Milliarden für Rüstung und neue US-Raketen in Deutschland: Warum die Bundesregierung trotz Krise und leerer Kassen die Aufrüstung vorantreibt. Von Jürgen Ehlers
Die Waffenlieferungen der Nato an die Ukraine sind von Anfang an damit verbunden gewesen, Einfluss auf die Kriegsziele der Regierung um Wolodymyr Selensky zu nehmen. Das bedeutet nicht, dass die ukrainische Regierung eine Marionette des Westens ist. Aber die Lieferung von Waffensystemen durch den Westen, die eine unkontrollierte Eskalation im Krieg mit Russland hätten auslösen können, ist ausgeblieben. Die Folge ist, dass das von Selensky ursprünglich ausgegebene Kriegsziel, auch die Krim zurückerobern zu wollen, inzwischen fallengelassen worden ist. Stattdessen wird von ukrainischer Seite signalisiert, dass man bereit wäre, von Russland besetzte Gebiete abzutreten, sofern die Bevölkerung dem zustimme.
Trotz Geländegewinnen würde Russland als Verlierer aus dem Krieg um die Ukraine hervorgehen. Aus Putins »Spezialoperation«, die mit der Ukraine kurzen Prozess machen sollte – um sie nicht an die Nato zu verlieren – ist längst ein blutiger Abnutzungskrieg geworden. Außerdem sind Schweden und Finnland, zwei Staaten mit einer hochgerüsteten und gut ausgebildeten Armee, nach dem Überfall der Nato beigetreten. Die Außengrenze Russlands zum feindlichen Militärbündnis hat sich dadurch um 1.340 km verlängert und die Ostsee wird seitdem rundherum von Marinestützpunkten der Nato kontrolliert. Zudem rüsten Deutschland und die übrigen Nato-Staaten nun verstärkt auf und die Bundeswehr verlegt demnächst eine Kampfbrigade mit 5.000 Soldat:innen nach Litauen.
Besonders brisant ist aber, dass ab 2026 neue Mittelstreckenraketen durch die USA in Deutschland stationiert werden sollen. Diese neuen Raketensysteme der USA haben eine Reichweite von gut 3.000 km und können damit Moskau erreichen. Neben den sehr präzisen nur äußerst schwer abzuwehrenden Marschflugkörpern werden Hyperschallraketen stationiert, die auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Durch ihre hohe Geschwindigkeit von 6.200 km/h haben sie eine extrem kurze Vorwarnzeit und lassen dem Gegner kaum eine Chance zur Abwehr.
Nato-Nachrüstung 2.0
Diese Pläne knüpfen an die taktischen Überlegungen an, die sich zu Beginn der 1980er Jahre hinter der sogenannten Nato-Nachrüstung verbargen. Schon damals ging es nicht um eine »Nachrüstung«, sondern um den Plan der USA mittels kaum abzuwehrender, sehr zielgenauer Marschflugkörper und bunkerbrechenden Mittelstreckenraketen einen begrenzten Atomkrieg führen zu können. Diese Atomraketen waren somit taktische Waffen, die in einem ansonsten mit konventionellen Mitteln geführten Krieg, der Nato einen Vorteil verschaffen konnten.
Die damalige Sowjetunion verfügte zu dem Zeitpunkt nicht über derartig Fähigkeiten und hätte auf einen solchen Angriff nur um den Preis der Selbstvernichtung mit dem Einsatz ihrer strategischen Atomwaffen reagieren können. Diese strategischen Atomraketen bildeten in Ost und West seit den 1950er Jahren das Rückgrat für das sogenannte »Gleichgewicht des Schreckens«.
Die herrschende Klasse in der Sowjetunion sah keine Chance, diesen Nachteil ausgleichen zu können. Um mit den USA gleichziehen zu können, hätte der schon niedrige Lebensstandard der Bevölkerung noch weiter abgesenkt werden müssen und damit die Gefahr von Unruhen vergrößert. Die Entwicklung und Produktion dieser Technik wäre nicht anders zu finanzieren gewesen, da das Land bereits hoch verschuldet war. Der Vorsprung der USA in der Waffentechnik, basierend auf einer überlegenen Leistungsfähigkeit der Industrie, führte also letztlich zum Sieg im Kalten Krieg.
