Der Essayband »Afrika sichtbar machen« des kenianischen Schriftstellers und Kulturwissenschaftlers Ngũgĩ wa Thiong’o entlarvt nicht nur zahlreiche Mythen, sondern versprüht zugleich einen Hauch antikolonialen Klassenkampfs. Von Martin Haller
»Unterentwickelt«, »rückständig« und von »Stammeskonflikten« durchzogen? In »Afrika sichtbar machen« entlarvt Ngũgĩ wa Thiong’o das westliche Zerrbild des Kontinents als ideologisches Konzept des (Neo)Kolonialismus.
Ngũgĩ gilt als einer der bedeutendsten antikolonialen Schriftsteller unserer Zeit. Seine politischen Essays sind hierzulande jedoch kaum bekannt. Kein Wunder: Fast dreißig Jahre mussten deutsche Leserinnen und Leser auf die Übersetzung seines ersten Essaybands warten. Das ging diesmal zum Glück schneller.
Der neue Band enthält sieben Essays über Afrikas Stellung in der globalisierten Welt. Sehr persönlich und gut lesbar stellt der Autor fest: Afrika war von Anfang an in die Entwicklung der kapitalistischen Welt einbezogen, aber zugleich stets eine Region der Ausbeutung. Die Nachwirkungen von Sklaverei und Kolonialismus bestimmen bis heute die politischen Kämpfe in der Ära des neoliberalen Kapitalismus, in der Afrika die Rolle eines abhängigen Rohstofflieferanten spielt.
Doch Ngũgĩ bleibt nicht bei der Kritik des westlichen Narrativs für die Probleme des modernen Afrika und der zerstörerischen Rolle des globalen Kapitals stehen. Unmissverständlich macht er klar, dass Panafrikanismus für ihn keineswegs Frieden mit den afrikanischen Eliten bedeutet, welche sich mit der europäischen Kolonialbourgeoisie verbündet haben, um die Massen in Schach zu halten. Seine Antwort: ein geeintes Afrika, aber auch ein Hauch antikolonialer Klassenkampf.
Das Buch:
Ngũgĩ wa Thiong’o
Afrika sichtbar machen. Essays über Dekolonisierung und Globalisierung
Unrast Verlag
Oktober 2019
156 Seiten
14 Euro
Schlagwörter: Afrika, Bücher, Buchrezension, Kultur