Die Invasion der türkischen Armee in Nordostsyrien hält an. marx21 dokumentiert die Erklärung der »Allianz von Sozialistinnen und Sozialisten im Nahen Osten und in Nordafrika« gegen die Invasion und Besetzung der türkischen Armee und ihren tödlichen Angriff auf die Kurdinnen und Kurden
Nachdem US-Präsident Donald Trump am 9. Oktober 2019 den Abzug der US-Truppen aus Nordostsyrien angekündigt hatte, begann die türkische Armee letzte Woche mit der Bombardierung der syrischen Grenzgebiete und -städte. Die autoritäre und reaktionäre Regierung in Ankara startete eine weitere militärische Operation im Nordosten Syriens.
Die Invasion der türkischen Armee in Nordostsyrien
Das nordöstliche Syrien wird von den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert, einem Militärbündnis kurdischer, arabischer und assyrischer Soldaten, das von den kurdischen Kräften der Volksschutzeinheiten (YPG), dem Militärzweig der kurdischen Bewegung der Partei der Demokratischen Union (PYD), dominiert wird (Lies hier den marx21-Artikel: »PYD in Syrien: Unsere Schicksale sind miteinander verbunden«). Die Regierung in Ankara hat sie wegen ihrer Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) der Türkei als »terroristische« Organisation bezeichnet. Mehr als 100.000 Zivilistinnen und Zivilisten sind bereits aus den von der türkischen Invasion bombardierten und bedrohten Gebieten geflohen. 200.000 Menschen sind von Vertreibung bedroht.
Die Offensive der türkischen Armee wird in Zusammenarbeit mit syrischen Kämpfern der sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) durchgeführt, einer Koalition reaktionärer und islamischer fundamentalistischer Gruppen, die von der türkischen Regierung finanziert und geleitet wird. Die SNA hat bereits zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen, insbesondere in der Region Afrin, die derzeit von der türkischen Armee besetzt ist (Lies hier den marx21-Artikel: »Warum Erdogan gegen Afrin Krieg führt – und Merkel schweigt«).
Die dritte Invasion der Türkei
Diese militärische Operation ist die dritte Invasion der Türkei in Syrien seit 2016: Die erste, im August 2016, trug den Titel »Schild des Euphrat«, die zweite, im Januar 2018, hieß »Olivenzweig«. Sie führte im März desselben Jahres zur Besetzung der Region Afrin und zur zwangsweisen Vertreibung von mehr als 150.000 Menschen, die meisten davon Kurdinnen und Kurden, mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die immer noch andauern. Diese türkische Militäraggression ist eine Fortsetzung des Krieges der Erdogan-Regierung gegen die kurdische Befreiungsbewegungen und ihre Vertreter in der Türkei, einschließlich der Demokratische Partei der Völker (HDP), und in den Nachbarländern, insbesondere Syrien und Irak.
Erdogans weitere Ziele
Ein weiteres Ziel der türkischen Regierung in Syrien ist es, syrische Geflüchtete gewaltsam aus der Türkei in die Gebiete östlich des Euphrats zu bringen. Seit dem Sommer 2019 beschleunigt die türkische Regierung Kampagnen zur Zwangsvertreibung syrischer Geflüchteter nach Syrien. In der Türkei wurden Tausende syrische Geflüchtete massenhaft deportiert oder gewaltsam in syrische Gebiete zurückgeführt. Türkische Behörden und von Ankara kontrollierte Medienagenturen haben auch syrische Geflüchtete als Ursache für die sozioökonomischen und politischen Probleme im Land verantwortlich gemacht.
Die Europäische Union ist an dem türkischen Angriff beteiligt
Instrumentalisierung von Geflüchteten
Vor einigen Tagen drohte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan damit, Millionen syrischer Geflüchtete aus der Türkei nach Europa zu »schicken«, als Reaktion auf die europäische Kritik an seiner Militäroffensive in Syrien. Wieder einmal instrumentalisiert die Regierung in Ankara syrische Geflüchtete als Faustpfand in den politischen Auseinandersetzungen und Beziehungen mit der Europäischen Union, die sich auch der grausamen, rassistischen und tödlichen Politik gegenüber geflüchteten Menschen schuldig macht. Im Angesicht der verzweifelten Flucht von Menschen zum Schutz ihres eigenen Lebens, hat die Europäische Union die Grenzen geschlossen. Die Europäische Union ist daher an dem türkischen Angriff beteiligt.