Die für 2026 geplante Raketenstationierung ist keine verspätete Reaktion auf die 2015 – ein Jahr nach der Annexion der Krim – durchgeführte Stationierung von Raketen durch Russland in seiner Enklave Kaliningrad, die über eine Reichweite von bis zu 700 km verfügen. Die von den USA entwickelten Waffensysteme sind den in Kaliningrad stationierten deutlich überlegen.
Neben Hyperschallraketen, eine Technik über die auch Russland und China verfügen, werden modernste Boden-Luft-Raketen vom Typ SM-6 stationiert, die in der Lage sind, Marschflugkörper und – so wird von der deutschen Rüstungsindustrie kolportiert – auch Hyperschallraketen abzufangen. Mehr noch, in Verbindung mit Aufklärungsflugzeugen und Satelliten kann sie auf Raketenstarts außerhalb des Radarhorizonts reagieren. Damit erhöht sich die Vorwarnzeit erheblich, ein entscheidender Vorteil für die Nato.
Keine Fähigkeitslücke
Es handelt sich dabei also nicht um »eine durchaus ernst zu nehmende Fähigkeitslücke in Europa«, die geschlossen werden muss, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius behauptet. Die Raketen dienen vielmehr dazu, eine bereits bestehende Überlegenheit der Nato gegenüber Russland, weiter auszubauen. Die europäischen Nato-Partner haben damit begonnen, ihrerseits diese Raketentechnik zu entwickeln, um zukünftig von den USA unabhängiger zu sein. Sie können dabei auf Erkenntnisse der deutschen Rüstungsindustrie zurückgreifen. Der europäische Rüstungskonzern MBDA hatte bereits 2003 erfolgreich mit der Entwicklung von Komponenten für Hyperschallraketen begonnen.
Die Ausgaben für Rüstung durch die USA sind seit Jahrzehnten mit großem Abstand die höchsten weltweit. Allein 2023 waren es 916 Milliarden US-Dollar, wie das anerkannte Stockholmer Friedensinstitut SIPRI vermeldet. Die Ausgaben Russlands nehmen sich dem gegenüber mit 109 Milliarden US-Dollar fast bescheiden aus.
Und selbst wenn sich die USA komplett aus der Nato zurückziehen würden – was sie auf keinen Fall tun werden, um die Kontrolle über das Bündnis nicht zu verlieren – würden die Rüstungsausgaben der europäischen Nato-Staaten mit zusammen 310 Milliarden US-Dollar immer noch fast das Dreifache der russischen betragen. Ein gewaltiges Ungleichgewicht, das nicht mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 oder der Annexion der Krim 2014 erklärt werden kann. Denn bereits 2008 waren die Rüstungsausgaben der Nato in Europa ohne die der USA sogar viermal so hoch wie die Russlands. Die USA haben in dem Jahr sogar zehnmal soviel wie Russland in Panzer, Schiffe, Raketen und Flugzeuge investiert.
Keine Friedensdividende
Entgegen dem in der Öffentlichkeit gezeichneten Bild, hat auch Deutschland jahrzehntelang sehr viel Geld in die Rüstung gesteckt. Die sogenannte »Friedensdividende« nach dem Ende des Kalten Krieges, die von den USA so heftig kritisiert worden ist, stellt lediglich eine Angleichung an die Ausgabenhöhe der übrigen westlichen Nato-Mitgliedsstaaten gemessen am Bruttoinlandsprodukts (BIP) dar. Die neuen Mitglieder aus dem ehemaligen Warschauer Pakt haben eine höhere Belastung, weil sie ihre Waffensysteme aus russischer Produktion schrittweise ersetzen mussten und Frankreich und Großbritannien haben beide höhere Ausgaben, weil sie über kostspielige Atomwaffen verfügen.
Die Rüstungsausgaben Westdeutschlands lagen bis 1990 immer deutlich über 2,5 Prozent – phasenweise sogar über 3 Prozent – des BIP. Die immer wieder aufgestellte Behauptung, die Bundeswehr sei nach Ende des Kalten Krieges kaputt gespart worden und deswegen nicht mehr »kriegstüchtig«, ist falsch.
Die Konfrontation zwischen Nato und Warschauer Pakt war mit einem Kriegsszenario verbunden, das von großen Panzerschlachten ausging. Nach Auflösung des Warschauer Paktes sind deswegen vor allem große Bestände der Bundeswehr an Kampfpanzern und die dazu gehörige Logistik eingemottet oder verkauft worden.
