Arno* arbeitet bei der Deutschen Post als Briefzusteller. Der Konzern steigerte in der Corona-Zeit seine Gewinne extrem
Wo arbeitest du? Als was arbeitest du?
Ich arbeite bei der Deutschen Post als Briefzusteller. Die meiste Zeit bin ich mit dem Fahrrad unterwegs. Ich stelle Briefe und Zeitschriften, aber auch größere Sendungen und Pakete zu. Zu Beginn meiner Schicht muss ich meine Tour an einem zentralen Standort vorbereiten.
Wieviele Beschäftigte sind in deinem Unternehmen tätig?
Die Deutsche Post beschäftigt zur Zeit ungefähr 140.000 Menschen bundesweit. An meinem Standort sind mehrere zig Leute beschäftigt.
Arbeitest du während des »Lockdowns«?
Als Beschäftigte bei der Post üben wir einen »systemrelevanten« Beruf aus und müssen bzw. »dürfen« dementsprechend weiterarbeiten.
Wie hat der »Lockdown« deine Arbeit verändert?
Zur alltäglichen Arbeit sind eine Vielzahl an Hygienemaßnahmen dazugekommen. Diese schützen uns einigermaßen vor Ansteckung, können aber auch belastend sein. Dazu gehört zum Beispiel die ständige Maskenpflicht.
»Wir bekommen kaum zusätzliches Personal«
Darüber hinaus hat sich die Arbeitsintensität massiv erhöht. Durch die Schließung vieler Geschäfte haben wir mit einer extrem hohen Zahl an Paketen und Päckchen zu kämpfen, die wir kaum transportieren können. Diese zusätzliche Belastung, gerade um Weihnachten herum, ist nur schwer zu bewältigen. Wir bekommen kaum zusätzliches Personal
Warst du in Kurzarbeit und was hat das persönlich für dich bedeutet?
Kurzarbeit spielt bei uns im Betrieb keine Rolle.
Wie ging es den anderen Kolleginnen und Kollegen bei dir im Betrieb?
Sehr ähnlich. Die meisten haben sich mit der Situation abgefunden. Trotzdem ist der Stresslevel extrem hoch. Wir haben bei uns momentan einen sehr hohen Krankenstand.
Wie ist der Gesundheitsschutz bei dir im Betrieb geregelt? Fühlst du dich geschützt?
Im Großen und Ganzen ist wohl so viel umgesetzt worden, wie möglich war. Im Betrieb herrschen Abstandsgebot und Maskenpflicht. Das wird auch streng kontrolliert. Der Arbeitsablauf wurde teilweise so verändert, dass die Beschäftigten den Abstand einhalten können. Trotzdem ist es bei der Vielzahl der Beschäftigten auf engem Raum aber kaum möglich, den Abstand immer einzuhalten.
FFP2-Masken nur auf Anfrage
Die Versorgung mit Masken könnte besser sein. Wir bekommen für jeden Tag eine OP-Maske gestellt. FFP2-Masken bekommen wir nur auf Anfrage.
Ein großes Risiko ist außerdem der Kontakt zu den Kund*innen. Es gibt viele, die die Hygienemaßnahmen nicht besonders ernst nehmen.
Ist die Kantine offen?
Bei uns gibt es keine Kantine.
Was hältst du von der Initiative #ZeroCovid?
Ich finde die Initiative gut, weil sie endlich eine linke Debatte zur Coronapolitik angestoßen hat. Gleichzeitig sehe ich wenig Durchsetzungsperspektiven. Ich befürchte, dass der autoritäre gegenüber dem sozialen Aspekt überwiegt. Es ist nicht leicht, in einem Lockdown eine Bewegung über soziale Medien aufzubauen und ein gemeinsames Ziel und eine Strategie zu entwickeln.
Was forderst du von deiner Gewerkschaft?
Ver.di ist als Gewerkschaft für die Angestellten bei der Post bisher nur selten in Erscheinung getreten. Die Arbeitsverhältnisse haben sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert und selbst jetzt, in der Krise, spielt die Gewerkschaft faktisch keine Rolle für unseren Arbeitsalltag.
Extreme Gewinnsteigerung bei der Deutschen Post
Ich wünsche mir von meiner Gewerkschaft, dass sie überhaupt erst einmal präsent wird und uns nicht mit dem Arbeitgeber alleine lässt. Die Deutsche Post AG blickt auf Monate extremer Gewinnsteigerung zurück. Wir haben viel zu gewinnen, wenn wir nur anfangen zu kämpfen.
Was erwartest du von der LINKEN?
Von der LINKEN erwarte ich, dass sie aufhört, die Corona-Politik von CDU und SPD mitzutragen. Es gibt so viele Probleme, die angegangen werden müssen und für die sich derzeit große Mehrheiten gewinnen lassen. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen kritisieren, dass die Politik nur zugunsten der Wirtschaft entscheidet und die Gesundheit und das Leben der Menschen keine Rolle spielt. Hier braucht es eine starke linke Opposition, die den Lohnabhängigen eine Stimme geben kann.
*Name von der Redaktion geändert
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Schlagwörter: #CovidAtWork, #Schichtgeschichten, #ZeroCovid, Corona, Covid-19, Inland