Die Streikbewegung für mehr Personal im Krankenhaus geht in die nächste Runde. Die Berliner Charité hat die Lunte gelegt, jetzt brennt sie im Saarland. Fünf Gewerkschaftsaktivistinnen und Unterstützer berichten uns über den Pflegeaufstand, die Demokratisierung ihrer Streiks und die Notwendigkeit von Solidarität
Meike Saerbeck ist Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer Intensivstation der Asklepios Klinik St. Georg und Gewerkschaftsaktivistin bei ver.di in Hamburg.
In Hamburg wurden 2004, zeitgleich zur Einführung des Finanzierungssystems der Fallpauschalen, die Landesbetriebskrankenhäuser an den Krankenhauskonzern Asklepios verkauft. Seitdem hat sich vieles verschlechtert, besonders was die Versorgungsqualität und unsere Arbeitsbedingungen angeht. Wir erleben seither täglich, was es heißt, wenn mit der Versorgung von kranken Menschen Profit gemacht wird. Immer weniger Personal soll immer mehr Patientinnen und Patienten versorgen, in manchen Bereichen pflegen wir heute doppelt so viele Menschen wie noch vor 10 Jahren. Das hat krasse Folgen: Viele Behandlungen und Prophylaxen können wir gar nicht mehr durchführen, Zeit für menschliche Zuwendung fehlt und teilweise können wir sogar in Notfallsituationen nicht angemessen handeln. Das gefährdet unsere Patientinnen und Patienten und macht uns auf Dauer krank. Dazu kommt noch, dass Asklepios in den letzten zehn Jahren nahezu alle nichtmedizinischen Bereiche outgesourct hat. Unsere Kolleginnen und Kollegen in diesen Bereichen arbeiten unter enormen Druck, haben keinen Tarifvertrag und oft nur befristete Arbeitsverträge.
Alte »Machtstrukturen« werden angekratzt
Auch in Hamburg wollen wir für mehr Personal kämpfen. Das ist innerhalb von ver.di aber nicht ganz ohne Widerstände möglich. Es ist klar, dass eine Tarifbewegung für mehr Personal anders aufgebaut sein muss, als das, was wir bisher gemacht haben. Wenn wir erfolgreich kämpfen wollen, dann geht das nur, wenn die Bewegung wirklich von »unten« kommt. Wir müssen als Gewerkschaft alle Kolleginnen und Kollegen in Entscheidungsprozesse mit einbeziehen und transparent sein. Dafür ist das Delegiertenmodell der Tarifberaterinnen entscheidend. Sicher werden damit aber auch alte »Machtstrukturen« in den Gewerkschaften angekratzt und dagegen gibt es leider auch Widerstand aus dem Gewerkschaftsapparat.
Die Pflegekräfte der Charité haben mit ihrem Streik für mehr Personal bewiesen, wozu wir fähig sind, wenn wir uns organisieren. Jetzt folgen ihnen die Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland. Ihnen gilt unsere volle Solidarität, denn was dort geschieht, ist für uns alle entscheidend. Den saarländischen Kolleginnen werden Pflegekräfte aus Hamburg und überall folgen. Es ist höchste Zeit für einen bundesweiten Pflegeaufstand.
Hier geht es zu den weiteren Statements von Katharina Stierl, Grit Wolf, Bernd Riexinger und Daniel Anton.
Mach mit.
Solidaritätsarbeit: Du willst auch in deiner Stadt die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus in ihrer Auseinandersetzung für mehr Personal unterstützen und suchst nach Ideen, wie das geht, oder nach potenziellen Verbündeten und bereits bestehenden Solidaritätsstrukturen? Dann melde dich bei uns, wir helfen gerne weiter! Einfach E-Mail an redaktion (ät) marx21.de
Informationen: Wie es im Saarland und mit dem bundesweiten Aufstand der Pflege weitergeht, erfährst du auf unserer Homepage marx21.de. Dort begleiten wir die Bewegung mit Artikeln, Interviews und Hintergrundberichten und halten dich immer auf dem Laufenden.
Debatte: Auch auf unserem Kongress »MARX IS’ MUSS 2017« werden der Streikbewegung im Krankenhaus mehrere Veranstaltungen gewidmet. Unter anderem sprechen auch Grit Wolf, Meike Saerbeck und Bernd Riexinger. Jetzt anmelden!
Foto: Pflegestreik Saar
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