Umbau zur Interventionsarmee
Die Nato hat sich nach dem Ende des Kalten Krieges nicht nur nach Osten erweitert, sondern auch ihr Einsatzgebiet in der gesamten Welt noch weiter ausgedehnt. Dafür benötigte die Bundeswehr eine andere Struktur und Ausrüstung. Das wurde sorgfältig geplant und ist in den letzten 30 Jahren systematisch umgesetzt worden.
Dieser Umbau der hat hohe Kosten verursacht. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung und der Bau eines weltweit einsetzbaren Transportflugzeuges. Dazu schreibt die Luftwaffe: »Der erste Airbus A400M wurde am 18. Dezember 2014 an die Bundeswehr übergeben. Aktuell verfügt die Luftwaffe über 42 Stück. Bis Ende 2026 soll die Auslieferung von insgesamt 53 Maschinen an Deutschland abgeschlossen sein.« Der Stückpreis lag schon vor zehn Jahren bei 190 Millionen Euro.
Weitere Beispiele liefert die Marine, die neben 17 neuen Fregatten – Stückpreis 1,4 Milliarden Euro – und diversen anderen Schiffen einen völlig neu entwickelten Schiffstyp bekommt. Die Marine erklärt stolz: »Das MKS Mehrzweckkampfschiff soll also in der Lage sein, einerseits überall auf der Welt und für lange Zeit große Seeräume zu patrouillieren, Embargos zu überwachen und notfalls deutsche Staatsbürger aus Krisensituationen zu evakuieren, andererseits sich notfalls aber auch im Nordatlantik oder Mittelmeer im Seegefecht gegen andere Kriegsschiffe seiner Art und U-Boote durchsetzen können. Ein einzelner Schiffstyp konnte so ein breites Aufgabenspektrum bisher nicht erfüllen.« Der Stückpreis liegt bei mindestens 5,3 Milliarden Euro.
Afghanistan lässt grüßen
Bei der veränderten Zielplanung und Aufgabenverteilung in der Nato nach Endes des von ihr gewonnenen Kalten Krieges geht es verstärkt um die weltweite Verfolgung von politischen und ökonomischen Zielen mit militärischen Mitteln, so wie in Afghanistan, am Horn von Afrika, im Indischen Ozean und im Pazifik. Rohstoffquellen, Handelswege, der Zugang zu Märkten und damit das Absichern von strategischen Einflusssphären stehen dabei im Mittelpunkt.
»Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wir heute auch am Hindukusch verteidigt.« Mit dieser Behauptung rechtfertigte 2002 der damalige Verteidigungsminister Peter Struck den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, der nach Berechnungen des Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) mehr als 17 Milliarden Euro gekostet hat. Der Einsatz endete in einem Fiasko und hat die Sicherheit Deutschlands keinesfalls erhöht. Daran sollten alle erinnert werden, die jetzt Pistorius beipflichten, der die Teilnahme der Bundeswehr an Manövern im Indopazifik mit dem selben Pathos rechtfertigte, wie sein Vorgänger Struck zwanzig Jahre zuvor: »Das, was wir hier tun, ist richtig und notwendig, um unser aller Stabilität und Sicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten.«
China ist in dieser Region, in der die Bundeswehr jetzt an Manövern teilgenommen hat, der größte Konkurrent der USA und der EU im Kampf um strategisch wichtige Einflusssphären in Afrika, Indien, Indonesien bis nach Taiwan. China und Russland haben kurz vor dem Überfall auf die Ukraine eine strategische Partnerschaft »ohne Begrenzungen« geschlossen, die vor kurzem von beiden Seiten noch einmal bekräftigt worden ist. Es haben sich neue Allianzen gebildet, die die Vormachtstellung der USA und ihrer Verbündeten herausfordern. Der Krieg in der Ukraine ist ein Teil davon.
Über die Konflikte um die Grenzen von Hoheitsgewässern im Pazifik, die von China mit dem Bau von künstlichen Inseln und darauf errichteten Militärstützpunkten ausgelöst worden sind oder die Drohungen gegenüber Taiwan sollte nicht vergessen werden, dass die chinesische Regierung eine Politik verfolgt, die bis dahin von den USA und seinen Verbündeten mit anderen Mitteln auch betrieben worden ist.
