Konzerne, rechte Parteien und sogar Grüne und SPD schießen gegen den Vorschlag des Mietendeckels der Berliner LINKE-Bausenatorin Katrin Lompscher und erfinden dabei immer neue Märchen. Alles was du zur Verteidigung des Mietendeckels wissen musst [Stand 28.08.2019]
Mietendeckel: Worum geht’s?
Lompschers Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen vor, dass in Berlin die allermeisten Kaltmieten in neuen und bestehenden Mietverträgen auf maximal 7,97 Euro pro Quadratmeter gedeckelt werden und fünf Jahre nicht erhöht werden dürfen. Für Häuser, die vor 1991 gebaut wurden, ist die Grenze niedriger. Ausgenommen sind Wohnungen mit Baujahr 2014 oder jünger. Am 15. Oktober steht der »Senatsbeschluss« an. In Kraft treten soll das Gesetz am 1. Januar. Dann kann jeder und jede eine Absenkung auf die genannte Höchstmiete verlangen.
Mietendeckel: Märchenstunde mit Kampfgeschrei
Um den geplanten Mietendeckel in Berlin zu verhindern, erhöht eine Koalition aus Immobilienlobby, Parteien und Medien jetzt den Druck, in dem sie gezielt Unwahrheiten über den Vorschlag in die Welt setzen. Politikerinnen und Politiker, die Medien und Konzerne erzählen mit Vorliebe solche Märchen, sobald politische Forderungen ihre eigenen Geschäftsinteressen oder die ihrer Klientel bedrohen. Im Falle des Mietendeckels fürchtet die Immobilienwirtschaft ein Ende der fetten Jahre, in denen sie auf die Kosten der Mehrheit die Gewinne für wenige maximieren konnte (Lies hier den Artikel »Mieten, Wohnungsmarkt und Kapitalismus: Der Ausverkauf der Städte.«). Dementsprechend schrill sind die Gegenargumente:
Der CDU-Rechtsexperte Jan-Marco Luczak spricht angesichts dieser Pläne von einem »sozialistischen und verfassungswidrigen Amoklauf«. Sebastian Czaja, Vorsitzender der Berliner FDP-Fraktion meint: »Die FDP wird jedes Mittel ausschöpfen, um die Sozialismusfantasien des Senats zu beenden.« Dass CDU und FDP die Souffleusen der Immobilienkonzerne spielen war zu erwarten. Aber auch Teile der Medien mischen bei dem Theater ganz vorne mit. Die Bild-Zeitung titelte: »Massive Kritik an Plänen für Mietendeckel« und die Berliner BZ frohlockt: »Jetzt kriegt Lompscher auf den Mieten-Deckel. Proteststurm gegen Bausenatorin und den 8-Euro-Hammer.«
Und auch »seriöse« Zeitungen machen beim Kampfgeschrei mit. So kommentiert die Berliner Morgenpost: »Die Linke zündet Berlin an«, die FAZ meint: »Berlins rot-rot-grüner Bürgerschreck«, das Handelsblatt: »Vermieter empört über Mietendeckel-Entwurf – Immobilien-Branche spricht von Enteignung« und Spiegel will uns erzählen, »Warum der Berliner Mietendeckel ungerecht ist«. Der selben Meinung ist die SZ und titelt: »Der Mietpreisdeckel ist ungerecht«.
Wer ist wirklich gegen den Mietendeckel und warum?
Strippenzieher hinter den »Protesten« gegen den Mietendeckel ist die »Immobilienverwertungs-Koalition« in Deutschland. Als Immobilien-Verwertungs-Koalitionen werden Machtnetzwerke privater und staatlicher Akteure beschrieben, die gemeinsame Geschäftsmodelle zur Immobilienverwertung etablieren und aufrechterhalten. Dabei geht es um viel Geld.
