Nicht nur die Pandemie, sondern auch die »Querdenken«-Bewegung der Corona-Leugner:innen hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Doch welchen Charakter hat die Bewegung? Wie sind die Proteste zusammengesetzt? Und was heißt das für die Antwort der Linken? Eine Analyse des marx21-Netzwerks
Ende Mai 2021 galt die Bewegung der Corona-Leugner:innen als gescheitert. Mit dem Beginn der Impfungen und den Lockerungen der Maßnahmen schien das Interesse an den Protesten verloren gegangen. Ihren Höhepunkt hatten die Demonstrationen zwischen August 2020 (Berlin zweimal 40.000) und März 2021 (Kassel 20.000). Mobilisierungen im August 2021 zu den Jahrestagen der großen Proteste nach Berlin im August 2020 wurden mit staatlichen Verboten belegt, die durch die Polizei auch durchgesetzt wurden. In den Monaten des Bundestagswahlkampfs 2021 scheiterten Versuche einer Neubelebung. Mit der Parteigründung der »Basis« orientierte die Bewegung jetzt auf den Wahlkampf und ging mit dezentralen Wahlkampfständen und -kundgebungen in die Breite. In den Stadtteilen konkurrierte sie in Sachen Corona-Verharmlosung und -Leugnung mit der AfD, die unter anderem »Deutschpflicht statt Maskenpflicht« plakatierte, wobei Stände der »Basis« anders als die der AfD kaum von Protesten begleitet wurden.
Europaweite Protestwelle
Das Auf und Ab der Bewegung folgt nicht unbedingt den Wellenbewegungen von Lockerungen und Steigerung der regierungsoffiziellen Maßnahmen. Im August 2020 kam es in Berlin zu zwei Massendemonstrationen mit je 40.000 Teilnehmenden, inklusive des von Nazihools angeführten »Sturms« auf das Reichstagsgebäude. Anfang November 2020 kam es in Leipzig zu einer ähnlich großen Demonstration mit ca. 40.000 Teilnehmenden. Diese bislang größten Demonstrationen gegen Corona-Einschränkungen fanden zwischen der zweiten und der dritten Welle statt.
Niedrige Inzidenzen schienen denen recht zu geben, die behaupteten, dass die Maßnahmen übertrieben seien und dass die Pandemie schon vorbei sei. Im Schatten der vierten Coronawelle baut sich seit Anfang November 2021 auch eine neue europaweite Protestwelle gegen erneute pandemiebedingte Beschränkungen auf. Die Parteien hatten die Pandemie entweder nicht thematisiert oder ihr baldiges Ende angekündigt und damit ihren Beitrag zum erneuten Protest in der ab November einsetzenden vierten Welle geleistet.
In Rotterdam, Brüssel, Genf, Prag, Wien, Zagreb und anderen Städten machten zehntausende Menschen – getrieben von Frust und Wut – ihrem Unmut gegen die scheinbare Endlosschleife zwischen Lockerungen und Lockdown Luft. Als dann kurz darauf Mitte November die konservativ-grüne österreichische Regierung noch eine allgemeine Impfpflicht verkündete (als bis dahin einziger europäischer Staat), wirkte dies wie ein Brandbeschleuniger. In Graz demonstrierten 30.000, in Wien dreimal hintereinander mehr als 40.000 Menschen unter Führung von FPÖ und »Identitärer Bewegung«.
Alte und neue Nazis
Alte und neue Nazis, von Reichsbürgern über die AfD und »Compact« bis hin zur »Identitären Bewegung« und dem sog. »III. Weg«, sind auch in Deutschland, in Ost und West, mal mehr und mal weniger explizit, Teil der Proteste. Antisemitisch codierte Verschwörungsmythen bis hin zu NS- und Holocaust-Verharmlosung werden offen zur Schau getragen.
Von Beobachter:innen wird der Anteil organisierter Faschist:innen an der Radikalisierung der Bewegung und ihre Präsenz bei den Mobilisierungen unterschätzt, zumal wenn sie nicht sichtbar organisiert auftreten. Doch sie sind es, die Durchbrüche durch Polizeibarrikaden und Attacken auf Journalist:innen sowie Gegenproteste ermutigen, orchestrieren und koordinieren. Sie sind darüber hinaus aktiv in den diversen Chat-Gruppen. Dort radikalisierten sich auch die Attentäter von Idar-Oberstein und dem brandenburgischen Senzig, wo ein Familienvater seine Ehefrau und Kinder tötete, bevor er Selbstmord beging. Allein die neu gegründete Partei der »Freien Sachsen« führt beispielweise einen eigenen Telegramkanal mit über 133.000 Followern.
