Ganz Hamburg ist »Feuer und Flamme« für die Olympischen Sommerspiele 2024. Diesen Eindruck möchte jedenfalls der Senat erwecken. Die nächsten Monate werden entscheidend sein, um die Opposition dagegen sichtbar zu machen. Von Christoph Timann
Was sie nicht alles versprechen: Hamburg wird den »Sprung über die Elbe« schaffen, marode Sportstätten werden saniert, die Stadt bekommt ein modernes öffentliches Schwimmbad, die Wohnungsnot wird gelindert, und sowieso wird die Jugend für den Sport begeistert. Alles dank der Olympischen Spiele.
Der Größenwahn, der seit einigen Jahren eigentlich immer bei der Olympia-Vergabe zu beobachten war, spricht für den Hamburger Senat nicht etwa gegen eine Bewerbung. Im Gegenteil: Er wird zu dem Argument gewendet, Hamburg könne zeigen, dass es anders geht, indem es die »nachhaltigsten Spiele aller Zeiten« veranstaltet. Das soll heißen, dass die Hansestadt nicht auf den ungenutzten Gebäuden und deren Baukosten sitzenbleiben wird, wie man es zum Beispiel aus Athen kennt: Der »Olympia-Dome« soll in ein Kreuzfahrtterminal verwandelt werden, die Schwimmhalle in ein Erlebnisbad, und das Olympiastadion soll von 70.000 auf 20.000 Plätze zurückgebaut werden, sodass es als Sportstätte für den Hochschulsport nutzbar wird.
Millionengrab Elbphilharmonie
Doch in einer Stadt, in der schon die Kosten für die Errichtung eines einzigen Gebäudes explodieren, besteht wenig Grund, an die angekündigte Bescheidenheit und Nachhaltigkeit zu glauben. Schon jetzt ist klar, dass die Elbphilharmonie mehr als das Zehnfache der ursprünglich geplanten 77 Millionen Euro kosten wird. Der erhoffte »Sprung über die Elbe«, die Anbindung des Stadtteils Wilhelmsburg, war übrigens bereits im Jahr 2013 Ziel der Internationalen Gartenschau, die der Stadt Hamburg ein Defizit von 37 Millionen Euro beschert hat. Der Senat hatte freilich vorher mit einem Gewinn gerechnet.
Es ist zwar schön, dass die Stadt die Schwimmhalle nach den Spielen in ein Erlebnisbad verwandeln will. Doch sollte hier durchaus die Nachfrage gestattet sein, warum sie überhaupt Bäder schließt – wie aktuell beim Freibad Ohlsdorf geplant. Ohnehin sind die Eintrittspreise dermaßen gestiegen, dass sich viele Familien den Besuch überhaupt nicht mehr leisten können. Nicht zuletzt ist es recht zweifelhaft, ob die angeblich durch die Spiele bewirkte Förderung des Breiten- und Schulsports überhaupt in allen Stadtteilen ankommen wird.
Die drohende Verschärfung der Gentrifizierung, die in vielen Stadtteilen schon jetzt anhand steigender Mieten und der Verdrängung von alteingesessenen Geschäften spür- und messbar ist, ist ein weiterer Grund, die Bewerbung abzulehnen. In London beispielsweise hat Olympia die Mieten überproportional steigen lassen. Für den Hamburger Senat aber gilt auch hier das Gegenteil: Olympia erlaubt angeblich den Bau von 6000 zusätzlichen Wohnungen, und die sollen wiederum helfen, den Anstieg der Mieten zu bremsen. Aber ganz abgesehen von der Frage, ob die Preisfindung auf dem Wohnungsmarkt überhaupt so schlicht funktioniert, ist nicht einzusehen, warum die dringend benötigten zusätzlichen Wohnungen nur mit Olympia möglich sein sollen.
Sozial gespaltene Stadt
Hamburg ist eine sozial tief gespaltene Stadt mit einer Armutsquote von 16,9 Prozent (Quelle: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband). Ein erheblicher Teil der Bevölkerung könnte sich also sowieso niemals die Ticketpreise leisten, die das IOC für den Besuch seiner Veranstaltungen verlangt. Zynisch wird es, wenn der Senat behauptet, alle Hamburger würden von Olympia profitieren – zur Not, indem sie ihre Wohnung während der Spiele untervermieten.
Eine weitere Gefahr droht aus dem Sicherheitsbereich: Olympia würde Hamburg in eine quasi-militärische Hochsicherheitszone verwandeln. Von den Ausmaßen, die das annehmen wird, haben die Bewohnerinnen und Bewohner der Hamburger »Gefahrengebiete« im Januar 2014 bereits einen Vorgeschmack bekommen.