In den letzten Fünf Jahren wurden pro Jahr durchschnittlich 74 Milliarden Euro in den Immobilienmarkt investiert. Die niedrigen Profitraten und die krisenhafte Situation des Kapitalismus haben weltweit zu einer Spekulation mit Immobilien geführt. In Deutschland sind die Investitionen besonders lukrativ, weil die Konzerne vor allem sehr günstig vormals staatliche Wohnungsbestände aufkaufen. Doch nicht nur die Geldmenge hat sich verändert, sondern auch die Akteure: Anstelle von regional handelnden Wohnungseigentümern sind es heute verstärkt große Immobilienfonds und Banken, die direkt auf dem Wohnungsmarkt agieren (»Finanzialisierung«) – in der Regel mit deutlich höheren Renditeerwartungen als die traditionellen Akteure. Börsennotierte Konzerne besitzen mittlerweile Hunderttausende Wohnungen in Deutschland.
Konzerne wie die »Deutsche Wohnen« und »Vonovia« sind durch ihre skandalöse Mietwucher-Politik bekannt geworden. Andere Marktakteure sind jedoch wenig bekannt, obwohl sie eine beträchtliche Marktmacht besitzen. Sie heißen unter anderem: »Patrizia Immobilien AG«, »Vivawest«, »TAG Immobilien AG«, »Deutsche Euroshop«, »Deutsche Annington«, »Gagfah«, »LEG Immobilien » oder »Alstria Office Reit AG«. Sie haben Angst um ihre Gewinne und feuern deswegen aus allen Kanälen, um den Mietendeckel zu Fall zu bringen. Wie halten dagegen:
1. Behauptung gegen den Mietendeckel
Der Mietendeckel hilft den Reichen, reicher zu werden und schafft keine einzige neue Wohnung
Falsch! Wer so argumentiert, hat wirklich keine Ahnung vom Berliner Wohnungsmarkt. Das Gegenteil ist der Fall. Profitieren würden von einem Mietendeckel vor allem alle, die unter hohen Mieten leiden. Verlieren würden die Immobilienkonzerne. Die Profitgier der privaten und institutionellen Anleger hat den Berliner Wohnungsmarkt in den letzten Jahren in ein Casino verwandelt, in dem die Beteiligten auf große Gewinne hoffen. Um das zu verstehen, reicht es, sich das Volumen der Verkäufe von Grundstücken, Immobilien und Eigentumswohnungen anzusehen.
Dieses hat sich zwischen 2009 und 2018 von 6,5 auf 19 Milliarden Euro Jahresumsatz fast verdreifacht. Den größten Einzelposten des »Wohnopoly-Spiels« ist der Handel mit bebauten Grundstücken, darunter auch die über 1.000 Mehrfamilienhäuser, die Jahr für Jahr verkauft werden. Der Stadtsoziologe Andrej Holm skizziert die Folgen dieser Ertragserwartungsspekulation: »Je höher die gezahlten Preise, desto höher die Ertragserwartung für die Investoren und desto stärker der Verdrängungsdruck für die Mieterinnen und Mieter. Denn aus den Bestandsmieten können die aktuellen Kaufpreise nicht refinanziert werden.«
Eine immobilienwirtschaftliche Analyse hat kürzlich errechnet, dass Immobilienkäufer in Berlin die Bestandsmieten um 90 Prozent erhöhen müssten, um den durchschnittlichen Kaufpreis zu refinanzieren. Die Mietsteigerung oder Verdrängung ist also in der Ertragserwartung der Immobilienverkäufe schon eingepreist. Wenn der Berliner Senat jetzt die Mieten auf 7,97 Euro pro Quadratmeter grundsätzlich absenkt, wird genau diesen Spekulanten ein Strich durch die Rechnung gemacht.
2. Behauptung gegen den Mietendeckel
Falsch. Denn erstens sind Neubauten von dem Gesetzentwurf komplett ausgenommen und zweitens verhindert er ja nur teure Mieten, aber keine günstigen, die dringend gebraucht werden. Warum aber benutzt zum Beispiel Innenminister Seehofer dieses offensichtlich unsinnige Argument? Es gründet auf dem Gefühl, dass uns allen seit der frühsten Kindheit eingetrichtert wurde, wonach der angeblich »freie Markt« für alle Menschen das beste sei. Seehofer warnt, der Mietendeckel würde Investoren abschrecken und schaffe keine neuen Wohnungen; eine Behauptung, die oft auch mit dem Spruch »wir müssen bauen, bauen, bauen«, zusammengefasst wird.
