Im Kampf gegen rechts werden die Rufe nach Verboten lauter. Das Bundesverfassungsgericht soll morgen über das Verbotsverfahren gegen die NPD entscheiden. Doch rassistische Meinungen lassen sich nicht per Gesetz unterbinden. Wer den weiteren Aufstieg der Rechten verhindern will, muss mehr tun, meint Lisa Hofmann
Immer dann, wenn sich der Staat gezwungen sieht, etwas gegen rechten Terror und rassistische Gewalt zu unternehmen, wird die Forderung nach einem Verbot auf die politische Tagesordnung gesetzt. Von einem Parteienverbot erhoffen sich die Befürworter viel. So soll es verhindern, dass rechte Strukturen über die Wahlkampfrückerstattung des Staates finanziert werden, und der Gefahr entgegenwirken, dass sich diese Strukturen über die Parlamente innerhalb des Staats verfestigen, wie es beim »Front National« in Frankreich geschehen ist.
Terror des NSU
Die Eröffnung des zweiten Verbotsverfahrens gegen die NPD kommt deshalb nicht von ungefähr. Der erneute Versuch, die NPD durch das Bundesverfassungsgericht aufzulösen, entstand maßgeblich unter dem Eindruck der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds und dem damit verbundenen Versagen des Staats und seiner Sicherheitsorgane. Allerdings stellt sich gerade hier die Frage, ob der Staat, der jahrzehntelang das Morden und den Terror des NSU geduldet hat, überhaupt ein verlässlicher Partner im Kampf gegen die Nazis sein kann. Die Landesregierungen, die einem NPD-Verbot zustimmen, haben trotzdem kein Problem damit, antifaschistischen Initiativen die Mittel zu kürzen, sie durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen und ihre Arbeit mittels der sogenannten Extremismusklausel noch weiter zu erschweren.
Zweifel an der Wirksamkeit
Auch bleibt nach wie vor fraglich, ob Auflösungen und Verbote von neofaschistischen Vereinen und Parteien dazu führen, die rechte Gefahr wirklich zu bekämpfen. Die bisherigen Erfahrungen mit Verboten zeigen vielmehr: Politische Überzeugungen lassen sich nicht verbieten.
Schon in der Weimarer Republik wurde versucht, durch ein Verbot der NSDAP die entstehende nationalsozialistische Bewegung zu schwächen.
Damals wurde das gesamte Parteivermögen konfisziert, die Geschäftsstelle der NSDAP in München geschlossen und sogar die Parteizeitung »Völkischer Beobachter« verboten. Gestoppt hat es den Aufstieg der Nazis nicht. Die Mitglieder organisierten sich in anderen Zusammenhängen und schließlich gründete sich 1925 die NSDAP neu.
Dass Verbote keine Lösungen bieten, zeigt sich auch heute. Die fast 40 Verbote und Auflösungen von neonazistischen und rechtsradikalen Strukturen seit der Wiedervereinigung haben weder den NSU verhindert, noch die gewaltbereite Neonazi-Szene entscheidend geschwächt.
Von NPD zu AfD
Das aktuelle Verbotsfahren gegen die NPD könnte zudem weitere problematische Auswirkungen haben. Es ermöglicht anderen rechtsradikale Parteien, sich als »demokratisch« und »auf dem Boden der Verfassung« stehend zu inszenieren. Dies kann im Fall der AfD verheerende Folge haben, weil gut vernetzte und organisierte Kader aus den Strukturen der NPD in die AfD wechseln und dort weiter aktiv sind.
Um den rechten Bewegungen wirklich zu schaden, sind Parteienverbote nicht das beste Mittel. Ihre Wirkung auf faschistische Formationen ist auch nicht besonders groß. Denn der Faschismus ist eine politische Ideologie, die stark auf den Aufbau einer Bewegung auf der Straße setzt. Ziel dieser Bewegung ist es, mittels Straßenkämpfen und paramilitärischen Organisationen die Arbeiterbewegung und alle demokratischen Organisationen zu zerschlagen. Der parlamentarische Teil dieser Bewegung hat eine untergeordnete Funktion.
Gefahr für links
Eine weitere Gefahr in der Debatte über das NPD-Verbot besteht in der Konstruktion der »wehrhaften Demokratie«, die ihre freiheitlich demokratische Grundordnung gegen extremistische Gruppierungen verteidigen müsse. Zu diesen Verteidigungselementen gehört neben Parteienverboten auch der Verfassungsschutz. Die Annahme, dass es in demokratischen Staaten eine politische Mitte und rechts und links davon extremistische Ränder gibt, die eine Gefahr für den Rechtsstaat darstellen und dementsprechend bekämpft werden müssen, birgt zwei große Gefahren. Die eine besteht darin, die auch innerhalb der politischen Mitte vorhandene rechte und menschenfeindliche Orientierung zu übersehen – oder noch schlimmer: sie in Ordnung zu finden. Dabei sind es diese Einstellungen, die rassistischen Hetzern wie Thilo Sarrazin erst den nötigen Resonanzboden verschaffen.
Zum anderen stellt dieses Modell eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus dar, die vermeintlich beide gleichermaßen den Staat bekämpfen wollen. Daher müsse der Staat auch sie bekämpfen. Vor diesem Hintergrund kann es passieren, dass man im Kampf gegen Nazis ein starkes Durchgreifen des Staats fordert, sich dieses Vorgehen aber bei der nächsten Gelegenheit gegen die eigenen Organisationen richten kann.
Nazis blockieren
Deshalb ist es effektiver, den Nazis zu zeigen, dass sie in der eigenen Stadt, Schule oder Universität nicht willkommen sind, und ihre Aufmärsche mit breiten Bündnissen zu blockieren. Damit macht man nicht nur deutlich, dass man die menschenverachtenden Ansichten der Nazis ablehnt, sondern auch, dass sie nicht mehrheitsfähig sind. Außerdem nehmen Blockaden den Rechten den Triumph, durch die Innenstädte marschieren zu können. Letztendlich werden wir die Nazis jedoch nur schlagen können, wenn wir soziale Bedingungen schaffen, auf denen ihr Gedankengut gar nicht erst gedeihen kann.
Die Verhinderung des größten Naziaufmarsches Europas in Dresden oder das Auflösen eines Naziaufmarsches in Hanau durch den Oberbürgermeister, der dafür über eine Polizeiabsperrung springen musste, sind wichtige Schritte. Die Nazis können nur in der politischen Auseinandersetzung gestoppt werden und nicht durch eine Verlagerung des notwendigen politischen Kampfes in die Arena des Rechts.
Foto: Libertinus
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