Das Attentat von München war ein grausames Verbrechen. Doch nichts gegen den jahrzehntelangen Staatsterror Israels, der die palästinensischen Anschläge erst hervorgebracht hat, meint Hans Krause
50 Jahre nach dem Olympia-Attentat in München feiert sich die deutsche Regierung für ihre Entschädigung für die Hinterbliebenen der Opfer. Doch worüber deutsche Medien einmal mehr kaum zu sprechen wagen, sind die weitaus schlimmeren Verbrechen des israelischen Staates im Nahostkonflikt, die Ursache der Geiselnahme waren. Die Münchener Geiselnahme und das Attentat im September 1972 war nicht das Werk von Verrückten. Vielmehr war Terrorismus damals eine gezielte Strategie von Teilen der palästinensischen Bewegung. So auch der Organisation »Schwarzer September«, die mit der Geiselnahme israelischer Sportler die Freilassung hunderter in Israel gefangen gehaltener palästinensischer Kämpfer:innen erzwingen wollte.
Das langfristige Ziel dieses Terrorismus war die Befreiung der Palästinenser:innen von jahrzehntelanger Vertreibung, Unterdrückung, Folter und Mord durch den israelischen Staat. Bereits am 8. Mai hatten Kämpfer:innen des »Schwarzen September« ein Flugzeug auf dem Weg von Brüssel nach Jerusalem entführt und ebenfalls die Freilassung von Palästinenser:innen gefordert. Am 30. Mai hatten Bewaffnete der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) im Wartebereich des Jerusalemer Flughafens um sich geschossen und dabei 26 Menschen getötet.
Der Beginn des Siedlungsbaus
Entstanden ist diese terroristische Strategie, weil die israelische Regierung zuvor alle Verhandlungen im Nahostkonflikt abgebrochen und stattdessen mit ihrer Armee sämtliche palästinensischen Gebiete besetzt hatte. Schon während des Palästinakrieges 1947 bis 49 vertrieb die israelische Armee mindestens 750.000 Palästinenser:innen, damals etwa die Hälfte der arabischen Einwohner:innen Palästinas, und zerstörte etwa 500 palästinensische Städte und Dörfer (Lies hier den marx21-Artikel: Nakba: »Der Anblick kehrt in meinen Albträumen wieder«).
Im Sechstagekrieg 1967 besetzte Israel zusätzlich die verbliebenen palästinensischen Gebiete Westjordanland und Gazastreifen und begann dort mit dem Bau jüdischer Siedlungen, in denen Menschen arabischer Herkunft nicht wohnen dürfen. Was nach Völkerrecht illegal ist. Seitdem hat die israelische Armee Palästinenser:innen dort immer mehr Land geraubt. Für Siedlungen und Straßen, die nur Juden benutzen dürfen. Wer sich wehrte, wurde verhaftet und in vielen Fällen ermordet. 1968 zerstörte die israelische Armee in der Schlacht von Karame eine Kaserne der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Jordanien, tötete 160 Menschen und nahm 140 weitere gefangen.
Ethnische Säuberung Palästinas
Viele Menschen wollten dieser ethnischen Säuberung Palästinas durch den israelischen Staat nicht tatenlos zusehen und sich wehren. Und wie oft in der Geschichte, erschien einigen der bewaffnete Kampf die einzige Möglichkeit des Widerstands gegen einen gewalttätigen Unterdrücker, in diesem Fall die israelische Besatzung Palästinas. War das Olympia-Attentat von München also richtig? Nein. Denn nicht nur wurden dabei elf unschuldige Israelis und fünf Kämpfer des »Schwarzen September« getötet. Auch ließ sich die israelische Regierung auf keine Verhandlungen ein und kein einziger der gefangenen Palästinenser:innen kam frei. So wie die Strategie des Terrorismus insgesamt gescheitert ist und den Kampf für die Befreiung der Palästinenser:innen nicht voran gebracht hat.
Das Trugbild der friedlichen Spiele
Doch wenn uns Politiker:innen und Medien von den Verbrechen palästinensischer Terrorist:innen erzählen, sollte niemals vergessen werden, dass die israelische Armee buchstäblich hundert Mal mehr Palästinenser:innen ermordet hat als palästinensische Kämpfer:innen Israelis. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass es der israelische Staat ist, der Palästinenser:innen seit Jahrzehnten Stück für Stück aus ihrer Heimat vertreibt und nicht umgekehrt. Die westdeutsche Regierung wollte 1972 das Trugbild friedlicher und bunter Olympischer Spiele zeichnen, während sie schon damals wie heute Waffen an die israelische und viele andere Armeen der Welt lieferte.
Israel beherrscht Westjordanland
Die Kämpfer:innen des »Schwarzen September« und anderer Organisationen wollten dem Nahostkonflikt in den 1970er Jahren eine entscheidende Wendung geben, weil sie befürchteten, dass der israelische Staat sonst die vollständige Kontrolle erlangt und die Unterdrückung der Palästinenser:innen immer weiter verschärft. Ihre Strategie des Terrorismus ist gescheitert. Doch ihre schlimmsten Befürchtungen waren völlig berechtigt. Heute können die Palästinenser:innen nur noch in 61 Prozent des Westjordanlandes leben. 278 Siedlungen sind ausschließlich den 630.000 jüdischen Siedlern vorbehalten. Darunter Modi’in Illit, eine Stadt mit 81.000 Einwohnern. Im Westjordanland haben 600.000 und im Gazastreifen 1,4 Millionen Menschen nicht genug zu essen; und das sind nicht die Zahlen einer palästinensischen Organisation sondern der UNO von 2021.
Palästinenser:innen kämpfen weiter
Nach dem Attentat von München 1972 reagierte die israelische Regierung mit Mordanschlägen in der ganzen Welt auf PLO-Mitglieder, von denen vermutet wurde, dass sie an der Vorbereitung des Münchner Attentats beteiligt waren. Die Agenten verwechselten jedoch mehrere ihrer Opfer und wie viele der Getöteten wirklich etwas mit der Geiselnahme zu tun hatten, wurde nie geklärt.
Den Nahostkonflikt beendeten auch diese Mordanschläge nicht. Die Unterdrückung, Vertreibung und Entrechtung der Palästinenser durch den israelischen Staat hat den Menschen im Nahen Osten weder Sicherheit noch Frieden gebracht – auch nicht der israelischen Bevölkerung. Von 1987 bis 1993 dauerte die erste »Intifada«, ein Aufstand der Palästinenser:innen gegen die israelische Besatzung; die zweite Intifada von 2000 bis 2005.
Die Unterdrückten stehen zusammen
Der Kampf der Palästinenser:innen für ein Leben in Würde und Freiheit geht weiter und er verdient die bedingungslose Unterstützung aller Linken. Besonders in Deutschland. Nicht trotz, sondern gerade wegen der deutschen Geschichte; denn Völkermord und ethnische Säuberungen darf nie wieder tatenlos zugesehen werden.