Krise, Handelskrieg und Rüstung
Das alles das ist Ausdruck einer sich langsam aber kontinuierlich vertiefenden Krise des Kapitalismus, die sich in der immer offener ausgetragenen imperialistischen Konkurrenz widerspiegelt. Die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 ist nicht überwunden. Die weltweite Niedrigzinspolitik ist ohne die erhoffte Wirkung geblieben. Während das Wirtschaftswachstum gering und fragil ist, haben die niedrigen Zinsen an den Börsen zu Spekulationsblasen geführt.
Der Grund für die krisenhafte Entwicklung ist, dass es in den für den Kapitalismus wichtigen Industriebranchen, in denen viel Kapital gebunden ist, große Überkapazitäten gibt. Das führt zu sich verschärfenden Handelskriegen, ausgetragen über Importzölle.
Diese Entwicklung hat weltweit hohe und weiter steigenden Rüstungsausgaben zur Folge. Es gibt einen Zusammenhang von niedrigen Wachstumsraten und Rezession auf der einen und sich zuspitzender imperialistischer Konkurrenz auf der anderen Seite. Wenn das Wachstum der nationalen Wirtschaft nur noch auf Kosten der internationalen Konkurrenz möglich scheint, dann muss diese geschwächt oder noch besser ausgeschaltet werden. Diese Logik hat der französische Sozialist Jean Jaurès vor dem Ersten Weltkrieg sehr treffend auf den Punkt gebracht: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.«
Unruhige Heimatfront
Im Niederringen der internationalen Konkurrenz mit handelspolitischen Mitteln hat es Deutschland auf den Weltmärkten sehr weit gebracht. Immer wieder hat es die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten geschafft, »Exportweltmeister« zu werden. Nicht die einzige aber eine wichtige Rolle hat dabei die Fahrzeugindustrie gespielt.
Die Wirtschaftskrise ist in Deutschland längst mit einer Strukturkrise verbunden, die vor allem die Automobilindustrie und vielen Zulieferbetriebe erfasst hat. Nur 80 Prozent der Produktionskapazitäten in der gesamten Industrie sind gegenwärtig ausgelastet, klagte jüngst der BDI-Chef Siegfried Russwurm.
Dabei befindet sich der Umstieg vom Verbrenner auf die E-Mobilität noch in der Anfangsphase, aber bereits jetzt ist erkennbar, dass er voll zulasten der Beschäftigten zu gehen droht. Continental plant 7.000 Beschäftigte zu entlassen, Bosch 15.000 und SAP 10.000. Thyssen-Krupp hat eine Zusage von Subventionen in Höhe von 2 Milliarden Euro erhalten, um die Stahlproduktion zu modernisieren, trotzdem will der Konzern seine Produktionskapazitäten verringern und Leute entlassen, obwohl es eine Vereinbarung mit der IG Metall gibt, nach der bis 2026 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind.
Der immer wieder beklagte Fachkräftemangel sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Menschen nicht einfach adäquate Arbeitsplätze in anderen Branchen angeboten bekommen oder annehmen können. Der Fachkräftemangel ist da besonders groß, wo die Arbeitsbedingungen schlecht und die Bezahlung niedrig ist.
Das Ende der Niedrigzinspolitik hat nicht nur die Bauwirtschaft hart getroffen sondern auch viele Insolvenzen in anderen Branchen ausgelöst. Etwa 133.000 Beschäftigte sind davon im ersten Halbjahr 2024 betroffen gewesen. Der schon bestehende hohe Konzentrationsgrad vor allem im sogenannten Dienstleistungssektor hat durch die Krise besonders stark zugenommen. Die Folge sind steigende Preise auf der einen und sinkende Löhne auf der anderen Seite.
Drohende »Agenda 2030«
Reallohnverluste, steigende Arbeitslosigkeit, hohe Steuerausfälle, wachsende Rüstungsausgaben und Rezession stellen eine explosive Gemengelage dar. Es droht eine Neuauflage der Schröderschen »Agenda 2010«. Das Zusammenstreichen der Kindergrundsicherung vom Finanzminister Christian Lindner mit Zustimmung von Bundeskanzler Olaf Scholz war erst der Anfang. Die Kürzung des Bürgergelds wird von der CDU ebenso wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters gefordert. Der Klassenkampf von oben ist nicht nur ein Teil des Wahlprogramms für den nächsten Bundestag, er findet jetzt statt.
