Während die ganze Welt auf den zukünftigen US-Präsidenten Trump blickt, wuchsen die Proteste der indigenen Bevölkerung gegen den Bau einer Ölpipeline im Reservat Standing Rock zu einer Massenbewegung, die schließlich siegte. Wie es dazu kam und was der gemeinsame Protest in den Menschen auslöste, berichten uns fünf Aktivistinnen und Aktivisten, die dabei waren
Am Sonntag, den 4. Dezember konnten die tausenden Aktivistinnen und Aktivisten, die in im Sioux-Reservat Standing Rock ihr Lager aufgeschlagen haben, einen entscheidenden Sieg verbuchen: Das U.S. Army Corps of Engineers, ein Hauptkommando der US-Armee, das Leistungen aus dem Bereich des Bauingenieurwesens ausführt, gab an, den Konstrukteuren der geplanten Dakota Access Pipeline keine Bohrgenehmigung für den Boden unter dem Missouri River zu erteilen.
Diese Ankündigung ist ein bedeutender Meilenstein der Bewegung, die neben dem Umweltschutz das Ziel verfolgt, die Regierung zu zwingen, die Hoheit der indigenen Bevölkerung über ihre Stammesgebiete anzuerkennen. Die Nachricht vom Erfolg kam nur einen Tag vor dem Ende der Frist, welche den Aktivisten gegeben worden war, um ihre Protestlager zu räumen. In der Vorwoche waren tausende Menschen angereist, um das Lager gegen Räumungsversuche durch die Vollzugsbehörden zu schützen.
Es bleibt die Frage, wie es nun weitergeht. Der zukünftige Präsident Donald Trump möchte die Pipeline vollendet sehen und das zuständige Army Corps gab an, eine neue Route prüfen zu wollen. Zunächst allerdings ist das Projekt gestoppt, was den Protestierenden Zeit gibt, ihre Organisierungsarbeit weiterzuführen.
In diesem Artikel veröffentlichen wir Augenzeugenberichte von Autorinnen und Autoren von SocialistWorker.org – Sumaya Awad, Dorian Bon, Leia Petty, Emily Brooks und Edna Bonhomme – die über das Wochenende nach North Dakota gereist waren, um Solidarität mit dem #NoDAPL-Kampf (No Dakota Access Pipeline) zu zeigen.
Sumaya Awad und Dorian Bon: Trommelwirbel und Triumphschreie
Am Morgen des 4. Dezember waren die friedlichen Widerstandslager entlang des Cannonball River bereits von Leben erfüllt, als wir erfuhren, dass es eine »wichtige Mitteilung« zur Pipeline geben sollte. Als sich die Nachricht verbreitete, machten sich hunderte Menschen auf zum heiligen Feuer, um sich zu vergewissern, ob das Gerücht des Sieges wahr sei.
Vor Tausenden Menschen rund um das Feuer und vor laufenden Kameras gab Dave Archambault II., Stammesvorsitzender der Standing Rock Indian Reservation, bekannt, dass er soeben erfahren hatte, dass das Army Corps of Engineers »das Nutzungsrecht verweigern und eine neue Route sowie eine vollumfängliche Umweltverträglichkeitserklärung« fordern würde. Trommelwirbel und Triumphschreie entluden sich in die kühle Luft. Menschen fielen sich in die Arme. Manche begannen zu weinen, als ihnen klar wurde, dass ein wichtiger Etappensieg auf einer langen Strecke des Kampfes errungen war. Der Vorsitzende fuhr fort: »Das ist kein Zufall – das liegt an uns… über 10.000 Menschen haben sich hier selbst organisiert – ihr alle habt das geschafft!« Überall wurden Fäuste erhoben, es gab noch mehr Umarmungen und immer wieder den Ruf »Mni wiconi!« – »Wasser ist Leben!«. Einige indigene Anführer skandierten »Fünfhundert Jahre Besatzung, und wir bleiben hier!«