Selbst der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, äußerte in einem Interview im Dezember 2021 auf die Frage, ob gewalttätige Anschläge oder Morde zu erwarten seien: »Bei gewaltorientierten Rechtsextremisten und im radikalisierten Corona-Protestmilieu ist kein Szenario auszuschließen.«
»Querdenken« formiert sich neu
Ende 2021 formierte sich auch in Deutschland die Bewegung neu. Anfang November demonstrierten 1.000 in Leipzig, am 4. Dezember, wenige Tage nach Ankündigung einer allgemeinen Impfpflicht durch Olaf Scholz, dann 10.000 in Hamburg. In vielen anderen Städten wurden »Querdenken«-Demos wegen Nichteinhaltung der Regeln zum Infektionsschutz verboten und aufgelöst. Zum ersten Mal wurden auch in Berlin, Dresden, Leipzig und anderen ostdeutschen Städten Demonstrationen von der Polizei mal tatsächlich aufgelöst, mal durch- oder vorbeigelassen, woraufhin sie sich anderswo in der Stadt neu formierten.
Die Organisator:innen des Protestes in Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern, reagierten auf die härtere und inkonsistente Linie der Polizei mit Dezentralisierung des Protests. In ganz Deutschland gingen in der ersten Dezemberwoche etwa 100.000 auf die Straße, wobei sich das Demonstrationsgeschehen vornehmlich in viele kleinere und mittlere Städte verlagerte.
Allein in Sachsen kam es am 4. Dezember in über 80 mittleren und kleineren Städten zu meist nicht angemeldeten Kundgebungen und Demonstrationen mit 50 bis 1.000 Demonstrierenden, oft unter Führung der »Freien Sachsen«. Bemerkenswert sind auch die Zahlen in Thüringen: In kleineren Städten wie Ilmenau (25.000 Einwohner) und Greiz (22.000), Sonneberg (22.000) und Arnstadt (25.000) kam es zu Demonstrationen mit zwischen 700 und 1.500 Menschen.
Keine einheitliche Bewegung
Die sich selbst so bezeichnende »Querdenken«-Bewegung ist keine einheitliche Bewegung; sie vereint sehr heterogene Elemente. Der Soziologe Oliver Nachtwey weist auf Ost-West-Unterschiede in der politischen Zusammensetzung und Führung der Bewegung hin. Im Westen gehe die Initiative häufig stärker von Milieus »alternativer« Lebensreformer:innen, Anthroposoph:innen und Esoteriker:innen aus, die immer schon gegen Impfmaßnahmen und traditionelle Medizin waren. Auch Ex-Linke, selbsternannte »Freie Linke« aus dem Spektrum der Querfront-Friedensbewegung 2014/15 (»Montagsdemos«) zählt Nachtwey zu den Organisator:innen im Westen.
Im Osten habe die Führung und Initiative von Anfang an bei rechten Organisationen wie »III. Weg«, NPD und AfD gelegen. Entsprechend sieht Nachtwey, dass es im Westen häufiger frühere Wähler:innen von LINKEN, SPD und Grünen gewesen seien, die sich im Laufe der Bewegung und unter dem Einfluss von rechten Strömungen auf den Demos nach rechts entwickelt haben, während im Osten die Masse der Demonstrierenden sich aus der Wählerschaft von AfD und NPD rekrutierte habe.
Von einer Ost-West-Dichotomie kann jedoch keine Rede sein. Auch in Ostdeutschland gibt es Teilnehmer:innen aus dem ursprünglich links-alternativen oder Eso-Spektrum und vielerorts sind auch in Westdeutschland organisierte Rechte und Nazigruppen in der Querdenken-Bewegung aktiv und gewinnen an Einfluss. So sind nicht nur für Querdenken-Gründer Michael Ballweg Verbindungen zu Reichsbürger:innen belegt. Offen antisemitische und rassistische Plakate, Banner (Reichkriegsflaggen) und Abzeichen (Davidsterne) wurden auch bei den ersten Großkundgebungen in Stuttgart getragen oder gezeigt.
Eine faschistische Bewegung?
Der im Osten deutlich größere Anteil von organisierten Faschist:innen an der Führung der Coronaleugner:innen-Demos hat Auswirkungen auf den Grad der Militanz und Gewaltbereitschaft bei den Demonstrationen. Schon bei den Massendemos in Berlin und Leipzig 2020 hatten organisierte Stoßtrupps von Neonazis Polizeiabsperrungen und -ketten durchbrochen und Überfälle auf Journalist:innen oder Gegendemonstrant:innen begangen. Eine Beobachterin aus Dresden vergleicht die Bewegung irrtümlicherweise mit der »Gewalt der frühen Squadristen« des italienischen Faschismus und plädiert daher dafür, die »Querdenker als Nukleus eines neuen Faschismus« zu bezeichnen.
