Das erste Mal seit dem Zusammenbruch von Hitlers Diktatur hat eine faschistische Partei eine Landtagswahl gewonnen. Ein Weckruf für alle anderen Parteien, so könnte man meinen. Doch bereits am Tag danach wurde klar, dass sie nichts an ihrer Politik ändern werden. Dennoch gibt es Hoffnung. Von Bernhard Seidel
Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind eine Zäsur. Nicht nur, weil eine faschistische Partei erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine Landtagswahl gewonnen hat. Sondern auch weil die AfD viel Zustimmung in der Arbeiterklasse erhalten hat. So wählten in Thüringen laut einer Umfrage die Hälfte derjenigen, die sich selbst als »Arbeiter« einstufen, die AfD. Das liegt deutlich über den 33 Prozent, die die AfD insgesamt holte. Unter den Jungwähler:innen wählten sie laut derselben Umfrage 38 Prozent. Das ist zwar nur leicht überdurchschnittlich, aber das kann kein Trost sein. Die Lage ist ernst. Das festzustellen, ist unumgänglich. Aber das reicht nicht, denn damit ist noch nicht geklärt, wie es so weit kommen konnte.
Zuerst einmal muss man bereit sein anzuerkennen, dass die Wut und die Unzufriedenheit der Wähler:innen wirkliche Grundlagen haben. Das eigentliche Problem sind nicht die Geflüchteten. Deutschland konnte unter Angela Merkel viele Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Heute tun AfD, SPD und Union trotzdem so, als würden Menschen, die nach Deutschland fliehen, das Land an den Rand des Abgrunds führen.
Es ist natürlich ein Problem, wenn die Steuerpolitik zugunsten der Reichen und Konzerne sowie die Schuldenbremse die Kommunen so nah an den Rand der Handlungsfähigkeit drängt, dass es ihnen schwer fällt, Geflüchtete angemessen unterzubringen und bei der Integration zu unterstützen. Genauso wie es für alle anderen Menschen ein Problem ist, wenn man in den Großstädten kaum noch bezahlbaren Wohnraum findet. Es ist ein Problem, wenn der öffentliche Nahverkehr und die Bahn kaputtgespart sind. Es ist ein Problem, wenn man Brücken nicht mehr richtig befahren kann. Es ist ein Problem, wenn die regierenden Parteien das Gesundheitswesen so auf Kante nähen, dass immer größere Lücken in die Versorgung auf dem Land gerissen werden und es selbst in einer Großstadt schwierig ist, einen Termin beim Orthopäden zu bekommen, wenn man nicht privat versichert ist.
Von Abstiegsängsten und Sündenböcken
Die Liste ließe sich lange fortführen. Aber die Grundlage für Wut und Unzufriedenheit liegt noch tiefer. Vielen Menschen geht es heute nicht besser als zu Anfang der 2010er Jahre. Im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts mussten sie Einkommensverluste hinnehmen, das änderte sich erst 2013. Aber dieses zwischenzeitliche Plus hat die Inflation mittlerweile wieder aufgezehrt. Nach zehn Jahren stehen sie wieder dort, wo sie nach einem jahrelangen Abstieg schon einmal waren. Neben diesen Abstiegsängsten gibt es die Angst vor einer Eskalation des Kriegs in der Ukraine. Diese Angst ist real und begründet. Ungerührt davon eskalierte die Ampel, allen voran die Grünen, den Konflikt mit Russland.
Die Ampel trat vor knapp drei Jahren als selbsternannte »Fortschrittskoalition« an und hat seitdem nichts spürbar verbessert, sondern stattdessen neue Unsicherheiten geschaffen. Das hat es der AfD erlaubt, die vielen Probleme aufzugreifen und rassistisch umzudeuten. Sie verkauft ihren Wähler:innen die Botschaft, dass in einem Land, das für alle sichtbar langsam auseinanderfällt, alles Mögliche für Migrant:innen getan würde, aber nichts für die einheimische Bevölkerung. Sie kann ihnen weismachen, dass die absurdesten Dinge für eine queere Minderheit umgesetzt würden, aber nichts für den gemeinen deutschen Arbeiter, der doch eine Familie zu ernähren hätte. Sie lenkt die Wut auf eine vermeintlich links-grüne Elite ab und stellt sich damit schützend vor die wirklichen Eliten.
