Mit »Aufklären und Einmischen« liegt eine harte Bilanz des Prozesses gegen den NSU vor: Aufklärung war nicht gewollt. Von Jan Maas
Im letzten April, fast zwei Jahre nach der Verkündung des Urteils gegen den »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU), legte das Oberlandesgericht München seine schriftliche Begründung vor. Es schöpfte damit die gesetzliche Frist aus, versäumte jedoch, auf die schon 2018 geäußerte Kritik an Prozess und Urteil einzugehen.
So waren etwa nur fünf Personen angeklagt. Zudem war der strukturelle Rassismus der Ermittlungsbehörden, die zum einen ein rechtes Motiv für die zehn Morde nicht erkannten, zum anderen aber V-Leute im Umfeld des NSU hatten, kein Thema.
Nicht willens zur Aufklärung des NSU
Indem das Gericht auch in seiner schriftlichen Urteilsbegründung nicht auf die vielfältige Kritik einging, unterstrich es – so interpretiert es das Autorenkollektiv NSU-Watch – ein letztes Mal, dass es nicht willens war, die größte rechte Terrorserie seit 1945 angemessen aufzuklären.
In ihrem im Herbst erschienenen Buch »Aufklären und Einmischen« zeichnen die Bloggerinnen und Blogger der Seite www.nsu-watch.info den fünf Jahre dauernden Prozess aus ihrer Sicht nach. Sie beleuchten das Verfahren von allen Seiten: Opfervertretung, Angeklagte, Gericht, Presse und sich selbst. Im Zentrum steht der Nachweis, dass der Prozess gegen den NSU von Anfang an darauf angelegt war, die Terrorgruppe als isoliertes Trio darzustellen und sich nicht mit dem Unterstützungsnetzwerk und der Rolle des Staates zu beschäftigen.
Mahnmal des Versagens
Das Buch macht einen sprachlos, selbst wenn man sich mit dem Thema schon beschäftigt hat. Das Autorenkollektiv hat weitgehend ehrenamtlich den gesamten Prozess begleitet und protokolliert. Ihr Buch hätte wahrscheinlich locker den zehnfachen Umfang annehmen können, aber es entfaltet seine Wirkung auch so.
Leider liest es sich manchmal sehr trocken, aber dafür gibt es an anderer Stelle bewegende Zitate. Das Autorenkollektiv nennt den Prozess ein »Mahnmal des Versagens des Rechtsstaats«. Dem ist nichts hinzuzufügen. Was fehlt, ist eine überzeugende Interpretation dieses Versagens.
NSU-Watch
Aufklären und Einmischen
Verbrecher Verlag
Berlin
2020
232 Seiten
18 Euro (Softcover)
Schlagwörter: Bücher, Faschismus, Kultur, Nazis, NSU