Jeder Euro, der für die Rüstung ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle. Das gilt für Transferleistungen ebenso wie für Bildung, Krankenhausversorgung, Pflege, für alle Infrastrukturprojekte und den Klimaschutz. Die Forderung nach einem Aussetzen der Schuldenbremse scheint daher naheliegend, kann aber leicht davon ablenken, dass es eigentlich um einen Verteilungskampf geht.
Auf der einen Seite die Umverteilung der bereits bestehenden riesigen Vermögen in den Händen weniger und der Unternehmensgewinne über die Lohnkämpfe und auf der anderen Seite die Verteilung des Reichtums über die Steuer- und Haushaltspolitik. Das Lösen der Schuldenbremse ist dann eine geeignete Übergangsforderung, wenn die Zinsen niedrig sind. Aber von jeder Zinserhöhung profitieren nur die Anleger:innen an den Finanzmärkten, während der Staatshaushalt durch den Schuldendienst stärker belastet wird.
Keine Raketenstationierung!
Die Stationierungspläne haben in der SPD, ausgelöst durch ihren Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Rolf Mützenich, zu einer Kontroverse geführt. Eine offene Diskussion darum wurde mit einem Beschluss für die Stationierungspläne durch das Parteipräsidium schnell unterbunden. Nach einer aktuellen Umfrage lehnen 47 Prozent der Bevölkerung in Deutschland die Stationierungspläne ab, weil sie befürchten, dass damit eine direkte militärische Konfrontation zwischen Nato und Russland wahrscheinlicher wird. Die SPD fürchtet eine kritische Debatte in der Öffentlichkeit, die dazu führen könnte, dass sich die Zahl der Stationierungsgegner vergrößert. Die Parteiführung wird sich an die Massenprotesten zu Beginn der 1980er Jahre gegen den Nato-Doppelbeschluss unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt erinnert haben.
Die steigenden Rüstungsausgaben, die unabhängig von den Raketenstationierungsplänen längst beschlossenen sind, werden nach den Plänen der Ampel weitere Kürzungen und Streichungen in allen anderen Haushaltsetats zur Folge haben. Die in der ersten Jahreshälfte 2025 anstehende TVÖD-Runde ist damit unmittelbar Teil eines Verteilungskampfes zwischen Rüstungsausgaben und allen Belangen der öffentlichen Daseinsvorsorge. In einem Demonstrationsaufruf von ver.di und GEW aus Anlass der beginnenden Tarifverhandlungen heißt es deswegen zurecht:
»… das Geld für die jährliche Aufrüstung wird künftig im sozialen Bereich fehlen: für Klimaschutz, Gesundheit, Bildung, Kultur, Integration, Gleichstellung, für den Wohnungsbau und das Verkehrswesen etc. Diese unsoziale, neoliberale Politik ist der Nährboden für den Aufstieg der AfD und dass die Gesellschaft immer mehr ins Rechtsextreme kippt. Die verschärfte Asyl-Politik der Ampel-Regierung, getrieben von CDU/CSU und AfD, sorgt zusätzlich für gesellschaftliche Spaltung, für Hass und Hetze gegen Geflüchtete, Asylsuchende und Migrant*innen. Sie macht aus Opfern die Sündenböcke für diese Politik.«
Die Linke muss die Tarifrunde als Chance begreifen, um gewerkschaftliche und politische Kämpfe miteinander zu verbinden. Es geht um nicht weniger als eine Richtungsentscheidung für die Politik der nächsten Jahre.
Mehr über das Wettrüsten zwischen Nato und Warschauer Pakt und den Nato-Doppelbeschluss von 1979 sowie die dahinter liegenden Ursachen erfährst du in der Broschüre »… Politik mit anderen Mitteln«, herausgegeben von der Sozialistischen Arbeitergruppe im Jahr 1981. Hier zum Download verfügbar.
Foto: U.S. Indo-Pacific Command / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0
Schlagwörter: Aufrüstung, Bundeswehr, Imperialismus, Inland, Rüstungswettlauf