Schlechte Umfragewerte und interne Streitigkeiten setzen die Berliner SPD unter Druck. Mit einem scharfen Angriff auf den Koalitionspartner in der brennenden Mietenfrage wollen die Sozialdemokraten jetzt ihr Profil schärfen. Von Georg Frankl
In der Berliner SPD macht sich Nervosität breit. Kurz vor Weihnachten kritisierten 14 Abgeordnete in einem Brandbrief ihren Fraktionschef Raed Saleh für seine Arbeitsweise und monierten fehlende Konsequenzen aus der Wahlniederlage 2016. Die Umfragewerte sind im Keller, während DIE LINKE sich anschickt zu überholen. Jetzt treten die Sozialdemokraten die Flucht nach vorne an und attackieren die Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher frontal.
In einer Resolution gibt die SPD-Fraktion der LINKE-Politikerin und ihrer Behörde die Schuld für die Wohnungsmisere in Berlin: Der Neubau käme unter ihrer Führung zu langsam voran. Dabei ist Lompscher erst seit einem Jahr im Amt. Zuvor wurde das Ressort über zwanzig Jahre lang von Sozialdemokraten geführt. Die SPD ist tief verstrickt in den Berliner Filz aus Bauwirtschaft, Behörden und Politik.
Immobilienfilz statt Bürgerbeteiligung
Die SPD-Fraktion fordert daher eine Lenkungsgruppe unter der Ägide von SPD-Bürgermeister Michael Müller, um die Senatorin und die Bezirksämter zu entmachten. Auf Bürgerbeteiligung soll bei Neubauprojekten von nun an weniger Rücksicht genommen werden. Außerdem streben die Sozialdemokraten eine engere Zusammenarbeit mit privaten Immobiliengesellschaften an: »Eine alleinige Fokussierung der Landespolitik auf die öffentlichen Unternehmen würde (…) den Notwendigkeiten des weiteren Wohnungsbaus nicht gerecht. Der Senat muss auch mit dem weitaus größten Teil der privaten Wohnungswirtschaft eine verlässliche Partnerschaft praktizieren.«
Kaum verwunderlich, dass die Immobilienwirtschaft die SPD-Pläne ausgiebig lobt. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) wittert nun die Chance, endlich lang geplante Bauprojekte gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen: Für den Neubau müssten »alle Bauland-Reserven auf den Prüfstand gestellt werden, und da brauchen wir auch wieder eine Diskussion um das Tempelhofer Feld oder die Elisabeth-Aue«, erklärte BBU-Sprecher David Eberhart. Die Bebauung des Tempelhofer Feldes mit Luxuswohnungen wurde 2013 durch ein erfolgreiches Volksbegehren verhindert.
Die Wohnungspolitik der LINKEN, die vor allem auf günstigen Wohnraum in öffentlicher Hand ausgerichtet ist, ist Investoren und Immobilienhaien ein Dorn im Auge. Das bekam bereits der renommierte Mietenaktivist Andrej Holm zu spüren, der kurzzeitig Staatssekretär unter Katrin Lompscher war. Kaum im Amt wurde er Opfer einer fadenscheinigen Kampagne, in der ihm Tätigkeiten für die Stasi unterstellt wurden. Auch Sozialdemokraten schlossen sich seinerzeit dieser Kampagne an.
»Gutes Regieren« mit der SPD ist eine Illusion
In den Koalitionsverhandlungen legte DIE LINKE viel Wert auf eine bessere Form der Zusammenarbeit. Unter dem Stichwort »Gutes Regieren« wurden Verabredungen getroffen, um Krach und Profilierung auf dem Rücken der Koalitionspartner zu vermeiden. Konflikte sollten in vertraulichen Gesprächen und im Koalitionsausschuss möglichst ruhig beseitigt werden.
Obwohl sich bereits in der Causa Holm gezeigt hatte, was diese Verabredungen in der Praxis wert sind, hat sich DIE LINKE stets daran gehalten und es vermieden, die Koalitionspartner offen anzugreifen. Während die Grünen Katrin Lompscher verteidigen und das Versagen der SPD in der Wohnungspolitik anprangern, will man aus den Reihen der LINKEN die Attacken auf die eigene Senatorin nicht kommentieren. Weder »die LINKE Berlin noch unsere Senator*innen stehen der SPD-Fraktion als Punchingball für ihre internen Machtkämpfe zur Verfügung«, erklärte Landeschefin Katina Schubert auf Twitter. Laut Zeitungsberichten will DIE LINKE das Papier der SPD-Fraktion erst einmal prüfen. Immerhin stellte der Pressesprecher der Abgeordnetenhausfraktion klar: »Wenn es nur darum geht, den privaten Unternehmen den roten Teppich für deren Verwertungsinteressen auszurollen, werden wir nicht mitgehen.«
Zum Autor: Georg Frankl ist Mitglied der LINKEN in Neukölln
Foto: UweHiksch
Schlagwörter: Berlin, Holm, Immobilienfilz, Immobilienwirtschaft, Linke, R2G, Regierungsbeteiligung, Rot-Rot-Grün, Senat, SPD, Wohnungspolitik