Auch wenn die bundesweite Ausdehnung vorerst gestoppt wurde – die Gefahr, die von der islamfeindlichen Bewegung ausgeht, ist nicht gebannt. Pegida sucht den Schulterschluss mit der europäischen Rechten und tritt mit einer eigenen Kandidatin bei den Bürgermeisterwahlen in Dresden an. Von Jules El-Khatib
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Bei ihrer Kundgebung am 13. April verfehlte die islamfeindliche Pegida-Führung ihr Mobilisierungsziel von 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich. Es kamen nur knapp Zehntausend. Dabei hatte man sogar Geert Wilders eingeladen, den Vorsitzenden der rechtspopulistischen »Partij voor de Vriejheid« (Partei für die Freiheit) in den Niederlanden. Nach diesem Fehlschlag titelte die »Hamburger Morgenpost«: »Wilders kann Pegida nicht beleben«.
Solche Aussagen sind gefährlich, denn von einem Ende der rechten Bewegung kann nicht die Rede sein. Zwar konnten die Massenproteste gegen Pegida im Januar und Februar deren bundesweite Ausdehnung vorerst verhindern. Doch die Rechte in ganz Deutschland hat Morgenluft gewittert und versucht nach wie vor, die Demonstrationen am Laufen zu halten. Erst kürzlich marschierten in Karlsruhe wieder 300 Pegida-Anhängerinnen und Anhänger. Auch in Dresden ist die Bewegung nach wie vor dynamisch. Noch immer kommen dort jede Woche etwa viertausend Personen zusammen, um gegen eine angebliche »Islamisierung des Abendlands« zu demonstrieren. Der Austritt von vier Mitgliedern aus der Führung im Januar schwächte Pegida nur zeitweise. Dass die Bewegung jüngst Wilders für einen Gastauftritt gewinnen konnte, zeigt wie ernst sie von rechtspopulistischen und antimuslimischen Strukturen auch auf europäischer Ebene genommen wird.
Es ist kein Wunder, dass die Bewegung sich gerade in der sächsischen Hauptstadt so lange hält. Sachsen hat sich seit Beginn des Jahrtausends zu einer Hochburg rechter Parteien entwickelt. So war die NPD zehn Jahre lang im Landtag vertreten. Im Jahr 2004 zog sie sogar mit fast zehn Prozent ein und auch zuletzt scheiterte sie nur äußert knapp mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent. Zusammen mit den 9,8 Prozent, welche die AfD erzielte, entfielen also fast 15 Prozent auf rechte und nationalistische Parteien. Rassistische Parolen treffen hier auf fruchtbaren Boden. Es ist daher nicht zu erwarten, dass Pegida so schnell wieder verkümmert. Deren Führung plant schon die nächsten Monate, in denen sie weitere führende Figuren der europäischen Rechten einladen will. Sie will Dresden zu einem Zentrum der rechten Bewegung in Deutschland machen.
Pegida in Dresden
Bei den bevorstehenden Oberbürgermeisterwahlen in Dresden tritt Pegida mit einer eigenen Kandidatin an. Die Wahl am 7. Juni wird deswegen mehr sein als nur ein Urnengang in einer Landeshauptstadt mit rund 540.000 Einwohnern. Ein Erfolg der Pegida-Kandidatin könnte der Rechten in ganz Deutschland weiter Auftrieb geben. Wie kann die Linke darauf reagieren?
Eine gute Möglichkeit, den Islamhassern von links etwas entgegenzusetzen wurde durch den Verzicht der LINKEN auf eine eigene Kandidatur bei der Wahl verpasst. Stattdessen hat die Partei beschlossen, die Kandidatin der SPD zu unterstützen, obwohl DIE LINKE in Dresden fast doppelt so stark ist wie die Sozialdemokratie. Auch bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2014 erzielte die sächsische SPD nur kümmerliche 12,4 Prozent.
Leider verzichtet das von LINKEN, SPD und Grünen gebildete Wahlbündnis »Gemeinsam für Dresden« in seiner jetzigen Kandidaturerklärung auf eine offensive Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus und Pegida. Beides wird nicht einmal erwähnt und auch die soziale Spaltung nur in einem Satz angesprochen. Folglich kann sich das von Pegida unterstützte, ehemalige AfD-Mitglied Tatjana Festerling als einzige Antisystem-Kandidatin darstellen. Aus der AfD musste sie austreten, weil sie der Partei mit ihren Ansichten zur gewalttätigen Kölner Hooligan-Demonstration im Oktober 2014 zu extrem war. Seitdem pöbelt Festerling offen gegen »unverschämte Minderheiten« und fabuliert über »Asylströme, die Sachsen fluten«.
