Oskar Lafontaine bedient wieder einmal rassistische Vorurteile – und das auch noch im »Kamingespräch« mit Thilo Sarrazin und Peter Gauweiler. Zeit für einen Schlussstrich, meint Johannes König
Der Bayerische Rundfunk zitierte Oskar Lafontaine mit der Aussage, »jedes unbegleitete Flüchtlingskind« koste monatlich 5000 Euro, was einer Sozialrentnerin guten Gewissens nicht zu vermitteln sei. Und: Wenn hundert Menschen hungerten, sei es wenig sinnvoll, einen von ihnen ins »Feinschmecker-Lokal« einzuladen, wenn die dortige Rechnung allemal dafür ausreiche, allen Betroffenen Brot zu geben.
»Kamingespräch« mit Sarrazin
Oskar Lafontaines Rechnung, vorgetragen bei einem »Kamingespräch«, anlässlich der Vorstellung von Thilo Sarrazins neuem Buch »Der Staat an seinen Grenzen« im Münchner Luxushotel Bayerischer Hof, ist nicht nur zynisch, sondern auch irreführend: Denn die Kosten für die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter sind tatsächlich weitaus niedriger. So »kostete« sie etwa in Baden-Württemberg für 7500 Personen im Jahr 2018 nach Behördenangaben etwa 42 Millionen Euro. Pro Monat also nicht 5000, sondern 457 Euro. Lafontaines Zahl ist tatsächlich das Maximum an Kosten, die im Rahmen des deutschen Jugendhilferechts möglich sind und auch teilweise bezahlt wurden.
Das Zahlenspiel rollt nur den Rassisten den Teppich aus. Denn egal, ob Lafontaine mit validen Zahlen hantiert oder nicht, am Ende gewinnt dabei die rechte Erzählung: der vermeintliche Interessengegensatz zwischen der »deutschen Rentnerin« und »dem unbegleitete Flüchtlingskind«.
Lafontaine liegt schon lange falsch
Lafontaines »befremdlicher Retro-Abend mit Gruseleffekten« (BR) an der Seite des Rassisten Sarrazins erschreckt viele LINKE-Wählerinnen und -Mitglieder. Doch es ist kein einmaliger Fehltritt. Oskar Lafontaine vertritt in der Debatte um Migration, Zuwanderung und offene Grenzen seit langem die grundfalsche Position rechter Sozialdemokraten vor 1914.
Schon 1990 wetterte der damalige Ministerpräsident des Saarlands gegen »Scheinasylanten« und forderte Auffanglager in Nordafrika. 2005 vertrat er die Position, »dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen«. In dieser politischen Tradition steht auch die Gründung des Projekts »Aufstehen«, das der LINKEN eine Änderung ihrer migrationspolitischen Positionen aufzwingen sollte.
DIE LINKE und das Asylrecht
Doch damit ist Lafontaine gescheitert. DIE LINKE hat als einzige Partei gegen alle Asylrechtsverschärfungen gestimmt und kämpft für die vollständige Wiederherstellung des Rechts auf Asyl. Sie fordert, alle benachteiligenden Regelungen und Gesetze aufzuheben, wie das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht und Arbeitsverbote für Geflüchtete; darüber hinaus die Unterbringung in Sammellagern sofort abzuschaffen, Abschiebungen zu beenden und ein Bleiberecht für alle. Ebenso verlangt sie, dass alle Kinder, die in Deutschland geboren werden, auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.
Um Geflüchtete und Einheimische vor Lohndumping zu schützen, fordert DIE LINKE die Anhebung und flächendeckende Durchsetzung des Mindestlohns. Statt Hartz IV für Einheimische und Sachleistungen für Geflüchtete will sie eine sofortige Mindestsicherung von 1050 Euro, ohne Sanktionen, für Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können.
Rassismus ist kein Nebenwiderspruch
Der Kampf gegen Rassismus und der Kampf um soziale Gerechtigkeit gehören zusammen. Rassismus ist kein »Nebenwiderspruch«, sondern muss als eine Ideologie der Spaltung angegriffen werden. Oskar Lafontaines Aussagen folgen einer falschen Logik. Die deutsche Volkswirtschaft ist eine der reichsten der Welt. Niemand müsste arbeitslos oder arm sein. Wir leben in einer Überflussgesellschaft, in der die oft genannte »Grenze der Belastbarkeit« nicht annähernd erreicht ist. Und selbst wenn die »Kosten« für die Aufnahme von schutzsuchenden Kindern ohne Eltern 10.000 Euro betragen würden, wäre genug Geld vorhanden, um diesen Menschen ein sicheres Zuhause zu gewährleisten.
Die angeblich »beschränkten Aufnahmekapazitäten«, von denen Lafontaine gerne spricht, lenken von der seit Jahren stattfindenden Ausplünderung der öffentlichen Haushalte ab. Die Zukunft der öffentlichen Daseinsvorsorge ist tatsächlich bedroht, allerdings nicht von schutzsuchenden Kindern, sondern von Reichen, Banken, Konzernen und einer Regierung, die deren Interessen umsetzt. Menschen, die in Deutschland von Hartz IV betroffen sind, niedrige Renten beziehen oder zu Niedriglöhnen arbeiten, haben keinen Cent mehr in der Tasche, wenn Menschen abgeschoben werden. Anstatt verschiedene Teile der Arbeiterklasse gegeneinander auszuspielen, ist es Aufgabe der LINKEN, ihre gemeinsamen Interessen gegen die Herrschenden herauszustellen und den gemeinsamen Kampf für gleiche Rechte und Umverteilung von oben nach unten zu organisieren.
Lafontaine: Zeit für einen Schlussstrich
DIE LINKE als antirassistische Partei muss Farbe bekennen: In Zeiten von Moria, Alan Kurdi und Frontex ist die Debatte über offene Grenzen längst keine akademisch-theoretische mehr, sondern entscheidet über Leben und Tod. Wenn sich selbst die konservative bayerische Presse mit Grauen vom rassistischen Schulterschluss von AfD-Vordenker Thilo Sarrazin, CSU-Rechtsaußen Peter Gauweiler und Oskar Lafontaine abwendet, ist es Zeit für einen Schlussstrich. Lafontaine sollte als Vorsitzender der Linksfraktion im Saarland zurücktreten und seine national-bornierten Thesen zukünftig nicht mehr im Namen der LINKEN verbreiten.
Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons
Schlagwörter: Lafontaine, Sarrazin