt sich, dass gerade dann, wenn es zählt, die LINKE in der Landesregierung SPD und Grüne nicht nach links zieht, sondern umgekehrt LINKE-Ministerinnen und Minister sich nach rechts anpassen.
Der Druck muss steigen
Der Entwurf des Mietendeckels ist einmal stark verändert worden. Das kann auch noch ein zweites Mal in die andere Richtung passieren. DIE LINKE Berlin darf den faulen Kompromiss zum Mietendeckel nicht verteidigen, sondern sollte ihn kritisieren und darum kämpfen, dass die Absenkung nicht an das Haushaltseinkommen gekoppelt wird. Außerdem sollte sich die LINKE dafür einsetzen, dass die Obergrenze wieder auf 7,97 Euro abgesenkt wird und die weitgehenden Ausnahmeregelungen für die Immobilienkonzerne zurückgenommen werden. Es bleibt wichtig, dass DIE LINKE zusammen mit allen Menschen, die weniger Miete zahlen wollen, eine Bewegung auf der Straße aufbaut. Nur so kann der Druck auf Politik und Wohnungskonzerne hoch gehalten werden. Aber vielleicht reagiert diese Koalition auch nur, wenn ein weiteres Volksbegehren für einen »wirksamen« Mietendeckel« in Anlauf genommen wird.
Text: Hans Krause / Yaak Pabst
Foto: UweHiksch
Schlagwörter: DIE LINKE, DIE LINKE Berlin, Inland, Wohnungsmarkt, Wohnungspolitik