Auch in den Niederlanden droht ein Rechtsruck. Nächstes Jahr wird gewählt und Umfragen sehen Geert Wilders rassistische PVV als stärkste Kraft. Doch auch hier regt sich Widerstand. Wir sprachen mit Janneke Prins, der Organisatorin erfolgreicher Gegenproteste in Maastricht.
marx21.de: Geert Wilders wollte am 1. April in Maastricht Flugblätter verteilen. Doch dazu kam es nicht. Was war passiert?
Janneke Prins: Wilders konnte nur drei Flugblätter loswerden, bevor sich ihm eine große Gruppe Demonstrierender entgegenstellte. Nach zwanzig Minuten musste er wie ein begossener Pudel abziehen. Das Bündnis »Maastricht against War and Racism«, in dem ich aktiv bin, hatte zu den Gegenprotesten aufgerufen, um Wilders als Rassisten zu brandmarken und zu verhindern, dass er eine öffentliche Plattform erhält. Das wir seinen Auftritt verhindern konnten, ist ein großer Erfolg.
Wilders steht mit seiner »Partij voor de Vrijheid« (PVV, deutsch: Partei für die Freiheit) in den Wahlumfragen weit vor allen anderen Parteien. Wie konnte es so weit kommen?
Seit ein paar Jahren bemerkt die Bevölkerung in den Niederlanden zunehmend die Folgen der schweren Kürzungen, die mit Unterstützung der meisten Parteien durchgeführt wurden. Öffentliche Ausgaben in Höhe von 50 Milliarden Euro wurden gekürzt, was zu großem Unmut geführt hat. Es ist besorgniserregend, dass die traditionellen linken Parteien und die Gewerkschaften dagegen keine massenhaften Aktionen organisieren. In Diskussionen sagen sie immer, dass die Zeit der Demonstrationen vorbei sei. Wilders schafft es, sich als einzige »Alternative« zu präsentieren. Er kommuniziert vor allem über Twitter und benutzt in letzter Zeit den Hashtag #kominverzet (widersetzedich). Mit seinem Rassismus und der Sündenbockpolitik gegen Migranten und Muslime gelingt es ihm die Tatsache zu verschleiern, dass die PVV im Parlament viele der Kürzungsmaßnahmen unterstützt hat.
Im April 2012 entzog Wilders jedoch seine Unterstützung für die Minderheitsregierung der Liberalen (VVD) und Christdemokraten (CDA). Sie hatten damals sieben Wochen über den Haushalt für 2013 verhandelt. Wilders wollte seinen Namen nicht mit rabiaten Kürzungen in Verbindung bringen. Hätte er den Haushalt unterzeichnet, wäre es für ihn unmöglich geworden, so zu tun als ob er eine soziale Politik vertritt.
Wie reagieren die anderen Parteien auf den Aufstieg der PVV?
Das gesamte politische Establishment bewegt sich immer mehr in seine rassistische Richtung. Im Oktober letzten Jahres sagte zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende der liberalen Partei VVD Halbe Zijlstra, dass Geflüchtete in die Niederlande kommen würden, um sich Brustimplantate machen zu lassen. Der Rechtsruck der etablierten Parteien führt zu einer Dynamik in der Wilders selbst weiter nach Rechts rücken muss. So forderte er nach der Silvesternacht in Köln alle männlichen Geflüchteten einzusperren. Nach den Attentaten in Brüssel verlangte er die sofortige Schließung der Grenzen.
Wilders kommt selbst aus Limburg und hat in dieser Provinz eine große Anhängerschaft. Bei einer Aktion gegen seinen Auftritt in Spijkenisse wurden vor kurzem noch zehn Feministinnen verhaftet. Hattet ihr keine Angst, dass eure Aktion missglücken könnte?
Es gab erhebliche Risiken. Am Dienstag vor unserer Aktion sammelten sich noch fünfzig wütende Bürgerinnen und Bürger aus einem armen Viertel, in dem hundert zusätzliche Geflüchtete untergebracht werden. Wir hatten erwartet, dass diese Leute während Wilders’ Auftritt auch auf der Straße sein würden, das war aber kaum der Fall.