Immer noch kreisten Hubschrauber über uns allen, und die Sheriffs von Morton County und das Baupersonal belagerten die Hügel am anderen Flussufer. Ein zweiter indigener Anführer hielt eine Rede an die Menge und betonte, dass dies zwar ein großer Sieg sei, der Kampf jedoch noch lange nicht beendet wäre: »Auch wenn das Nutzungsrecht verweigert wurde, bedeutet das für sie lediglich eine Strafzahlung – 50.000 Dollar am Tag. Sie werden die Strafe bezahlen. Sie sind willens, gegen das Gesetz zu verstoßen und Morton County steht dabei hinter ihnen.«
»Das hier ist noch nicht vorbei«
Obwohl die Menge sich durch ihre kollektive Leistung bestärkt fühlte, gab es Fragen zur Bedeutung für das Lager, zu den Veteraninnen und Veteranen und den kommenden Monaten. Der Anführer fuhr fort: »Wir müssen bleiben und sicherstellen, dass das nicht passiert… wir müssen präsent bleiben. Wir sind noch nicht fertig. Wir kämpfen weiter, und wir machen mit dem weiter was wir auch bisher jeden Tag gemacht haben.«
Auch Bashir, ein indigener muslimischer Aktivist des Cheyenne-Stammes aus South Dakota, sagte uns gegenüber: »Heute haben wir gewonnen. Aber wir müssen uns immer noch für die Amtsübernahme Trumps wappnen. Wir wissen nicht, was er aus dem Hut zaubern wird.« Ein anderer Aktivist äußerte ebenfalls Bedenken: »Vielleicht ist das alles nur Taktik.« Gleichzeitig war jedoch allen bewusst, dass der Sieg des Tages niemals gelungen wäre, hätten sich nicht tausende Menschen im Lager vereint und Stellung bezogen, als sie zur Auflösung aufgefordert worden waren.
Auf jeder Versammlung, auf jeder Bank und an jedem Feuer diskutierten die Menschen über den Sieg. Wie würde er sich auf andere Pipelines von Alabama bis Kanada auswirken? Würden Energieunternehmen in Zukunft intensiver über die Macht von Protesten nachdenken, anstatt Investitionen zu riskieren? Würden Banken es überdenken, derartige Projekte zu finanzieren? Eine Frau, Veteranin des Irakkriegs, kam während der Freudenfeier auf uns zu. Ihre Botschaft war klar: »Wir gehen morgen früh trotzdem los. Das hier ist noch nicht vorbei.« Indes wuchs das Lager weiter. Reihen von Autos und Bussen voller Veteraninnen und Veteranen erstreckten sich vom Eingang des Lagers Oceti Sakowin bis zum Horizont. Mit neuem Mut richten sich die Aktivistinnen und Aktivisten auf einen langen Kampf ein. Mni wiconi.
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Leia Petty: Solidarität und Selbstverwaltung
Wir haben genauso angefangen wie alle anderen auch – bei der Orientierungsveranstaltung um 9 Uhr morgens im Big Dome, einer weißen Kuppelkonstruktion, die die Aktivistinnen und Aktivisten für größere, förmliche Versammlungen errichtet haben. Hier findet auch der samstagabendliche Kreistanz statt, bei dem sich die Räte des Lagers verschiedenen Themen widmen – beispielsweise direkten Aktionen, der Frage der Überwinterung oder Frauenversammlungen.
Die Orientierungsveranstaltung für Neuankömmlinge begann – wie so vieles im Lager – mit einem Gebet. Für die indigene Führung des Lagers ist das Teilen von Bräuchen, Gebeten und Tänzen mit den Anreisenden aus dem ganzen Land mit sehr viel Stolz verbunden. Wir wurden aufgenommen in eine Lebensweise, die über Jahrhunderte systematisch zerstört wurde und nur in kleinen, über das gesamte Land verstreuten Enklaven weiter besteht. Standing Rock dient als Raum, in dem diesen Bräuchen neues Leben eingehaucht wird.