Bewerbung hängt an Referendum
Doch glücklicherweise lässt sich das alles noch verhindern. Die Bewerbung Hamburgs hängt an einem Referendum, das im Herbst stattfindet. Am 15. September müssen die Stadt und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) beim IOC die Bewerbung einreichen. Allerdings ist schon jetzt klar, dass das Referendum erst frühestens im November stattfinden wird, denn es erfordert nichts Geringeres als eine Änderung der Verfassung, die »von oben« initiierte Volksentscheide bislang nicht vorsieht. Es spricht daher alles dafür, dass Stadt und DOSB die Bewerbung in der Hoffnung einreichen werden, sie im Nachhinein durch ein positives Referendum zu legitimieren. Das könnte allerdings ziemlich peinlich enden.
Eine viel wichtigere Voraussetzung für das Referendum ist aber inhaltlicher Natur: Die Abstimmung ist nur dann sinnvoll und in einem nachvollziehbaren Sinn demokratisch, wenn die Hamburgerinnen und Hamburger vor dem Hintergrund völliger Kostentransparenz entscheiden können. Das erfordert mehr als eine in den Raum geworfene Zahl, sondern die Stadt muss ein umfassendes und überprüfbares Finanzkonzept vorlegen. An dieser Frage muss die Olympia-Opposition, in der Bürgerschaft allein durch DIE LINKE vertreten, eine doppelte Strategie verfolgen: Wenn kein Finanzkonzept vorgelegt wird oder zu spät, müssen wir diese Tatsache skandalisieren. Sobald das Konzept vorliegt, müssen wir die veranschlagten Kosten immer wieder »ins Verhältnis setzen zu den ungedeckten Bedarfen in Sozialwesen und Breitensport«, wie es in einer gemeinsamen Resolution der LINKEN in Hamburg und Schleswig-Holstein formuliert wird. Beispielhaft können wir dann thematisieren, wie viele Sozialwohnungen einem Olympiastadion entsprechen oder wie viele Kita-Erzieher und Lehrer vom Budget für das »Olympische Dorf« bezahlt werden könnten.
Verschärfend wird bei den Kosten hinzukommen, dass die Schuldenbremse im Olympiajahr 2024 bindend sein wird. Diese Tatsache dient dem Senat zwar als Argument pro Spiele, da so angeblich sichergestellt ist, dass sich die Stadt nicht verschulden wird. In der Konsequenz wird das aber dazu führen, dass die Kürzungen, die mit der Schuldenbremse legitimiert werden, noch deutlich zunehmen werden. Denn Olympische Spiele belasten erfahrungsgemäß etwa zehn Jahre lang den Haushalt der Ausrichterstadt.
Ein breit aufgestellter Gegner
Die Auseinandersetzung mit den Befürwortern der Spiele wird nicht einfach. Denn wir haben es mit einem breit aufgestellten Gegner zu tun. Selbst die Grünen, gegen die »Gefahrengebiete« und bei der Kampagne für den Rückkauf der Energienetze noch ein verlässlicher Partner, stehen in der Olympia-Frage auf der Gegenseite.
Der Kampf um Olympia wird daher auch ein Kampf um die öffentliche Meinung. Denn der Senat hat mit der Hamburger Sparkasse, dem Nahverkehr und öffentlichen Betrieben wie der Müllabfuhr omnipräsente Werbeträger in seine Kampagne eingespannt. Es wird ziemlich viele Plakate, Aufkleber, Flugblätter, Infostände und kreative Aktionen erfordern, um hier ein Gegengewicht zu etablieren. Das ist eine große Aufgabe, kann sich aber auch zu einer großen Chance entwickeln, wenn wir das Bewusstsein entwickeln, dass dies die Einbindung vieler Aktivistinnen und Aktivisten erfordert – weit über die Kreise der aktiven LINKE-Mitglieder hinaus.
Allzu schlecht stehen unsere Chancen nicht. Die Veröffentlichung des »Host-City-Vertrags«, mit dem das IOC der Ausrichter-Stadt sämtliche Bedingungen diktiert, hat beispielsweise in Oslo zu einer kompletten Abkehr von einem möglichen Olympia-Abenteuer geführt. Zuletzt befürworteten etwa 65 Prozent der befragten Hamburgerinnen und Hamburger die Olympia-Bewerbung – ähnliche Werte gab es 2013 in München, bevor eine breit getragene Kampagne die Kandidatur für die Winterspiele im Jahr 2022 verhinderte. Auch in Boston, einem anderen potenziellen Bewerber für 2024, schwinden die Zustimmungswerte. Das erhöht zwar einerseits die Gefahr für Hamburg, andererseits vergrößert es den Spielraum für kritische Nachfragen, warum andere Städte sich diesen Irrsinn nicht gefallen lassen wollen.
Weitere Infos:
www.etwasbesseresalsolympia.org/
http://www.linksfraktion-hamburg.de/nolympia/aktuelles/
Foto: dr. motte
Schlagwörter: Gentrifizierung, Hamburg, Inland, NOlympia, Olympische Spiele, Sport