Dies ist der erste von drei Texten der marx21-Redaktion zu Paul Masons Begriff von Faschismus und der Kritik an seiner Strategie eines neuen Antifaschismus.
Der Journalist Paul Mason hat die Labour-Partei aufgefordert, eine »Volksfront« zu unterstützen, um die extreme Rechte zu stoppen. Das hat sich in den 1930er Jahren als Desaster erwiesen – und er sollte es wissen, schrieb Nick Clark 2019
»Schließen Sie nichts aus«, rät Paul Mason den Aktivist:innen der Labour-Partei, einen Pakt mit den Liberal Democrats und den Grünen zu schließen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Dies sei die einzige Möglichkeit, die Tories und die extreme Rechte zu stoppen, schrieb der ehemalige linke Journalist in der Zeitung Guardian. Mason glaubt, dass die größte Kluft in der britischen Politik heute zwischen den Reaktionären, die den Brexit unterstützen, und den vermeintlich fortschrittlichen Liberalen, die ihn ablehnen, besteht.
Wahlbündnisse mit Liberalismus und Sozialdemokratie scheiterten
Seiner Meinung nach ist es für Labour nicht mehr möglich, eine Parlamentswahl zu gewinnen, nur weil sie die Austerität in Frage stellen. Der Preis für eine Niederlage wäre ein Land, »das von einer Fraktion der Elite-Tories regiert wird, die ihre moralischen und intellektuellen Trennlinien mit der extremen Rechten aufgegeben haben«. Deshalb hat Mason in der Geschichte nach einer Lösung gesucht – und ist auf die »Volksfront« gestoßen. Diese Taktik, die von den kommunistischen Parteien Mitte bis Ende der 1930er Jahre angewandt wurde, führte sie zu Wahlbündnissen mit Liberalen und Sozialdemokrat:innen. Das endete immer schlecht für die Linke.
Dennoch preist Mason die Volksfront als die »einzige bewährte Reaktion in der Geschichte, die ein Bündnis von Rechtspopulist:innen und konservativen Amoralist:innen schlägt«. Sie führte zu einer spanischen Regierung, die gegen die Faschisten an die Macht kam, und gab Frankreich seinen »ersten sozialistischen Premierminister«. Als ehemaliger Trotzkist weiß er sicherlich, dass dies bestenfalls die halbe Wahrheit ist. In Frankreich brachte die Volksfront die Kommunistische Partei dazu, eine revolutionäre Streikwelle zu unterbinden – nur damit die Partei von der Regierung, die sie schützte, verboten werden konnte. In Spanien endete es damit, dass die Kommunist:innen eine Revolution niedermetzelten, die die Faschisten hätte aufhalten können. Aber Mason ist nicht einmal ganz ehrlich, wenn es darum geht, wer sich die Volksfront ausgedacht hat oder warum. Mason behauptet, die Volksfront sei »von den Corbynist:innen ihrer Zeit erfunden worden«.
Im selben Artikel preist er den bulgarischen Kommunist:innenführer Georgi Dimitrov als einen Verfechter der Volksfront. Er erwähnt nicht, dass Dimitrov auch ein Handlanger des russischen Diktators Joseph Stalin war. Dieses Versäumnis ist kaum überraschend, wenn man bedenkt, dass Mason jeden Linken, der den Brexit unterstützt, als »stalinistisch« bezeichnet. Aber dieser Hintergrund der Volksfront ist ziemlich wichtig.
Verrat
Sie erzählt uns, worum es bei der Volksfront eigentlich ging – was sie tun sollte, wem sie zugute kommen sollte und warum sie die einfachen Menschen verraten hat. Seit den späten 1920er Jahren waren die kommunistischen Parteien, die von Stalin über die Dritte Internationale oder die Komintern kontrolliert wurden, gegenüber den sozialdemokratischen Parteien sektiererisch eingestellt. Sie weigerten sich, mit ihnen gemeinsam gegen die Faschisten vorzugehen.