Als »Maastricht says no to War and Racism« haben wir die Aktion sehr sorgfältig vorbereitet und entschieden, dass wir vor allem die Aufmerksamkeit der Medien erlangen wollen. Was wir uns erhofft haben, trat auch ein: Wir konnten mit unserer Aktion beeinflussen, wie in der Presse, in den sozialen Medien und im Alltag über Wilders’ Auftritt gesprochen wurde.
Seine Partei ist immer noch ein Soloauftritt. Immer öfter ruft Wilders seine Anhängerschaft jedoch dazu auf, bei Aktionen mitzumachen. Will Wilders eine rassistische Straßenbewegung aufbauen?
Das ist eine zwiespältige Sache. Letztes Jahr war er in Dresden, um einen Pegida-Aufmarsch anzufeuern. In den Niederlanden hält er jedoch etwas mehr Abstand zu rassistischen Bewegungen. Er scheint damit seine Schlussfolgerungen aus dem Zusammenbruch der letzten rechtsextremen Partei, der »Liste Pim Fortuyn«, zu ziehen: Statt als Mitgliederpartei baut er die PVV als seinen persönlichen Wahlverein auf. Manche seiner Stadtratsmitglieder machen jedoch Schlagzeilen mit Sex-, Drogen- und Korruptionsskandalen. Sein ehemaliger Pressesprecher Heemels musste gehen, nachdem herauskam, dass er 175.000 Euro aus der Parteikasse gestohlen hatte. Wilders wird wahrscheinlich die Ergebnisse der nationalen Parlamentwahl 2017 abwarten, bevor er seine weitere Strategie bestimmt.
Trotzdem werden bereits jetzt vermehrt unterschiedliche rechtsextreme Gruppen gegründet. Sie organisieren sich und stören zum Beispiel Gemeinderatssitzungen, auf denen über die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften diskutiert wird. Zudem versucht der niederländische Pegida-Ableger Demonstrationen zu organisieren. Die Gegenmobilisierungen waren jedoch bislang immer größer. Zur Zeit bekriegen sich die rechten Gruppen noch untereinander. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis sie einen gemeinsamen Nenner finden werden und wachsen können.
Wer ist „Maastricht says no to War and Racism“?
Am 28. November letzten Jahres haben wir eine Geflüchtetendemonstration organisiert. Wir haben versucht, ein Bündnis mit lokalen linken Parteien aufzubauen. Das brach allerdings auseinander. Eine einmalige Aktion ging schon, aber die Parteien haben sich nicht getraut, sich an einer großen Kampagne gegen Krieg und Rassismus zu beteiligen. Wir als »Internationale Socialisten« und Einzelpersonen waren die wirklichen Organisatorinnen und Organisatoren. Etwa 150 Leute nahmen teil, was für eine Stadt ohne Protestkultur einen Erfolg darstellt. Besucherinnen und Besucher auf unserer Folgeveranstaltung waren begeistert und wollten eine Plattform gegen Krieg und Rassismus gründen. Ich bin als revolutionäre Sozialistin von Anfang an Teil dieser Plattform gewesen.
So haben wir in kleinen Schritten unsere Aktivitäten ausgebaut. Anfang März besuchten 35 Menschen unsere Veranstaltung über Köln, Rassismus und Sexismus. Das zeigte, dass es in Maastricht in Sachen Antirassismus einen Vakuum gibt. Im Laufe des Jahres sind LGBT-Aktivistinnen und Aktivisten, Feministinnen und Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zu unserer Plattform gestoßen. Wilders’ Auftritt war eigentlich ein Geschenk für uns. Unsere Aktion wurde sehr gut und sehr demokratisch vorbereitet und hat – wie wir jetzt wissen – noch viel besser gewirkt, als wir es uns erhofft haben.
Ist die örtliche »Socialistische Partij« bereit, bei Aktionen mitzumachen?
Ich informiere sie schon, aber sie sind mit ihren eigenen Aktionen beschäftigt. Ich habe vor allem Kontakt mit einem Geflüchteten, der bei der SP aktiv ist. Er scheint die Diskussion intern geführt zu haben, aber die SP hat lokal entschieden nicht mitzumachen, anscheinend weil sie sich nicht gegen Wilders positionieren will.