Zu der Orientierungsveranstaltung erschienen beinahe 300 Neuankömmlinge. Als wir uns in das Zelt zwängten, bemerkte jemand scherzhaft: »So fühlt es sich also an, wenn wir alle zu einem Volk werden.« Die Solidarität innerhalb der Standing-Rock-Bewegung ist riesig und hat innerhalb kurzer Zeit eine autarke, selbstverwaltete Stadt entstehen lassen – die zehntgrößte Stadt in North Dakota. Diese Solidarität nimmt verschiedenste Formen an. So haben etwa 700 indigene Gemeinschaften Vertreterinnen und Vertreter entsandt, deren Fahnen die Flag Road säumen, die als Hauptstraße des zentralen Widerstandslagers Oceti Sakowin dient. Es ist das erste Mal seit dem 19. Jahrhundert, dass so viele Ureinwohner versammelt sind.
Die Fragerunde auf der Orientierungsveranstaltung wurde zur Open-Mic-Session, bei der Menschen erzählten, woher sie stammen und warum sie angereist waren – von indigenen Gemeinschaften über Delegationen von Geistlichen bis zu Einzelpersonen, die allein angereist waren, weil sie einfach nicht fernbleiben wollten. Muhammad, ein Amerikaner irakischer Abstammung, war aus Phoenix eingeflogen, als er über Twitter den Aufruf erhielt, dass eine Schule, die gebaut wurde, Feuerholz benötigte. Sein Flug kam am späten Freitagabend an und er machte mehrere Fahrten in die nahegelegene Stadt Bismarck und zurück, um beim Transport von Baumaterial für die Schule zu helfen. Cornelia, eine blinde Frau in ihren Fünfzigern aus New Hampshire, hatte drei Tagesstrecken in einem Laster mit Strohballen zurückgelegt, nachdem sie gehört hatte, dass diese als Windschutz gebraucht wurden.
Eine Räumung war unmöglich
Als wir ankamen war für uns direkt klar, dass das Army Corps of Engineers unter keinen Umständen seine Räumungsabsicht würde durchsetzen können. Das Lager wuchs stetig in alle Himmelsrichtungen, es wurden immer mehr Menschen und immer mehr Lastwägen mit Spenden kamen an. Die Infrastruktur war schlichtweg zu umfangreich geworden: Neun Küchen, die drei Mahlzeiten pro Tag anbieten sowie ein Medizinlager mit fünf verschiedenen Jurten für Notversorgung, Kräuterbehandlung, Hebammen- und Frauenversorgung, Akupunktur und Körperarbeit wurden errichtet.
Unglücklicherweise wurde ich an meinem letzten Morgen im Lager krank. Trotz der schwierigen Situation wurde mir umgehend und mit unfassbarem Mitgefühl geholfen, von den Menschen, die mich ins Versorgungszelt brachten, über die Pflegerinnen und Pfleger, die mich versorgten, bis hin zu dem Kräuterkundigen, der einen speziellen Tee für mich zubereitete.
Überall herrschte Offenheit, neue Nachbarn grüßten sich auf der Straße, man unterhielt sich beim Warten vor den Waschräumen und neue Freundschaften entstanden beim Essen an den Gemeinschaftstischen. Als Ort und Zeit des Kreistanzes am heiligen Feuer bekanntgegeben wurden, hieß es als Ansage: »Wenn ihr nicht wisst, was ein Kreistanz ist, seht es euch an.« Hunderte Menschen drängten sich um 8 Uhr abends in den White Dome, hunderte mehr kamen und gingen bis spät in die Nacht und viele von ihnen kehrten danach noch für ein spätes Abendessen in der Hauptküche ein. Singende und trommelnde Menschen standen sich in der Mitte des Kuppelbaus gegenüber, umgeben von hunderten Menschen jeder Lebenssituation, die im Kreis tanzten.