Das änderte sich nach 1935 dramatisch, als Stalin unter den Herrschern anderer kapitalistischer Länder nach Verbündeten gegen die Bedrohung durch Nazi-Deutschland suchte. Plötzlich sollten sich die Kommunist:innen mit den Führern der etablierten kapitalistischen Parteien zusammenschließen, die »an der Erhaltung des Friedens interessiert« waren. In Frankreich hatten die Arbeiter:innen in den kommunistischen und sozialistischen Parteien bereits begonnen, sich zu vereinigen. Die Faschisten hatten 1934 den Premierminister – ein Mitglied der liberalen Radikalen Partei – nach einem blutigen Aufstand aus dem Amt gejagt.
Es war genau die Art von vereinter Aktion der Arbeiter:innenklasse, die die Rechte besiegt.
Der Vormarsch der Faschisten wurde jedoch gestoppt, als sich die Mitglieder der sozialistischen und kommunistischen Parteien – und ihre Gewerkschaftsverbände – gegen sie verbündeten. Die Führer der sozialistisch und kommunistisch kontrollierten Gewerkschaften kündigten für denselben Tag getrennte Generalstreiks und Demonstrationen an. Am Tag selbst wurde gemeinsam demonstriert. Es war genau die Art von vereinter Aktion der Arbeiter:innenklasse, die die Rechte besiegt. Doch die französischen Kommunist:innenführer schlossen im Einklang mit Stalins neuer Politik ein Wahlbündnis nicht nur mit der sozialistischen Partei, sondern auch mit den kapitalistischen Radikalen.
Diese Volksfront gewinnt die Wahlen von 1936. Der Sozialist Leon Blum wurde Premierminister, und die Zahl der kommunistischen und sozialistischen Parteimitglieder stieg. Als jedoch eine kapitalistische Krise ausbrach, reagierten die Bosse mit Angriffen auf die Arbeitsplätze und Löhne der Arbeitnehmer:innen. Eine massive Welle von Streiks und Besetzungen brach aus und warf Fragen nach einem grundlegenden Wandel auf.
Die kommunistische Partei setzte dem ein Ende. Ihre Haltung war, die Volksfront jetzt zu verteidigen und die Revolution für später aufzusparen. Sie erklärte ihren Anhänger:innen: »Alles ist nicht möglich« und »Man muss wissen, wie man einen Streik beendet«. Die Streikwelle wurde beendet. In ihrem Gefolge wurden die Arbeiter:innen von der Regierung demoralisiert. Die Regierung schwenkte nach rechts, Sozialist:innen und Kommunist:innen verloren an Unterstützung, die Rechte in der Radikalen Partei übernahm die Macht – und die kommunistische Partei wurde 1939 verboten.
Das Scheitern der Volksfront-Regierungen
Da die Arbeiter:innenbewegung demoralisiert war, konnten die Nazis Frankreich nach ihrer Invasion 1940 leicht unterwerfen. In Spanien verlief die Geschichte ähnlich. Im Jahr 1936 gewann eine Volksfront aus Kommunist:innen, Sozialist:innen und liberalen kapitalistischen Republikaner:innen die Parlamentswahlen. Das Ergebnis gab der Arbeiter:innenklasse das Selbstvertrauen, mit einer Welle von Streiks und Demonstrationen für mehr zu kämpfen. Es führte jedoch auch zu einem von den Konservativen unterstützten Putsch unter Führung des faschistischen Generals Franco.
Die Arbeiter:innen verhinderten die Machtübernahme durch ihre Aktionen. Sie bewaffneten sich, übernahmen Kasernen und überzeugten Soldaten, sich ihnen anzuschließen. Franco gelang es nur, die Kontrolle über weniger als die Hälfte Spaniens zu erlangen. In den militantesten Regionen wurde die Gesellschaft tatsächlich von den Arbeiter:innenorganisationen und nicht von der republikanischen Regierung geführt. Doch die kommunistischen Mitglieder, die davon überzeugt waren, dass die Volksfront die beste Verteidigung gegen Franco darstellte, versuchten, diese Revolution hinauszuzögern.
Milizionäre
Sie verteidigten die republikanische Regierung und versuchten, die Arbeiter:innenmilizen und -organisationen zu entwaffnen. Sie untergruben genau das, was den Vormarsch des Faschismus aufgehalten hatte, und Franco übernahm 1939 die Kontrolle über Spanien. Was würde diese Taktik für die Linke in Großbritannien heute bedeuten?