Dieses Argument gründet auf der Theorie, dass man Investoren mit wenig staatlicher Beschränkung anlocken müsse, weil mehr Investoren zu mehr Wohnungen führten und das höhere Angebot an Wohnungen die Mieten senken würde. Doch dieses marktliberale Märchen wird in fast allen europäischen Städten seit Jahrzehnten ausprobiert und hat nirgendwo funktioniert. Kein Politiker oder Wissenschaftler hat jemals belegt, dass konzernfreundliche Politik die Mieten senkt. Das Gegenteil ist bewiesen. In kaum einer Branche ist es so unsinnig, auf den angeblich »freien« Markt zu setzen, wie in der Wohnungswirtschaft. Denn die Menschen können sich ihre Wohnung eben nicht »frei« auswählen, sondern müssen sie in der Nähe ihres Arbeitsplatzes, ihrer Familie, der Schule der Kinder und anderer Einrichtungen finden.
Zudem können Immobilien, wie der Begriff schon andeutet, nicht »frei« transportiert werden. Niemand kann sich eine günstige Wohnung in China bestellen, nach Deutschland fliegen lassen und damit einen deutschen Anbieter zwingen, die Preise zu senken. Hinzu kommt, dass eine Wohnung keine Luxus-Ware ist, die Menschen kaufen können oder eben nicht, wenn ihnen der Preis zu hoch ist. Vielmehr ist jede und jeder gezwungen, eine Wohnung zu mieten, an einem ganz bestimmten Ort, für unbegrenzte Zeit und egal, ob die Preise hoch oder niedrig sind.
Wirtschaftswissenschaftler nennen eine Branche mit diesen Merkmalen einen sogenannten »Verkäufer-Markt«: Der Verkäufer, in diesem Fall der Wohnungskonzern, ist immer klar im Vorteil, weil der Käufer, in diesem Fall wir alle, das Produkt buchstäblich um jeden Preis hier und jetzt braucht und immer brauchen wird. Deshalb führen steigende Mieten seit Jahrzehnten nicht zu weniger vermieteten Wohnungen, wie es das Märchen von sich selbst regulierendem »Angebot und Nachfrage« vorgaukelt. Vielmehr müssen Menschen immer höhere Teile ihres Einkommens für Mieten ausgeben und die Konzerne können immer höhere Preise verlangen.
In den Ballungsräumen steigen die Mieten unaufhörlich. Aber das Problem betrifft nicht nur die Menschen in den Großstädten, auch Mieterinnen und Mieter in Weimar, Greifswald oder Bamberg müssen für ein Dach über dem Kopf immer tiefer in die Tasche greifen. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und steigende Mieten führen in vielen Städten zu sozialen Auseinandersetzungen.
3. Behauptung gegen den Mietendeckel
Falsch. Es macht keinen Sinn, Mietendeckel und Sozialen Wohnungsbau gegeneinander auszuspielen. Denn zusammen können sie Wirkung entfalten. Der Mietendeckel ist ein befristeter Vorschlag zur Senkung der Bestandsmieten, um die schlimmsten Auswirkungen des Mietenwahnsinns einzudämmen. Der Soziale Wohnungsbau hat die Aufgabe, insbesondere Menschen mit geringem Einkommen durch Neubau günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Doch der Soziale Wohnungsbau wie er zur zeit in Deutschland betrieben wird hat Tücken. Sozialer Wohnungsbau bedeutet nicht etwa, dass der Staat Wohnungen mit günstigen Mieten baut. Vielmehr bekommen private Wohnungskonzerne jedes Jahr Milliarden Euro Steuergelder dafür geschenkt, dass sie Sozialwohnungen bauen. Diese Sozialwohnungen bleiben aber nicht ewig Sozialwohnungen. Nach einer bestimmten Zeit, zwischen 15 und 30 Jahre, fallen sie aus der »Sozialbindung« und können normal am Markt vermietet werden. Die geltenden Gesetze für den Sozialen Wohnungsbau ermöglichen es den Immobilienkonzernen, dass viele dieser Wohnungen nur eine soziale Zwischennutzung erfahren. Sobald die Bindungsfrist abgelaufen ist, kann die Wohnung vom Eigentümer wie eine frei finanzierte am Markt platziert werden, und dann steigt die Miete.