Systeme für Sicherheit, Abfallbeseitigung, Spendensortierung, Feuerwache, Bauplanung, Freiwilligenkoordination, Überwinterung und direkte Aktion wurden selbst organisiert. Tag und Nacht riefen Menschen sich »Mni Wiconi« zu – »Wasser ist Leben«. Manchmal klang es wie eine Begrüßung, manchmal wie ein Schlachtruf. Auch spontanere Formen der Selbstverwaltung fanden statt, wenn eine Notlage erkannt wurde und jemand sich direkt der Sache annahm. In der Hauptküche, in der ich eingesetzt war, lernte ich Joey kennen. Er war für ein paar Tage angereist und blieb schließlich über Wochen. Er hatte gerade das Tierheim fertiggestellt, eine Rettungsstelle für herrenlose Hunde. Der erste Hund darin hatte seinen Besitzer verloren, einen Mediziner der eine Unterkühlung erlitten hatte und in einem nahegelegenen Krankenhaus in Behandlung war. Nun war er in guten Händen.
Die Macht der Selbstorganisation
Während ich im Medizinzelt lag, gab es strategische Beratungen darüber, wie man mit der steigenden Zahl Verletzter umgehen sollten, die auf dem Eis gestürzt waren. Man erörterte die Lösung, für ältere Menschen, die beim Stürzen das höchste Risiko schwerer Verletzungen trugen, Metallvorrichtungen zur Befestigung an den Schuhen anzuschaffen. Dann kam jemand an und spendete zwei Schneemobile für den Transport von Medizin und Patienten. Respekt und Sorge um ältere Menschen stehen hier im krassen Kontrast dazu, wie Ältere in der Welt außerhalb des Lagers behandelt werden. In Oceti Sakowin erhalten sie oftmals eine bessere medizinische Versorgung als zuhause an ihrem Wohnort oder über den in krimineller Weise unterfinanzierten Indian Health Service.
Sitzplätze werden für ältere Menschen geräumt und sie erhalten ihr Essen zuerst. In der Hauptküche verspätete sich das Mittagessen und dutzende Menschen warteten ab, während wir Essenslieferungen vom Lagerzentrum machten, um sicherzustellen, dass Ältere und Feuerwachen versorgt waren. Über das Wochenende wuchs das Lager massiv an. Bis zum Horizont erstreckte sich die Autoschlange der Ankommenden den ganzen Samstag und Sonntag hindurch. Ohne Zweifel spielte die Ankunft tausender Veteraninnen und Veteranen des Militär eine wichtige Rolle dabei, dass das U.S. Army Corps of Engineers die Genehmigung nicht erteilte. Man hatte gehofft, Räumungsbefehl, angedrohte Geldstrafen und die Schikanierung von Versorgungstransporten würden die Solidarität schwächen. Stattdessen wurde sie gestärkt.
Die Tage, die ich in Oceti Sakowin verbrachte, vermittelten mir mehr als alles, was ich bis dahin erlebt hatte, einen Eindruck von der Macht der Selbstorganisation – sprich, wenn wir es in der Hand hätten, würden wir alles komplett anders machen und uns einander gegenüber anders verhalten.
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Emily Brooks: Eine voll funktionsfähige Gemeinschaft
Wir kamen nachts im Lager Oceti Sakowin an, so dass wir die geschäftige Landschaft aus Zelten, Tipis und Menschen erst am Morgen zu sehen bekamen. Wir wurden von einer freundlichen Sicherheitskraft begrüßt, die uns an den Ort brachte, an dem wir bleiben sollten. Wir fuhren an einem großen roten Abfallcontainer und einem meterhohen Schneemann mit Namen »s-NO-w DAPL« vorbei und kamen an einem teilweise winterfest gemachten erhöhten Zelt an. Unser Zelt, das einen Holzofen beherbergte, war von Lehrerinnen und Lehrern aus New York City gebaut worden, die bereits vor uns nach Standing Rock gekommen waren. Als wir aufwachten, packten wir uns in unzählige Lagen warmer Kleidung, die von Freunden und Unterstützern aus New York gespendet worden waren, und machten uns auf hinaus in die Kälte.