Reaktion der LINKEN
DIE LINKE hätte mit einer eigenen Kandidatur zeigen können, dass sie sowohl das neoliberale System als auch die Spaltung der Gesellschaft anhand von Religionen und Herkunft ablehnt. Selbst wenn sie sich unbedingt mit SPD und Grünen zusammenschließen will, wäre das noch nach dem ersten Wahlgang möglich gewesen, wo sich alle Parteien dann auf einen der beiden bestplatzierten Kandidaten festlegen müssen.
Leider ist auch die Position von Sachsens LINKEN-Landeschef Rico Gebhardt zur Kandidatur von Pegida wenig hilfreich. Der Oppositionsführer im sächsischen Landtag sagte gegenüber dem »Tagesspiegel«, die Kandidatur stelle die »erlahmende Bewegung« Pegida vor die Herausforderung, »neben Parolen tatsächlich auch kommunalpolitische Ideen zu präsentieren«. An dieser Herausforderung werde sie scheitern und sich letztlich selbst entzaubern. »Rechtspopulismus allein ersetzt keine politische Kompetenz.«
Eine solche Strategie unterschätzt die Dynamik, die von der Pegida-Bewegung ausgeht, und deren eigentliches Ziel. Der Pegida-Sympathisant Jürgen Elsässer formuliert es so: »Mit der Teilnahme an den OB-Wahlen ist Pegida einen notwendigen Schritt weitergegangen: Immer nur demonstrieren, das hätte sich totgelaufen. Und gottlob ist man nicht in die Sackgasse einer Parteigründung gegangen, das wäre aussichtslos geworden. Aber bei den OB-Wahlen in Dresden hat man Chancen auf ein zweistelliges Ergebnis.«
Widerstand gegen Rassismus
Für Pegida sind die Bürgermeisterwahlen in Dresden ein wichtiger Schritt, um ihre Bewegung weiter am Leben zu halten. Lutz Bachmann sprach auf einer Kundgebung von einer »historischen Chance«. Festerling werde dem »rot-rot-grün versifften Stadtrat ordentlich auf die Finger schauen«.
Sollten die Rechten erfolgreich sein, droht mehr: Auf Facebook hat Pegida bereits mitgeteilt, dass »eine parlamentarische Arbeit auf kommunaler Ebene ab 2016 und auf Bundesebene ab 2017« angedacht sei. Pegida wolle in Dresden ein »Zeichen setzen für kommende Wahlen in ganz Deutschland und ganz Europa«.
In Leipzig, wo sich Pegida nach einigen Demonstrationen aufgrund des Widerstands zurückziehen musste, scheint DIE LINKE erkannt zu haben, dass sie als Partei des Widerstands gesehen werden muss, um reaktionäre Bewegungen zu schlagen. Ihr Kreisvorsitzender Volker Külow hat in einem gemeinsamen Papier mit seinen Leipziger Genossen Ekkehard Lieberam und Dietmar Pellmann vollkommen richtig klargestellt: »Wir sind der Überzeugung, dass ohne eine politische Offensive der Linkspartei gegen die wachsenden Kriegsgefahren und gegen die neoliberale Politik ein weiteres Anschwellen reaktionärer Bewegungen zu befürchten ist, egal unter welchem Namen diese Bewegungen künftig auch auftreten werden.«
Die Angst vor Abstieg und Armut konnte von rechten Parteien und Bewegungen schon häufig missbraucht werden und auf Sündenböcke gelenkt werden. Um dies zu verhindern, braucht es eine starke und sichtbare, antifaschistische Gegenbewegung. Aufgabe der LINKEN ist es, ein wichtiger Teil dessen zu sein und den Kampf gegen Rassismus mit anderen antikapitalistischen Kämpfen zu verknüpfen.
Zur Person:
Jules El-Khatib ist Mitglied im Landesvorstand der LINKEN in Nordrhein-Westfalen.
Foto: caruso.pinguin
Schlagwörter: Antimuslimischer Rassismus, Asyl, DIE LINKE, Dresden, Dresden Nazifrei, Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Pegida, Rassismus, Wilders