Ein Streik in der Textilfabrik von Mahalla wirft ein Schlaglicht auf Unterdrückung und Widerstand unter dem Regime des Diktators al-Sisi in Ägypten. Von Tomáš Tengely-Evans
Rund 3000 Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter traten am Dienstag in der Stadt Mahalla im Norden Ägyptens in einen eintägigen Streik. Sie äußerten damit ihren wachsenden Unmut über die außer Kontrolle geratenen Lebenshaltungskosten. Die Arbeiterinnen und Arbeiter fordern höhere Löhne und Zulagen. »Wir fordern, dass unser Einkommen den ständig steigenden Lebenshaltungskosten angepasst wird«, wird eine Arbeiterin auf der Nachrichtenseite Mada Masr zitiert. »Wir fordern angesichts der neuen Sparpolitik auch, dass unser Grundlohn angehoben wird.«
Obwohl sie für ein Staatsunternehmen arbeiten, erhalten die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht den staatlich festgesetzten Mindestlohn, den Beschäftigte im öffentlichen Dienst bekommen. »Selbst dieser monatliche Mindestlohn ist zu niedrig, um die Familie zu ernähren«, sagt die Arbeiterin.
Die steigenden Lebenshaltungskosten waren der Hauptantrieb, in den Streik zu treten, aber die Forderungen gehen deutlich über diese ökonomischen Fragen hinaus. Die Beschäftigten kämpfen auch für die Wiedereinstellung von Arbeiterinnen und Arbeitern, die entlassen wurden, weil sie Streiks angeführt haben. Sie fordern die Absetzung des Gewerkschaftskomitees, weil es den Bossen nahesteht. »Diese Gewerkschaft betrachten wir nicht als unsere Vertretung«, erklärt die Arbeiterin. »Sie vertritt das Management der Firma und stellt sich immer auf dessen Seite.«
Welle von Streiks
Die Streikenden arbeiten in der verstaatlichten Spinnerei und Weberei Misr, der größten Textilfabrik von Ägypten. Sie drohten damit, die übrigen Abteilungen des Konzerns in den Streik zu rufen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Sie nahmen die Produktion am nächsten Tag wieder auf, ihre Forderungen sind jedoch noch nicht erfüllt.
Der Streik ist nicht isoliert. Obwohl das Regime des Henkers Abdel Fatah al-Sisi Streiks niedergeschlagen ließ, haben Arbeiterinnen und Arbeiter sich weiterhin organisiert und für ihre Interessen gekämpft.
Die Polizei stürmte zum Beispiel im vergangenen Monat die Öl- und Seifenfabrik IFFCO in Suez und sprengte ein Sit-in, mit dem die Beschäftigten gegen die angedrohte Streichung ihrer Zulagen protestierten.
Zur selben Zeit wurde die Süßigkeitenfabrik Covertina bestreikt und im Monat davor traten Arbeiterinnen und Arbeiter der Zuckerplantage von al-Fayyoum in den Ausstand.
Unterdessen kämpfen Busfahrer in Kairo, die eine führende Rolle bei Arbeitskämpfen gespielt haben, gegen ihre politische Verfolgung. Einige wurden zu zwei Jahren Gefängnis und einem Bußgeld von rund 6000 Euro verurteilt, weil sie im Jahr 2014 gestreikt haben. Sie sind in Revision gegangen.
Krise in Ägypten
Angesichts der wachsenden Krise des ägyptischen Kapitalismus stützt sich das Regime zunehmend auf das Kapital der Golfstaaten und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Es hofft, mithilfe von kurzfristigen Anleihen und Investitionen – und gnadenloser Unterdrückung – die Lage im Griff zu behalten.
Im Gegenzug für das Geld des IWF muss die Regierung ein brutales Strukturanpassungsprogramm umsetzen. Dieses geht vor allem auf Kosten des Lebensstandards der Arbeiterklasse – und ist Motor für einigen Widerstand –, aber auch die Mittelschicht ist davon betroffen.
Die Textilfabriken von Mahalla waren das Zentrum der Militanz der Arbeiterklasse und sie waren die Speerspitze der ägyptischen Revolution des Jahres 2011. Das Regime hat immer wieder Kämpfe niedergeschlagen, aber der jetzige Streik zeigt, dass das es sich nicht darauf verlassen kann, eine militante Tradition zu ersticken.
(Zuerst erschienen auf Socialist Worker. Übersetzung: Rosemarie Nünning)
Foto: Jano Charbel
Schlagwörter: Ägypten, al-Sisi, Arabischer Frühling, Arbeitskampf, IWF, Revolution, Sisi, Streik