Tatsächlich kam es in Greiz, Erfurt und anderen Städten zu Angriffen auf die Polizei, wahrscheinlich durch organisierte Gruppen von Neonazis. Trotzdem bleibt die sich selbst so bezeichnende »Querdenken«-Bewegung ein politisch heterogenes Bündnis und die große Mehrheit der Demonstrant:innen besteht in Ost und West nicht aus organisierten faschistischen Schlägertrupps (»Squadristen«).
So richtig es ist, organisierte Nazis mit klar antifaschistischen Parolen zu konfrontieren, setzen wir uns bei Protesten gegen Corona-Demos dafür ein, diese angesichts ihrer heterogenen Zusammensetzung auch mit Slogans wie »Ihr marschiert mit Nazis und Rassisten!« oder »Ihr seid nicht der Widerstand, lauft mit Nazis Hand in Hand« u.ä. zu konfrontieren. Dort wo AfD, »Freie Sachsen« und ähnlich rechtsradikale Gruppierungen die Demonstrationen anmelden und sichtbar anführen und der politische Rahmen einer »Querfront« zugunsten einer faschistischen Front aufgegeben wird, müssen wir dieser auch so entgegentreten und versuchen, sie durch Blockaden und ähnliche Aktionen zu behindern beziehungsweise zu stoppen.
Keine Abgrenzung nach rechts
Die Bewegung wird im Wesentlichen zusammengehalten von der Leugnung oder Verharmlosung der Covid 19-Pandemie und der daraus gerechtfertigten Ablehnung von Impfung und Schutzmaßnahmen. Eine einheitliche politische Ideologie hat sich bislang nicht herausgebildet. Allerdings haben auch die Organisator:innen der Demos im Westen von Beginn an eine Abgrenzung nach rechts abgelehnt, geschweige denn durchgesetzt. Im Gegenteil wurde von Anfang an die Anwesenheit von radikalen Rechten toleriert und teilweise sogar eine Zusammenarbeit vorangetrieben, ähnlich wie von der Querfront-Friedensbewegung 2014/15 (»Montagsdemos«).
Damit bietet die Corona-Leugner:innen-Bewegung der AfD und anderen neofaschistischen Kräften ein offenes Feld, in dem sie neue Kräfte sammeln können. In den letzten Wochen hat die AfD in Ostdeutschland, aber auch in einigen Städten im Westen selbst zu Anti-Impfkundgebungen und Demos aufgerufen. In Nürnberg und Göppingen konnte die AfD erstmals auch im Westen größere Kundgebungen (2.500 bzw. 800 Teilnehmende) unter ihrer Führung organisieren. Mit dem fortschreitenden Wandel in Richtung einer faschistischen Partei versucht sie so zugleich die Präsenz auf Straßen und Plätzen in ganz Deutschland für sich durchzusetzen.
Diese Entwicklung ist neu und sollte die gesamte antifaschistische und demokratische Linke alarmieren. Dabei kommt der AfD als parlamentarischer und politischer Arm sowie als Brandbeschleuniger der Corona-Demos eine besondere Rolle zu.
»Querdenken« und die AfD
Wie hat sich die »Querdenken«-Bewegung auf die AfD ausgewirkt? Der Kampf zwischen dem national-konservativen und dem neofaschistischen Lager in der AfD durchzieht ihre Geschichte seit ihrer Gründung 2013. Dabei hat sich der »Flügel« hinter Björn Höcke mit drei Häutungen weitgehend durchgesetzt: die erste war der Sturz der Eurokritiker:innen um Bernd Lucke 2015, die zweite erfolgte mit dem Rücktritt von Frauke Petry 2017 und die dritte mit dem Rückzug des wichtigsten Gegenspielers von Höckes »Flügel«, dem Noch-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen im Herbst 2021.