Auch aus diesem Grund ist der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland massiv zurückgegangen. Während es im Jahr 1987 in Westdeutschland noch 3,9 Millionen Sozialwohnungen gab, waren es 2001 nur noch halb so viele. In der Dekade von 2006 bis 2016 ist der Bestand an Sozialwohngen bundesweit um 830.000 gesunken – auf den Stand von heute (2018) 1,18 Millionen. In den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen hat sich so die Zahl der Sozialwohnungen mehr als halbiert. In Bremen und Sachsen-Anhalt sind in diesem Zeitraum sogar 75 Prozent bzw. 80 Prozent der Sozialwohnungen privatisiert worden oder aus der Sozialbindung gefallen. In Sachsen waren es zwischen 2002 und 2013 sogar 95 Prozent. Dieser Trend ist weitgehend ungebrochen. Laut Prognose der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe wird die Zahl weiter sinken, bis 2020 auf 1,07 Millionen.
Infografik zu Sozialwohnungen in Deutschland:
Der massive Rückgang im Sozialen Wohnungsbau hängt auch damit zusammen, dass Städte, Länder und der Bund den Großteil ihres Immobilienbestandes seit den 1990er Jahren verkauft haben und weiter verkaufen. Zusätzlich wurde 1990 die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft und damit ein nicht-profitorientierter Wohnungssektor aufgelöst. So wurden die Schutzmauern um die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften eingerissen und damit die Privatisierung von deren Beständen möglich gemacht. Knapp 4 Millionen bezahlbare Wohnungen wurden so dem »freien« Markt überlassen.
Diese Politik wurde sowohl von der CDU als auch von SPD und Grünen in der Bundesregierung durchgesetzt. Leider hat aber auch die frühere PDS und später die LINKE auf Länderebene, beispielsweise in Berlin, diese Politik mitgetragen. Die Folgen dieses Niedergangs des sozialen Wohnungsbaus sind gerade in Großstädten, Universitätsstädten und in Ballungszentren spürbar. Insbesondere in innerstädtischen Lagen hat sich der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den vergangenen Jahren zur Wohnungsnot zugespitzt. Bei Mietsteigerungen von durchschnittlich 45 Prozent in den Jahren von 2009 bis 2015 fehlen allein in Berlin bis zu 130.000 Wohnungen für Geringverdienende mit einem Einkommen unterhalb von 80 Prozent des Durchschnitts.
Inzwischen werden mit staatlicher Förderung zwar wieder vermehrt solche Wohnungen gebaut – doch das reicht nicht, um den Niedergang aufzuhalten und den Bedarf zu decken. Allein im Jahr 2018 fielen bundesweit rund 70.000 Sozialwohnungen aus der Bindung, etwa 27.000 wurden neu gebaut. Insofern kann der Soziale Wohnungsbau, wenn er massiv ausgebaut wird, ein wirksames Instrument werden, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Doch selbst wenn jetzt deutlich mehr Sozialwohnungen gebaut würden, was nicht passiert, hätten alle Menschen, die nicht darin wohnen nichts davon. Gegen die anhaltenden Mietsteigerungen helfen nur sofortige Mietabsenkungen, wie sie der Mietendeckel in Berlin vorsieht. Nur ein Mietendeckel garantiert für fast alle, dass eine bestimmte Miethöhe nicht überschritten wird.
4. Behauptung gegen den Mietendeckel
Falsch. Es gibt mehrere juristische Kommentare und Gutachten, die zum Ergebnis kommen, das Land Berlin habe rechtlich die Möglichkeit, einen Mietendeckel einzuführen, darunter das Gutachten der Berliner SPD-Fraktion von Prof. Dr. Franz Mayer von der Yale University. Darin bringt Mayer zahlreiche historische Beispiele für staatliche Regulierung des Mietrechts und verweist auf Artikel 28 der Berliner Verfassung: »Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen«.
