Trotz Corona und Lockdown warten in der weiten Welt des Streamings noch einige weniger bekannte Serien-Juwelen darauf, entdeckt und weiterempfohlen zu werden. Alban Werner hat sie sich für uns angeschaut
What We Do in the Shadows
2014 veröffentlichte der neuseeländische Regisseur Taika Waititi eine Komödie mit dem Titel »What We Do in the Shadows« (deutsch: »5 Zimmer, Küche, Sarg«) über eine Wohngemeinschaft aus vier Vampiren im Wellington der Gegenwart. Der Film erhielt gute Besprechungen, und mit dem weltweiten Erfolg des Marvel-Films »Thor: Ragnarok« im Rücken startete Waititi eine Neuauflage der Story als US-amerikanische Sitcom, die die gleiche Ausgangslage nach Staten Island verlegt. Präsentiert wird die Geschichte als »Mockumentary«, also fiktive Dokumentation über vier Vampire, die in haarsträubender und meistens schreiend komischer Weise an ihren Welteroberungsplänen scheitern. Nandor, »der Gnadenlose«, gilt als ältester lebender Vampir und fungiert als Anführer der Gruppe. Dabei vereint er vampir-übliche Grausamkeit und Blutlust mit immer wieder hervorkommender Warmherzigkeit.
Nadja und Laszlo sind ein Vampir-Pärchen, wobei die Nadja den englischen Adeligen Laszlo erst zum Vampir gemacht hat. Gemeinsam haben sie vor allem ihre Sexbesessenheit und notorische Untreue, und dass sie immer ein bisschen zu sehr von sich selbst überzeugt sind. Colin ist der außergewöhnlichste unter den Vieren, er ist ein Energievampir. Er ernährt sich nicht von Blut, sondern saugt die Energie anderer Lebewesen und sogar von Vampiren aus. Da er sich als einziger der Gruppe auch bei Tageslicht bewegen kann, sucht er sich seine Opfer in Großraumbüros, deren Belegschaftsmitglieder er in belanglosen Smalltalk verwickelt, während er sie um ihre Lebensenergie erleichtert. Das emotionale und erzählerische Zentrum der Story ist Guillermo, Nandors »Vertrauter« und der einzige (dauerhaft überlebende) menschliche Mitbewohner der WG.
Die fantastische Wohngemeinschafts-Sitcom geht in die zweite Staffel
»Vertrauter« ist dabei ein Euphemismus für »Diener«, denn Guillermo ist das Mädchen für alles im Vampir-Haushalt, der wegräumt, Probleme löst, putzt und »ausputzt«, wenn die Blutsauger wieder einmal eine Unternehmung kläglich in den Sand gesetzt haben. Dabei treibt Guillermo die Hoffnung an, von Nandor selbst einmal zum Vampir gemacht zu werden, er wird aber wieder und wieder (und wieder) vertröstet…
Die Serie bietet einen originellen Genre-Mix und glänzt durch zugleich fiese und liebenswerte Charaktere. »What we do in the Shadows« gelingt es, einem potentiell ausgesaugten, Verzeihung, ausgelutschten Thema mehr als nur einige Lacher abzugewinnen, wenn einem auch manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt.
»What We Do in the Shadows« hat bisher 20 Folgen in zwei Staffeln und kann bei Joyn, iTunes und Amazon gestreamt werden.
Yorkshire Killer (Red Riding Trilogy)
Der nervenfressende Dreiteiler basiert auf einer Romanreihe von David Peace, die sich auf den realen Fall des Frauenmörders »Yorkshire Ripper« stützt. Im ersten Teil der Serie »1974« weigert sich der junge Journalist Eddie Dunford zu glauben, dass eine Gruppe von Sinti und Roma religiös motivierte Kindermorde begangen haben soll. Dunfords gerät auf die Spur eines Machtnetzwerks aus Politik, Wirtschaft und Polizei. In »1980« wird der Polizist Peter Hunter nach West Yorkshire abberufen, um die ergebnislosen Ermittlungen zum »Yorkshire Ripper« fortzusetzen. Hunter war Jahre zuvor dort eingesetzt gewesen. Mit seiner Rückkehr wirbelt er allerlei brisante Verbindungen auf. Im letzten Teil springt die Handlung bis ins Jahr 1983.
Im Mittelpunkt steht diesmal der Polizist Maurice Jobson. Er ist widerwillig Teil des korrupten Netzwerks, das die Wahrheit an den Yorkshire-Mördern vertuscht. Ein neuer Fall treibt seine Gewissensbisse nun weit genug, um von der Verschwörung abzurücken.
„Red Riding“ ist nichts für zarte Gemüter, aber das Bedürfnis nach Aufklärung und deren wiederholte Verhinderung halten einen gut bei der Stange, obwohl die Auflösung vielleicht noch viel schrecklicher sein könnte.