Für Mason würde sie mit einer Versöhnung mit den Liberal Democrats beginnen, indem man sie vom Haken lässt, weil sie als Koalitionspartner der Tories Sparmaßnahmen und Rassismus ermöglicht haben. Stattdessen sollte man sich mit ihnen zusammentun und erst später »den Wähler:innen die Möglichkeit geben, die Taten der Liberal Democrats an ihrer Rhetorik zu messen«. Wenn das Ihr Ausgangspunkt ist, wie geht es dann weiter?
Masons Rethorik gegenüber Labour
Mason möchte, dass Labour mit einer Politik des »Verbleibs und der Reform« in die Parlamentswahlen geht. Das heißt, Großbritannien soll in der Europäischen Union (EU) bleiben und dann versuchen, sie in etwas Fortschrittliches zu verwandeln. Aber wie passt das mit den Zielen der Liberal Democrats, der Grünen und der schottischen Nationalist:innen zusammen, die die EU im Wesentlichen so lassen wollen, wie sie ist?
Ihre Unterstützung für die EU beruht auf der Tatsache, dass ihre Institutionen so konzipiert sind, dass sie den Bossen der Mitgliedsstaaten zugute kommen. Das ist ihre Priorität, und sie werden sie nicht aufgeben. Die Priorität der Labour-Partei ist eine etwas andere – gewählt zu werden. »Jedes Labour-Mitglied sollte sich die Frage stellen, ob es wichtiger ist, Johnson in einer vorgezogenen Wahl zu schlagen, als alles andere«, sagt Mason. Wenn das der Fall ist, sollten sie sich auch fragen, was sie eventuell aufgeben müssten, um eine Einigung mit den Liberalen zu erreichen.
Letzte Woche appellierte Jeremy Corbyn an die Führer dieser Parteien, ihn in einer Regierung zu unterstützen, deren einziges Ziel es ist, einen No-Deal zu verhindern. Die Vorsitzende der Liberalen, Jo Swinson, sagte, sie könne eine solche Regierung nur unterstützen, wenn der Tory Ken Clarke oder die Blairistin Harriet Harman das Sagen hätten. Würde Mason Corbyns Führungsrolle opfern und sich der Rechten völlig beugen, um eine Volksfront zu ermöglichen? »Ich schließe nichts aus.« Und das wäre bei weitem nicht das schlechteste Ergebnis.
Wir müssen eine Volksfront ausschließen
Eine Volksfront würde bedeuten, diejenigen zu unterstützen, deren jahrzehntelange Herrschaft durch Sparmaßnahmen und Rassismus das Wachstum der extremen Rechten überhaupt erst ermöglicht hat. Die Labour-Partei könnte am Ende allen möglichen rechtsgerichteten Maßnahmen zustimmen, die von den Liberalen in einer Volksfrontregierung gefordert werden. Sie wäre diejenige, die alle Streiks oder Proteste gegen sie niederschlagen müsste. Dahinter steht der Gedanke, dass die Linke und die Liberalen eine gemeinsame Sache gegen die Rechten machen.
Mason stellt die Volksfront als eine Verteidigung gegen »die Bedrohung der Demokratie, des Wohlfahrtsstaates und unserer toleranten Gesellschaft« dar. Aber Großbritannien ist weder eine einheitliche, tolerante Gesellschaft noch eine demokratische Gesellschaft. Es ist eine Gesellschaft, die von Leuten geführt wird, die die Interessen der Reichsten an der Spitze vertreten. Sie haben Jahrzehnte damit verbracht, den Sozialstaat anzugreifen und den Rassismus zu fördern, der uns spaltet.
Die Rechten zu schlagen und als Linke zu gewinnen, heißt gegen sie zu kämpfen. Dieser Kampf umfasst viele Taktiken und erfordert die Einheit der Arbeiter:innenklasse. Aber wir müssen eine Volksfront ausschließen, wenn wir erfolgreich sein wollen.
Der Text erschien zuerst auf Socialist Worker https://socialistworker.co.uk/features/paul-mason-s-popular-front-of-failures-is-not-the-way-to-beat-the-right/
Übersetzt von Simo Dorn
Hier geht zum zweiten und dritten Text der Reihe zu Paul Mason.
Foto: Marta Jara
Schlagwörter: Antifaschismus, Faschismus, Paul Mason, Volksfront