Bei allen drei Häutungen konnte der »Flügel« Kräfte aus außerparlamentarischen Bewegungen mobilisieren und so die Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei zu seinen Gunsten verschieben (Pegida 2014/15), Flüchtlingskampagne 2016/17, Querdenkenbewegung 2020/21). Auf dem Bundesparteitag in Kalkar (Herbst 2020) sprach Meuthen sein eigenes politisches Todesurteil, als er scharf mit der Beteiligung der AfD an der »Querdenken«-Bewegung abrechnete: »Die AfD sollte sich nicht mit der Querdenker-Bewegung gemein machen.«
Dabei hat die Bewegung der AfD eine neue Plattform mit Masseneinfluss geboten, ohne die sie bei der Bundestagswahl noch stärker eingebrochen wäre. Nicht nur im Osten konnte die AfD gemeinsam mit anderen faschistischen Gruppen in der Bewegung Einfluss und neue Kräfte um sich sammeln. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte konnte sie auch im Westen größere öffentliche Kundgebungen mit 2000 Menschen und mehr unter ihrer Fahne sammeln.
Proteste stärken faschistischen Flügel
General a.D. Rüdiger Lucassen, Sprecher des mitgliederstärksten Landesverbandes der AfD (NRW), war einmal im Gespräch als Meuthens Nachfolger als Parteivorsitzender. Er hatte nach dem Bundesparteitag der AfD in Dresden den Schulterschluss mit Höcke gesucht und war zusammen mit diesem auf einer AfD-Veranstaltung in NRW aufgetreten, d.h. er hatte sich von Meuthens Konfrontationskurs gegen die »Flügel«-Kräfte distanziert.
Anfang November schlug Alexander Gauland den bayerischen MdB Peter Böhringer vor. Lucassens Friedensangebot an Höcke hat ihm also nichts genutzt. Jetzt ist es in der AfD-Führung zum offenen Streit über die Corona-Politik gekommen. Lucassen argumentiert, jeder solle selbst über die Impfung entscheiden, und tritt gegen eine Antiimpf-Kampagne auf, die von Teilen der Partei geführt wurde. Außerdem hat er die Kandidatur von Chrupalla kritisiert und seinen Hut in den Wahl-Ring geworfen. Ein Antrag auf Unvereinbarkeit von AfD-Mitgliedschaft und Mitarbeit bei den »Freien Sachsen« fand im Bundesvorstand keine Mehrheit. Lucassen fürchtet, dass die AfD mit diesem Kurs bei den 2022 anstehenden Landtagswahlen in NRW weitere Einbrüche erleidet.
Die »Querdenken«-Bewegung hilft dem faschistischen Flügel in die Offensive, auch in den Westverbänden. Der aktuelle Coronastreit ist nur eine Neuauflage des Richtungsstreits in der AfD zwischen Faschos und Nationalkonservativen.
Kampf gegen die Coronaleugner:innen
Die bisherigen Versuche von antifaschistischen und antirassistischen Bündnissen, die Querdenken-Bewegung zu schwächen oder gar zu verhindern, müssen als gescheitert angesehen werden. Einmal, weil weite Teile der Linken nicht für ernsthafte Gegenmobilisierungen gewonnen werden konnten. Selbstkritisch müssen wir zudem sagen, dass es der Linken im Zusammenhang mit der Pandemie nicht gelungen ist, die sozialen Aspekte der Pandemie mit einer scharfen Kritik an inkonsequenten und ungenügenden pandemischen Maßnahmen zu verbinden und so einen linken Gegenpol aufzustellen.
Der politische Kampf gegen die Coronaleugner:innen-Bewegung ist ein asymmetrischer Kampf. In der Regel gelingt es nicht, mehr als ein Zehntel Gegendemonstrant:innen zu mobilisieren und es besteht die Gefahr, dass die Aktionen der Gegenbewegung zur Ermüdung und Demoralisierung ihrer Aktiven führen. Wir müssen damit rechnen, dass die Bewegung noch einmal mächtigen Auftrieb erhält, wenn die Debatte im Bundestag um die Einführung der allgemeinen Impfpflicht geführt wird.
Die Gegendemonstrationen sind doppelt geschwächt: einmal, weil wir es eben nicht mit einer durchweg augenscheinlich klaren sexistischen, rassistischen oder gar faschistischen Bewegung zu tun haben. Hier hat die Rechte gelernt. Martin Sellner von der »Identitären Bewegung« formulierte das nach dem 1. August 2020 in Berlin sinngemäß: Wir schwimmen erstmal mit, organisieren und sind konstruktiv, erst zu einem späteren Zeitpunkt wird das volle Potential ausgeschöpft. Und »Querdenken«-Rechtsanwalt Ralf Ludwig formulierte das andersherum im Herbst 2020 ganz pragmatisch: »Wir marschieren nicht mit der NPD, die NPD marschiert mit uns«. Zweitens aber auch, weil es schwer ist, am Ende der vierten Welle und zu Beginn der fünften Welle – ausgelöst durch die neue Virusvariante Omikron – überhaupt Massen von Menschen zusammenzuführen, die von der Gefährlichkeit des Virus überzeugt sind und deshalb Massenversammlungen meiden.