Die dreiteilige Miniserie »Yorkshire Killer« ist auf Blu-ray/DVD erhältlich und kann bei iTunes und Amazon gestreamt werden.
The Split
Hannah Stern ist eine Familien- und Scheidungsanwältin in der Kanzlei Noble & Hale, die beruflich für prominente und wohlhabende Mandantinnen und Mandanten arbeitet. Ihr professioneller Hintergrund schützt sie allerdings nicht vor Kratzern in ihrem Ehe- und Familienglück. Es reicht nicht, dass ihr Vater Oscar Defoe nach langer Abwesenheit zurückkehrt und ein Stück vom Kuchen, sprich der Kanzlei zurückhaben möchte, für die seine Frau Ruth und Hannahs Schwester Nina arbeiten. Es reicht auch noch nicht, dass Hannahs Ehemann Nathan sie betrügt und die Familie mit mehreren Kindern aufs Spiel setzt. Zu alledem kommt noch hinzu, dass bei Noble & Hale Hannas alte Flamme Christie Carmichael arbeitet, der nach wie vor Gefühle für sie hegt und zunehmend weniger Hemmungen verspürt, um Hannah zu werben.
Aus dieser Ausgangslage hätte eine Seifenoper schlimmster Sorte werden können, doch »The Split« schafft es, Figuren mit echten Ecken und Kanten und allzu menschlichen Schwächen in den Vordergrund zu stellen, die einen immer wieder mitfiebern und -leiden lassen. Die schauspielerischen Leistungen sind dabei erstklassig.
»The Split« hat bisher 12 Folgen in zwei Staffeln und kann bei Amazon gestreamt werden.
Evil
Wenn dieser Begriff irgendeine Bedeutung haben soll, dann sind Robert und Michelle King das »power couple« des US-amerikanischen Serienfernsehens. Zusammen erschufen sie »The Good Wife« und dessen Ableger »The Good Fight«, die zu den besten Serien der vergangenen Jahre gehören. Zu ihrem Erfolgsrezept gehört es, die Erwartungen der Zuschauerinnen und Zuschauer zu überrumpeln, ohne dabei auf haarsträubende »Plot Twists« zurückgreifen zu müssen. Und sie flechten immer wieder in interessanter Weise Gegenwartsthemen in die Handlung ihrer Serien ein. So auch bei »Evil«.
Der im Priesterlehrgang befindliche Journalist David Acosta (Mike Coulter, »The Good Wife« und »Luke Cage«) engagiert die Rechtspsychologin Kristen Bouchard (Katja Herbers, »Westworld«), um ihn bei Ermittlungen im Auftrag der katholischen Kirche zu unterstützen. Bouchard soll ihm helfen, zwischen Fällen tatsächlicher dämonischer Besessenheit und »gewöhnlichem« Wahnsinn zu unterscheiden. Bouchard ist nicht religiös, doch ihre Einstellung wird durch die Fälle, die sie und Acosta bearbeiten, auf immer härtere Proben gestellt.
Zudem hat sie erschreckend realistische Träume, in denen sie von dämonischen Gestalten heimgesucht wird. Alsbald erscheint als Gegenspieler der beiden der Okkultismus-Experte Leland Townsend (genial fies: der aus »Lost« und »Person of Interest« bekannte Michael Emerson). Townsend hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen zu bösen Taten zu verführen.
Dem Bösen auf der Spur
Die Grundidee der Serie macht den Vergleich mit »Akte X« unvermeidlich: Hier wie dort ein Ermittler-Duo, von denen einer ans Übernatürliche glaubt, während die andere Skeptikerin ist, aber damit ins Rutschen kommt. Hier wie dort verweigert die Serie oftmals eindeutige Antworten auf die Frage, ob wir etwas übernatürlich Böses oder nur menschlich Niederträchtiges gesehen haben. Hier wie dort zeichnet sich immer mehr ab, dass im Hintergrund finstere Mächte am Werk sind.
Trotz dieser offensichtlichen Ähnlichkeiten holt »Evil« alles aus dieser Formel heraus. Wie in den bisherigen Serien von Michelle und Robert King werden Grauzonen von Wissen, Moral, Glauben und Politik durch spannend erzählte Fälle ausgekundschaftet, ohne jemals in Predigten abzurutschen – obwohl Acosta und Bouchard im Auftrag des Herrn unterwegs sind.
»Evil« hat bisher 13 Folgen in einer Staffel. Ab dem 17. 02. 2021 wird sie bei sixx und Pro7 ausgestrahlt und kann bei Amazon, iTunes und maxdome gestreamt werden.
Alban Werner ist Politikwissenschaftler aus Aachen und filminteressiert, seitdem er ab 1994 ehrenamtlich im kommunalen Kino mitarbeitete.
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