Die AfD verschränkt erfolgreich Soziales mit Rassismus und Vorurteilen. Deswegen wird sie heute gewählt. Das bedeutet nicht, dass alle Wähler:innen der AfD Faschist:innen wären. Aber es bedeutet, dass die Nazis sich das erste Mal seit 1968 wieder festsetzen konnten. Möglich wurde das durch die längste rassistische Kampagne, die in Deutschland seit dem Ende des Dritten Reichs geführt wurde. Sie begann Ende der 1990er, mit dem 11. September nahm der antimuslimische Rassismus der bürgerlichen Mitte Fahrt auf und 2010 machte Thilo Sarrazin mit seinem Bestseller »Deutschland schafft sich ab« den Rassismus salonfähig.
Man macht sich ein falsches Bild vom Aufstieg der NSDAP, wenn man denkt, erst sie hätte den Antisemitismus hoffähig gemacht. Hitler hat einen im Bürgertum bereits weit verbreiteten Antisemitismus genutzt und radikalisiert, bis hin zu Auschwitz. Was der Antisemitismus für Hitler war, ist der Antiislamismus für die AfD. Ohne die jahrzehntelange Kampagne der konservativen bürgerlichen Mitte wäre der Durchbruch der Faschist:innen um Björn Höcke nicht möglich gewesen.
Die AfD selbst ist ein Bündnis aus Faschist:innen und bürgerlichen Rechtsaußen wie Erika Steinbach oder Alice Weidel, in dem der faschistische Flügel um Höcke das Sagen hat. Alice Weidel ist zwar Co-Parteivorsitzende, aber nur weil der Höcke-Flügel sie toleriert, um anschlussfähig ans bürgerliche Lager zu sein.
Rechtsruck der etablierten Parteien: Die Union
Unter Friedrich Merz rückte die Union nach rechts. Liberalere Geister in der CDU mögen sich von Merz boshafter Wortwahl abgrenzen, aber sie widersprechen ihm nicht in der Sache. Merz verunglimpfte Flüchtlinge aus der Ukraine als »Sozialtouristen« und in Deutschland geborene Kinder von Einwander:innen als »kleine Paschas«. Im Rückblick urteilte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien über die letztere rassistische Einlassung: »Ich würde solch eine Ausdrucksweise selber nie wählen. (…) Dennoch hat er natürlich in dieser Zeit einfach den Finger in die Wunde gelegt.« Die wenigsten CDU-Politiker:innen sind wirkliche Rassist:innen. Aber sie sind bereit, den Rassismus gezielt einzusetzen. Sie pflegen ein taktisches Verhältnis zu ihm.
Sicherlich hoffen Unionspolitiker:innen durch die Rekonstruktion ihres konservativen »Markenkerns«, den sie unter Merkel verloren zu haben glaubten, wieder Wählerstimmen von der AfD zurückzugewinnen. Tatsächlich funktioniert das aber nicht. Oberflächlich besehen blieb die CDU in Sachsen und Thüringen stabil. Tatsächlich verlor sie aber Stimmen an die AfD und das BSW. Diese Verluste wurden von Wähler:innen ausgeglichen, denen es wichtig war, den Einfluss der Faschist:innen zu begrenzen. 52 Prozent derjenigen, die der CDU in Sachsen ihre Stimme gaben, stimmten in einer Umfrage der Aussage zu: »Ich wähle nur CDU, damit die AfD nicht zu viel Einfluss bekommt.«
In Brandenburg sehen wir das entgegengesetzte Bild. Dort gewann die SPD. Aber es ist dasselbe Muster: SPD oder CDU erscheinen nur stark, wenn sie es schaffen, Unterstützer:innen anderer Parteien davon zu überzeugen, sie zu wählen, um die AfD einzuhegen. Das ist kein Ausdruck der Stärke, sondern ein Zeichen von Schwäche.
Obwohl es der CDU offensichtlich nicht gelingt, Wählerstimmen von der AfD zurückzugewinnen, wird Merz nicht umschwenken. Das vor sechs Jahren ausgegebene Ziel, die AfD zu halbieren, hatte er ohnehin schon länger aufgegeben.