Vor allem aber zeigt ein Blick in die Geschichte, dass gerade in grundsätzlichen Fragen die Entscheidungen von Gerichten keineswegs unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen sind, wie oft behauptet wird. So entschied der westdeutsche Bundesgerichtshof noch 1966, dass ein Mann das Recht habe, von seiner Ehefrau regelmäßigen Sex zu verlangen. Es waren die 68er- und insbesondere die Frauenbewegung, die dafür gesorgt haben, dass ein solches Urteil heute auch vom konservativsten Richter undenkbar ist. Ob Gerichte ein neues Gesetz für gültig erklären, hängt hauptsächlich davon ab, ob es uns gelingt, eine große Bewegung auf die Beine zu stellen, die beweist, dass ganz Berlin und Deutschland den Mietendeckel wollen.
5. Behauptung gegen den Mietendeckel
Mit niedrigeren Mieten können Wohnungsunternehmen nicht überleben
Falsch. Bei den größten Vermietern Berlins ist genug Geld da. Der größte private Vermieter Berlins ist die »Deutsche Wohnen« mit 115.000 Wohnungen, die letztes Jahr 1,9 Milliarden Euro(!) Gewinn machte und im September voraussichtlich 350 Millionen an ihre Aktionäre ausschüttet. Gleichzeitig ist einer der größte »Vermieter« das Land Berlin selbst, das über staatliche Unternehmen 300.000 Wohnungen besitzt und plant, bis auf 400.000 Wohnungen zu erweitern. Hier ist es die politische Entscheidung des Senats, ob diese Wohnungsgesellschaften niedrige Mieten verlangen und dafür Zuschüsse bekommen oder Profit machen und die Mieten deshalb immer weiter erhöhen müssen, wie es seit Jahren passiert. Niedrige Mieten würde den Staat weder zahlungsunfähig machen, noch verhindern, dass neue Wohnungen gebaut werden könnten.
Es gibt auch Vermieter, die keine Konzerne sondern Menschen sind und ihre Mieteinnahmen zum überleben brauchen. Für sie sind in allen Plänen und Gesetzentwürfen Härtefallregelungen mit staatlichen Zuschüssen vorgesehen. Doch ist es eine Lüge, wenn Politiker und Medien jetzt so tun, als seien Wohnungseigentümer überwiegend bemitleidenswerte Opfer, die vom Mietendeckel in die Armut getrieben werden. Der Wert ihrer Immobilien hat sich in den letzten Jahrzehnten meist verdoppelt oder verdreifacht. Hinzu kommen oft Mieterhöhungen deutlich über der Inflationsrate und auch Unternehmen, die „nur“ einige Dutzend Wohnungen besitzen, haben ihren Eigentümer oft zum Millionär gemacht.
6. Behauptung gegen den Mietendeckel
Falsch. 7,97 Euro kalt ist für Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen immer noch eine hohe Miete. Zwar steigen die Löhne in Berlin wieder etwas, aber die Lebenshaltungskosten, vor allem getrieben durch steigende Mieten, steigen schneller. In der Stadt sind seit 2007 die Mieten für Altmieterinnen und Altmieter durchschnittlich um 41 Prozent (6,72 netto/kalt) und bei den Angebotsmieten um mehr als 80 Prozent (9,57 netto/kalt) gestiegen.
In manchen Stadtbezirken wie Neukölln, Mitte oder Kreuzberg liegen die Mieten bei Neuvermietungen zwischen 12 und 16 Euro pro Quadratmeter oder mehr. Die Ausgaben für das Wohnen verschlingen bei der Mehrheit der Bevölkerung einen großen Teil ihres Einkommens. Im Schnitt liegt die Mietbelastung derzeit bei 40 Prozent, bei Geringverdienern ist es mehr als die Hälfte.
Für die Preise reichen die Hartz-IV-Regelsätze für Wohnkosten bei weitem nicht aus. Betroffene werden vom Jobcenter zum Umzug gezwungen und so aus der Innenstadt vertrieben, nicht nur in Berlin. Im Jahr 2017 gab es in Berlin zehn Zwangsräumungen pro Tag. Jeder Berliner Mieter und jede Mieterin kann davon berichten, wie die Miete für seine oder ihre Wohnung in den vergangenen Jahren angestiegen ist. Es gibt Straßenzüge in Kreuzberg oder Neukölln, in denen inzwischen jedes zweite Haus an einen Investor verkauft ist und Entmietung droht. Aktuell haben etwa eine Million Berliner Haushalte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und somit auf eine Sozialwohnung. Es sind aber nur etwas mehr als 100.000 Sozialwohnungen in der Stadt vorhanden.