Demoverbote, Polizei und der Staat
Der Staat und seine Sicherheitskräfte sind nicht neutral. Auch aus diesem Grund fordern wir keine Demoverbote – auch nicht für Coronaleugner:innen und -verharmloser:innen. Es gibt ein Recht auf öffentliche Versammlungen und Demonstrationen. Aber es gibt kein Recht, andere anzustecken und das Leben anderer zu riskieren.
In mehreren Städten haben Polizeikräfte »Corona-Demos« tatsächlich aufgelöst, weil sich die Teilnehmenden demonstrativ nicht an Abstands- und Maskenpflicht gehalten haben, auch nicht bei der An- und Abfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo sie andere anstecken können. Die Regel ist dies beileibe nicht. Meist werden weder Standardauflagen noch Demoverbote durchgesetzt, vielmehr werden Coronaleugner:innen trotz offensichtlicher Verstöße bei Umzügen unbehelligt von Polizeikräften »begleitet«. Umgekehrt gehört die Behauptung angeblicher Verstöße gegen Abstands- und Maskenpflicht bei linken Demos zum Standard-Repressionsrepertoire der Polizei bis hin zur (gewalttätigen) Auflösung von Demos.
Daher ist es wichtig, diese offenkundigen Doppelstandards der örtlichen und regionalen Polizeiführungen und ihrer politischen Verantwortlichen (z.B. Innenminister) öffentlich zu skandalisieren und zu verurteilen und den Schutz des Versammlungsrechts von Gegendemonstrant:innen zu fordern. Ohne uns darauf zu verlassen, unterstützen wir darüber hinaus »Offene Briefe« oder Promi-Aufrufe, in denen die örtlichen und regionalen Polizeiführungen und ihre politischen Verantwortlichen (z.B. Innenminister) aufgefordert werden, Abstandsregeln und Maskenpflicht auch bei »Corona-Protesten« durchzusetzen.
Was tun gegen »Querdenken«?
Gegenaktionen sollten sich als Ziel setzen, die allgemeine Bevölkerung anzusprechen und aufzufordern, sich dem Kampf gegen das Virus anzuschließen, Verschwörungsmythen als solche zu entlarven, Leugner:innen und Verharmloser:innen ihre Ablehnung zu zeigen sowie sich deren Schulterschluss mit alten und neuen Nazis entgegenzustellen. Deshalb muss es eine Debatte über die Mittel und das Ziel der Gegenbewegung geben.
In Wien haben Parteien und Gewerkschaften zu einer Lichterkette um die Wiener Innenstadt in Solidarität mit dem Krankenhauspersonal und in Gedenken an die 13.800 Covid 19-Toten aufgerufen. In Greiz haben Parteien und Kirchen dazu aufgerufen, um eine bestimmte Uhrzeit von allen Balkonen und aus Fenstern Weihnachtslieder und andere Musik über Lautsprecher ertönen zu lassen. Plakatkampagnen, öffentliche Aufrufe, Lichterketten etc. werden zwar nicht ausreichen, um eine sich aufbauende und radikalisierende rechte Straßenbewegung zu stoppen. Sie können jedoch helfen, die schweigende Mehrheit, die im Impfen einen Akt der Solidarität mit den Alten, Kranken und Gefährdeten sieht und die nicht achselzuckend noch mehr Covid-19-Tote hinzunehmen bereit ist, einzubeziehen und zu gewinnen für notwendige Massenproteste. Hier ist die Linke gefragt, Gegenproteste mitzuorganisieren bzw. selbst Bündnisse für Gegenproteste zu initiieren.
Die aktuelle Stärke der Coronaleugner:innen-Bewegung spiegelt den Vertrauensverlust in die Pandemiepolitik der Bundes- und Landesregierungen wider, die wiederholt das baldige Ende der Pandemie und damit der Einschränkungen von persönlichen und politischen Freiheiten angekündigt haben, um dann mit jeder neuen Welle das Gegenteil zu tun. DIE LINKE fordert die sofortige Freigabe der Patentrechte auf die Impfmittel, eine aufsuchende Impfkampagne und einen massiven Ausbau eines staatlichen Gesundheitswesens. Gesundheit darf keine Ware sein.
Foto: Nutshell Fotografie / flickr.com
Schlagwörter: AfD, Coronavirus, Inland, Kampf gegen Rechts, Pandemie