Zudem schwingt in diesem Fall mit, dass Wilders gekommen war, um für das Volksbegehren gegen das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu werben, das auch die SP unterstützt. Wir als »Internationale Socialisten« halten von dem Abkommen überhaupt nichts, finden aber auch nicht, dass wir anstelle der Ukrainerinnen und Ukrainer in den Niederlanden darüber entscheiden sollten. Zudem ist das Volksbegehren auf eine Initiative des rassistischen, rechten Medienkonzerns »GeenStijl« zurückzuführen. Die SP führt die Kampagne Seite an Seite mit Rassisten und Nationalisten wie Wilders.
Die linken Parteien haben lange versucht, Wilders zu bekämpfen, indem sie ihn ignorieren. Wohin hat diese Strategie geführt?
Wie es so schön heißt: wer schweigt, stimmt zu. Darüber hinaus ist es meiner Meinung nach auch eine bewusste Entscheidung der SP sich nicht offensiv gegen Rassismus auszusprechen. Die Wählerschaften der SP und der PVV sind sich demographisch sehr ähnlich. Die SP fürchtet, Wählerinnen und Wähler an die PVV zu verlieren, sollte sie sich dem Rassismus entschieden entgegenstellen. Das hat jedoch dazu geführt, dass ein immer größerer Anteil ihrer Wählerschaft rassistische und islamfeindliche Einstellungen teilt.
Wir versuchen dem mit antirassistischen Straßenprotesten entgegenzuwirken, was manchmal besser, manchmal weniger gut klappt. Am 1. April haben wir Geert Wilders innerhalb von zwanzig Minuten aus der Stadt verjagt. Wir hatten das Gefühl, diese zwanzig Minuten konnten der schweigenden Mehrheit gegen Wilders eine Stimme verleihen. Diese Stimme muss lauter werden. Wir hoffen, dass wir Menschen in anderen Städten inspirieren konnten das Gleiche zu tun.
In Deutschland ist mit der AfD auch eine rechte Partei auf dem Vormarsch. Siehst du vor allem Ähnlichkeiten oder Unterschiede zu Geert Wilders?
Die AfD ist eine Partei, die anfangs aus einem Anti-Europa Standpunkt entstand und vom wachsenden Rassismus profitiert hat. Ich glaube, sie ist die politische Umsetzung der Pegida-Bewegung, die ihr letztes Jahr eine Weile aufhalten konntet. Wilders macht es anders herum: er ist von Beginn an primär Rassist und unterfüttert das mit ein bisschen Euroskepsis. Er gibt sich seit Silvester als Feminist und Freund von Homosexuellen, um so besser gegen den Islam hetzen zu können. Gleichzeitig ist er im Europäischen Parlament in einer Fraktion mit Marine Le Pen vom französischen »Front National«, die bekanntlich leidenschaftlich gegen die homosexuelle Ehe kämpft.
Vor allem dürfen solche Parteien auf keinerlei Art und Weise eine Plattform in den Parlamenten bekommen. Denn das wirft uns alle zurück. Im Jahr 2009 sagte die SP, sie würde nicht an einer Demonstration gegen Rassismus teilnehmen, weil sie nicht gegen einen Politiker-Kollegen protestieren wolle. So etwas öffnet Tür und Tor für die Etablierung von Rassismus, innerhalb und außerhalb des Parlaments. Wir brauchen Konfrontation auf der Straße und im Parlament, um zu zeigen, dass es sich hier nicht um »normale« Parteien handelt.
Infolge einer weiteren Stärkung von rassistischen Einstellungen können Politikerinnen und Politiker wie Wilders sich immer weiter in Richtung Faschismus entwickeln oder derartigen Organisationen den Boden bereiten. Das dürfen wir nicht zulassen. Viele Menschen in den Niederlanden sind wütend über die Kürzungen, wenn aber eine massenhafte Gegenwehr von links ausbleibt, laufen viele der Anti-Establishment-Rhetorik von Geert Wilders hinterher.
Das Interview führte Freek Blauwhof
Schlagwörter: AfD, Antimuslimischer Rassismus, Flüchtlinge, Geert Wilders, Niederlande, Pegida, PVV, Rassismus, Rechtsruck, Wilders