Warschau will die restriktive Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen weiter verschärfen. Aber der Widerstand gegen die gefährliche Bevormundung wächst. Von David Jeikowski
Zu Tausenden protestierten Frauen und Männer Mitte September in Warschau und anderen polnischen Städten für ein Recht auf Abtreibung. »Stoppt diesen Krieg gegen Frauen« war auf einigen Plakaten zu lesen, auf anderen formte eine aufrechte Gebärmutter mit dem Eileiter einen Mittelfinger, darunter der Slogan »Mein Körper, meine Entscheidung«.
Eine Woche später stimmt der Sejm, eine der beiden Kammern der Nationalversammlung, in einer ersten Lesung mit mehrheitlich 267 zu 154 Stimmen für einen Gesetzesentwurf, der Schwangerschaftsabbrüche in beinahe allen Fällen unter Strafe stellen würde. Daraufhin gingen gestern erneut Zehntausende auf die Straße.
Der Umgang mit Abtreibungen ist ein hart umkämpftes Thema in Polen. Eine im britischen »Guardian« zitierte Umfrage bestätigt dies: Während sieben von zehn Befragten Abtreibungen zwar für grundsätzlich »unmoralisch« halten, spricht sich aber nur eine kleine Anzahl für ein komplettes Verbot aus.
Eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas
Doch ziemlich genau das steht derzeit zur Diskussion. Ein von der rechten Bürgerbewegung »Stop Aborcji« (Stoppt Abtreibungen) initiiertes Bürgerbegehren, das zum aktuellen Gesetzesentwurf geführt hat, konnte mühelos mehr als viermal so viele Unterschriften sammeln wie nötig. Schützenhilfe bekam die Initiative dabei nicht nur von der regierenden PiS-Partei, die ebenfalls einen Großteil der Abgeordneten im Sejm stellt, sondern auch von der katholischen Kirche. So veranlasste die nationale Bischofskonferenz beispielsweise, dass Anfang April in allen katholischen Gotteshäusern des Landes ein Hirtenbrief verlesen wurde, der sich für die Initiative aussprach. Dabei verfügt Polen bereits jetzt über eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas.
Seit 1993 ist ein Schwangerschaftsabbruch nur möglich, wenn der Embryo durch Vergewaltigung oder Inzest zustande gekommen ist, wenn zu erwarten ist, dass das Kind schwer erkrankt zur Welt kommt oder wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet ist. Falls das Gesetz wie vorgeschlagen in Kraft treten sollte, wäre nur noch die Lebensbedrohung der Mutter ein ausreichender Grund für einen Abbruch. Sollte dennoch der »Tod eines empfangenen Kindes« herbeigeführt werden, müssten sowohl die Frau als auch die ausführenden Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal mit Haftstrafen von bis zu fünf Jahren rechnen.
Schwarzer Protest gegen Kriminalisierung
Derzeit werden in Polen laut Gesundheitsministerium weniger als tausend Abtreibungen pro Jahr vollzogen. Unabhängige Gruppen gehen jedoch davon aus, dass sich jährlich zwischen 80.000 und 190.000 Frauen Schwangerschaftsabbrüchen unterziehen, entweder in illegalen Kliniken oder im Ausland. Doch es regt sich Widerstand. Unter dem Hashtag #CzarnyProtest – schwarzer Protest – organisiert sich über die sozialen Medien derzeit ein breites Bündnis, das sich stark macht für eine umfassende Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Auf Demonstrationen tragen die Protestierenden schwarz und kleben sich teilweise den Mund mit schwarzem Klebeband zu. Fotos einer dieser Aktionen wenige Tage nach der Abstimmung im Parlament zeigen eine Frau mit schwarzem Plakat, auf den ein spitzer Kleiderbügel aus Draht geklebt ist. Eine grausige Erinnerung daran, wie verzweifelte Frauen sich in der Vergangenheit bei ungewollter Schwangerschaft immer wieder selbst helfen mussten und in vielen Teilen der Welt immer noch müssen.
Foto: Małgorzata Durska
Schlagwörter: Abtreibung, Polen, Protest, Schwangerschaftsabbruch, schwarzer Protest