Die »Sicherheitszone« und die Invasion der türkischen Armee in Nordostsyrien
Ziel der türkischen Regierung ist es, entlang der Grenze eine »Sicherheitszone« unter ihrer alleinigen Kontrolle und Dominanz zu schaffen, in der sie die Ströme von Binnenvertriebenen steuern, Geflüchtete aus der Türkei zwangsweise zurückführen und gleichzeitig die PYD und ihre syrischen demokratischen Kräfte angreifen kann. Gleichzeitig wird die türkische Invasion in Nordsyrien höchstwahrscheinlich das Wiederaufleben der verschiedenen dschihadistischen Gruppen, insbesondere des so genannten »islamischen Staates«, verstärken. Am 11. Oktober flohen fünf IS-Kämpfer aus einem kurdisch geführten Gefängnis. Die extremistische Gruppe übernahm die Verantwortung für eine Bombe, die in der Stadt Qamichli explodierte.
Die Rolle der Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte
Die Allianz der Sozialistinnen und Sozialisten des Nahen Ostens und Nordafrikas verurteilt auch die Rolle der Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte (SOC / Etilaf), die sich hauptsächlich aus liberalen und islamischen, konservativen und fundamentalistischen Gruppen und Persönlichkeiten, sowie anderen syrischen reaktionären Gruppen, wie der syrischen Muslimbruderschaft (MB) zusammensetzt, um die türkischen Pläne gegen die nordöstlichen Gebiete zu unterstützen. Sie halten immer noch an ihrer chauvinistischen und rassistischen Politik und ihren Erklärungen gegen die Kurden in Syrien fest.
Nein zur Invasion der türkischen Armee in Nordostsyrien – Ja zur Solidarität mit der Zivilbevölkerung
Wir bekunden unsere Solidarität mit der Zivilbevölkerung im Nordosten Syriens und im Rest des Landes. Die Bevölkerung in der nordsyrischen Provinz Idlib leidet nach wie vor unter den willkürlichen Bombardierungen durch das Assad-Regime, der russischen und der amerikanischen Regierung. Wir verurteilen die neue militärische Operation und Besetzung der Türkei im Nordosten Syriens, die unter Mitwirkung der Trump-Regierung durchgeführt wurde. Wir bekunden unsere volle Unterstützung für den populären und fortschreitenden zivilen und bewaffneten Widerstand im Nordosten Syriens gegen das von der Türkei geführte Militär.
Für das Recht auf Selbstbestimmung des kurdischen Volkes in Syrien und anderen Ländern der Region
Alle Truppen müssen raus aus Syrien
Wir verurteilen die Interventionen und die Präsenz anderer ausländischer Streitkräfte in Syrien (Iran, Russland und die Vereinigten Staaten). Alle diese internationalen, imperialistischen und regionalen Mächte sind Feinde der Befreiung und Emanzipation der Völker der Region (Lies hier das marx21-Interview mit dem syrischen Sozialisten Joseph Daher über den Krieg in Syrien: »Washingtons Haltung ist heuchlerisch«). Die Allianz der Sozialistinnen und Sozialisten des Nahen Ostens und Nordafrikas bekräftigt ihre Unterstützung für das Recht auf Selbstbestimmung des kurdischen Volkes in Syrien und anderen Ländern der Region (Lies hier den marx21-Artikel: »Flagge zeigen für die Kurden«). Wir bekräftigen auch unsere Ablehnung der Diktatur des von Assad geführten syrischen Regimes und der islamischen fundamentalistischen Bewegungen, die die beiden wichtigsten Säulen der Konterrevolution in Syrien sind. Angesichts dieser dauerhaften und destruktiven konterrevolutionären Offensiven ist die beste Verteidigung die internationale Solidarität. Wir stehen zu den Gemeinschaften in Syrien und anderswo in der Welt, die um Selbstbestimmung kämpfen. Der Kampf ist universell!
Die Allianz der Sozialistinnen und Sozialisten im Nahen Osten und Nordafrika
Zum Text: Die Erklärung erschien zuerst auf Englisch auf der Homepage der »Alliance of Middle Eastern and North African Socialists«.
Foto: Wikimedia / Qasioun News Agency
Schlagwörter: Krieg, Syrien, Türkei