Im frühen Licht bekamen wir die voll funktionsfähige Gemeinschaft von Oceti Sakowin zu sehen. Das heilige Feuer an der Flag Road dient als Ort des Gebets und für Versammlungen. Das Feuer wird stets in Brand gehalten und Opfergaben in Form von Tabak und Salbei werden dargebracht. Zelte um das Feuer versorgen die Menschen mit Kaffee und heißem Wasser, hängen tägliche Ablaufpläne aus und sind Orte für Musik und Botschaften der Solidarität. Wir gingen in den Medienbereich, auch bekannt als Facebook Hill, um unsere Presseausweise abzuholen, das Zelt hatte jedoch keine mehr übrig, da so viele neue Menschen angekommen waren. Rund herum rutschten lachende Kinder den Facebook Hill hinunter.
Daraufhin gingen wir zu einer der neun Küchen des Lagers, um zu helfen, doch es waren bereits zu viele Helferinnen und Helfer anwesend. Also kamen wir mit Leuten ins Gespräch, während wir auf die Alpaka-Suppe, Bohnensuppe und Apfelküchlein warteten, die es zu Mittag gab. Morgan, eine Studentin, die aus Bar Harbor, Maine, ins Lager gefahren war, half bei der Zubereitung der Mahlzeiten. Sie war auf ihrem Campus in einer Umweltschutzgruppe engagiert, die schon diverse politische Konferenzen besucht hatte, um für einen Wandel zu kämpfen – jedoch hatte sie feststellen müssen, dass das nichts brachte. Als sie vom Kampf um Standing Rock gehört hatte, war sie sofort inspiriert.
Barrikaden aus Lastwägen und kreisende Hubschrauber
Wir liefen die Flag Road hinauf in Richtung der Brücke, an der sich die Bautruppen der Pipeline formiert hatten und Aktivistinnen und Aktivisten von der Polizei brutal angegriffen worden waren. Wir näherten uns und standen vor einem Faden, der sich ca. 90 Meter von der Brücke entfernt über den Weg spannte. Dort unterhielten wir uns mit einem Wachposten des Lagers, der uns berichtete, die Linie sei von den Ältesten des Lagers gezogen worden. Von unserem Standort aus konnten wir die Barrikaden aus Lastwägen auf der Brücke sehen und weitere Fahrzeuge, die auf der Straße am anderen Ufer aneinandergereiht standen. Die Brücke wurde von der gegenüberliegenden Seite in grelles Scheinwerferlicht getaucht, und ein Hubschrauber kreiste über uns. Die Ansammlung dieser Truppen auf der Brücke bot einen lebhaften Kontrast zum Lager und diente als allgegenwärtige Erinnerung an den Grund unserer Anwesenheit.
Auf unserem Rückweg kamen wir an einem Mann vorbei, der an einem Laster mit dem Aufkleber »Veterans for Water« stand und Handwärmer an die Passanten verteilte. Er bat uns, sie anzunehmen und sie an Menschen zu verteilen, die aussahen als würden sie frieren. Danach kamen wir an drei Menschen vorbei, die ein großes Rinderbein verarbeiteten, das später in der United Heart-Küche als Gehacktes auf den Tisch kam. Es war köstlich.
Im ganzen Lager sahen wir Menschen dabei, wie sie neue Gebäude errichteten und bestehende winterfest machten. Viele Menschen im Lager richteten sich darauf ein, langfristig zu bleiben – oder eben so lange wie nötig, um den Kampf für sich zu entscheiden. Wir halfen in der United Heart-Küche bei der Essensausgabe. Über 30 Menschen arbeiteten zusammen daran, eine Mahlzeit aus Truthahnsauce, Röstbrot, Kürbissuppe, Tamales, Krautsalat und Bohnen zuzubereiten.
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Edna Bonhomme: Vereinter gewaltfreier Widerstand
Seit nunmehr 500 Jahren kämpfen die amerikanischen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner für ihr Recht auf Selbstbestimmung. Der Sieg von Standing Rock spiegelt den unglaublichen Einsatz indigener und nicht-indigener Menschen gleichermaßen wider, die sich versammelt haben, um für sauberes Wasser und Land zu kämpfen.