Der Mietendeckel setzt hier an und ist deswegen auch nicht radikal. So werden beipielsweise Neubauten von der Regelung ausgenommen. Das ist unverständlich. Denn in den nächsten Jahren müssen in Berlin zehntausende Wohnungen neu gebaut werden. Dafür sind vor allem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zuständig. Doch die Geschäftsführungen der »degewo«, »GESOBAU«, »GEWOBAG«, »HOWOGE«, »STADT UND LAND« und »WBM« unterwerfen sich nur widerwillig den gesetzlichen Auflagen und den Kooperationsvereinbarungen, die die Interessen der Mieterinnen und Mieter stärken sollen. Der Stadtsoziologe Andrej Holm schreibt in seiner wohnungspolitischen Halbzeitbilanz von R2G in Berlin: »So haben die Wohnungsbaugesellschaften beispielsweise für Wohnungen mit besonders günstigen Mieten (unterhalb von 75 Prozent der Durchschnittsmiete) Ausnahmeregelungen bei der Beschränkung der jährlichen Mietererhöhungen auf maximal 2 Prozent pro Jahr durchgesetzt, so dass nun ausgerechnet in den günstigsten Wohnungen die Mieten doch schneller steigen können. Auch bei den Neubaumaßnahmen bleiben die landeseigenen Wohnungsunternehmen unter den festgelegten Zielen. Unter den 3.011 im Jahr 2017 fertiggestellten waren nur 861 geförderte Mietwohnungen. Das entspricht in etwa den 25 Prozent Sozialquoten, die auch schon vor R2G galten.« Hier zeigt sich, dass DIE LINKE gut beraten wäre, auch für Neubauten den Mietendeckel einzuführen.
Das Ende der Märchenstunde: Verteidigt den Berliner Mietendeckel!
Die neoliberale Wohnungspolitik der letzten zwanzig Jahre hat zu einer Explosion der Mietpreise in den Großstädten und zur Erosion der sozialen Wohnraumversorgung geführt. Die Annahme, die »unsichtbare Hand« des Marktes würde angesichts der steigenden Nachfrage nach Wohnungen in den Innenstädten mittelfristig das entsprechende Angebot schaffen, erweist sich wieder einmal als Hirngespinst. Vielmehr schafft die »unsichtbare Hand« wie immer nur das, was die größten Profite ermöglicht und das sind nicht günstige Sozialwohnungen für Geringverdiener, Arbeitslose, Rentner oder Geflüchtete, sondern teure Wohnungen in guter Lage und Luxussanierungen von Altbauten. Der Mietendeckel geht nicht zu weit, sondern hat immer noch Schwächen. Er kommt uns nur radikal vor, weil wir unser ganzes Leben keine soziale Politik erlebt haben. Politik und Medien sind über alles schockiert, was nicht 100 Prozent dem freien Markt folgt, der modernen Religion, die unserer Gesellschaft wichtiger ist als das Leben von Menschen.
Deshalb: Verteidigt den Mietendeckel! Lompscher hat eine gute Vorlage gemacht, aber mehr auch nicht. Michael Prütz, Mitinitiator des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen und Co enteignen«, meint zur Kampagne gegen den Mietendeckel: »Jetzt können alle, die so gerne über den Klassenkampf schwadronieren, zeigen, was sie real auf der Pfanne haben. Mieterversammlungen organisieren. Deutsche Wohnen & Co enteignen stärken, aufklären und die gesamten 2,5 Millionen Mieter mobilisieren gegen den den reaktionären Mob aus CDU/FDP und Immobilienhaien. Ich jedenfalls gebe mein Bestes.« Recht hat er. Jetzt kommt es auf uns an, eine Bewegung auf die Beine zu stellen, die sich gewaschen hat. Damit wir eines Tages sagen können: Es war der Sommer 2019, in dem die Bewegung begann, die den Mietenwahnsinn in ganz Deutschland gestoppt hat.
Text: Yaak Pabst und Hans Krause
Schlagwörter: Berlin, DIE LINKE, Inland, Mietenpolitik, Wohnungsmarkt, Wohnungspolitik