Eine Lakota-Angehörige sagte auf der Orientierungsveranstaltung, es sei das erste Mal seit 140 Jahren, dass benachbarte Stämme in einer Sache einen Konsens erzielt hätten. Die Dakota Access-Pipeline stellt eine massive Bedrohung dar – es drohen weitere Umweltschäden, die Zerstörung heiliger Stätten sowie die Untergrabung indigener Gebietshoheit. Der daraus entstandene vereinte Widerstand brachte die Gier nach Profiten der Energy Transfer Partners jedoch zu Fall.
Am 3. September erläuterten Aktivistinnen und Aktivisten in der Versammlung, dass Aktionen, seien es Märsche oder Gebete, stets gewaltfrei bleiben sollten. Dies wurde verzahnt mit der allgemeinen Botschaft, keine Waffen, keinen Alkohol und keine Drogen auf dem Gelände mit sich zu führen. Es sollte ein Ort sein, an dem Menschen zusammenkommen und mit klarem Verstand und Geist Widerstand leisten.
Nach der Versammlung kam ich mit Lisia Williams ins Gespräch, einer 36-jährigen afroamerikanischen Gewerkschafterin der Service Employees International Union aus Flint, Michigan. Sie war aus Solidarität nach Standing Rock gekommen, da Flint seinen eigenen Kampf für sauberes Wasser auszufechten hat.
Auch ein Aktivist aus Bemidji, Minnesota, antwortete auf meine Frage, warum er nach Standing Rock gekommen sei, dass seine eigene Stadt mit einem Unternehmen zu kämpfen hätte, das diverse Pipelines quer durch ihren Bezirk betreibt. Bei einer Stadt, deren Bevölkerung zu 25 Prozent aus Ureinwohnern besteht und die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist, sah er direkte Parallelen zu Standing Rock.
Eine unverkennbar positive Energie
Am Abend des 3. Dezember arbeitete ich von 9.30 Uhr bis 11.20 Uhr in der Küche. Ich hatte schon früher in der Gastronomie gearbeitet, doch dies war das erste Mal, dass ich in einer Küche mit Menschen aus so vielen verschiedenen Generationen und Ethnizitäten war, in der gemeinsam gelacht und gescherzt wurde. Alle waren ehrlich froh, vor Ort zu sein. Am 4. Dezember begann das Morgengebet um 6 Uhr. Um 7.30 Uhr ging es im Morgengrauen mit einer Geschichtsstunde weiter, in deren Rahmen ein Lakota-Lehrer und Historiker Parallelen zwischen der Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel und der Überwachung indigener Amerikanerinnen und Amerikaner durch das Bureau of Indian Affairs aufzeigte. Danach räumte er mit dem Klischee auf, dass Indigene keine Steuern zahlen würden – denn tatsächlich bezahlen sie durch den Homestead Act und den Dawes Act.
Eine Ureinwohnerin aus dem pazifischen Nordwesten sprach über ihren Stamm und dessen Überlebenskampf. Am selben Tag sprach auch Cornel West, einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen, vor einer multireligiösen Versammlung von rund 400 Menschen über die Notwendigkeit von Solidarität und Kampf. »Wasser steht für die Schönheit der Menschheit«, so West.
Das Schönste an diesem Wochenende war es, zu sehen, wie ganz alltägliche Menschen eine ganze Gemeinschaft am Laufen hielten, die sich innerhalb der letzten Monate gebildet hatte. Die Menschen waren vor Ort für eine Sache, die größer war als sie selbst, und aus jedem strahlte eine unverkennbar positive Energie. Letztlich gelang der Sieg durch starke Solidarität und großen Mut.
Dieser Artikel erschien zuerst auf SocialistWorker.org. Übersetzung aus dem Englischen von Marion Wegscheider
Foto: Dark Sevier
Schlagwörter: indigene, ISO, Ölpipeline, Selbstverwaltung, Solidarität, Standing Rock, Trump, Umweltschutz, USA