Taktischer Rassismus
Angesichts der Rezession, in der Deutschland steckt, steigt der Druck Sozialausgaben zu kürzen, um Steuererleichterungen zu finanzieren. Das Irrlichtern der FDP zeigt das an. Das Bürgertum will härtere Einschnitte. Mit der Ampel geht das aber nicht, weil die SPD solche Angriffe derzeit nicht durchhalten würde. Merz lässt deshalb immer wieder durchscheinen, dass er die Ampel gerne schon vor der nächsten regulären Wahl beerben würde.
Indem er die Ampel in einen Wettlauf um die härteste Einwanderungspolitik trieb, versuchte er, sie weiter zu destabilisieren. Sein Kalkül ging auf. Die Spitze der Grünen, rechter und linker Flügel, trugen den Rechtsruck der Ampel mit und haben offensichtlich Teile ihrer Basis an den Rand dessen getrieben, was sie noch ertragen können. Der geschlossene Austritt der Bundesspitze der Grünen Jugend zeugt davon.
Der Bundestagswahlkampf der Union droht häßlich zu werden. Nicht, weil die Union von der AfD getrieben wird, sondern weil die Union mit ihrem Kurs eigene Ziele verfolgt. Es gibt in der Union eine lange Tradition, den Rassismus taktisch einzusetzen. Diese Tradition ist unter Merkel nicht verschwunden, sie war immer da. Die CDU weiß, dass man einen Sündenbock braucht, wenn man Angriffe auf den Lebensstandard der Mehrheit plant.
Als sie das zuletzt tat, endete es in offenem Terror. 1989 begann die Kohl-CDU eine Kampagne gegen den angeblichen Missbrauch des Asylrechts. Damit gab sie den Nazis das Gefühl, den Volkswillen vertreten zu können. Die brannten Wohnhäuser nieder und stachelten einen rassistischen Mob vor Flüchtlingsunterkünften auf.
Es zeichnet sich für die nächsten Jahre ab, dass ein rechter Pol aus Union und AfD die Politik prägen wird. Es gibt Kräfte in der Union, die dieses Pfund gerne einsetzen würden.
Die CSU kann wegen ihrer Eigenständigkeit die Rolle eines rechten Spielbeins der Union einnehmen. Wir erinnern uns, dass es damals CSU-Chef Seehofer war, der die Migration zur »Mutter aller Probleme« erklärte und Merkel auf einem CSU-Parteitag förmlich auflaufen ließ.
Heute sucht der CSU-Vize Manfred Weber, der gleichzeitig Vorsitzender der EVP (Europäischen Volkspartei) ist, die Nähe zur italienischen Ministerpräsidentin Meloni, die eine Faschistin ist. Er gehört zu den Konservativen, für die ein Bündnis mit Nazis eine Perspektive ist. Aber anders als Meloni ist die AfD gegen die Nato und gegen die EU. Beides ist für die Union zentral und die AfD plant derzeit nicht, den Weg von Meloni oder Le Pen zu gehen. Das schließt ein Bündnis zwischen Union und AfD noch aus, auch für Weber, aber das muss nicht so bleiben, insbesondere nicht auf Ebene der Bundesländer.
Die Ampel: Wettlauf nach rechts
Die Ampel suchte ihr Heil in einem Rechtsruck in der Innen- und Asylpolitik. Bereits im Oktober letzten Jahres forderte Olaf Scholz auf dem Titelblatt des Spiegel: »Wir müssen endlich im großen Stil abschieben«. Kurz vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen hat Innenministerin Nancy Faeser publikumswirksam nach Afghanistan abgeschoben. Das hat die SPD aber nicht gerettet.
Es macht fassungslos, der SPD und den Grünen dabei zuzusehen, wie sie mit der Rechten in einen Wettlauf in der Asylpolitik einsteigen. Das erklärt sich damit, dass die Widersprüche der Ampel-Parteien nicht mehr mit Geld zugedeckt werden können.
Mit dem Platzen des Haushalts im November 2023 löste sich der Kitt zwischen den Ampel-Parteien auf. Die Ampel konnte ihre Reformvorhaben nicht umsetzen, weil ihr das Geld ausging. Schulden für etwas anderes als Aufrüstung aufzunehmen, würde die FDP nicht mitmachen, die Reichen und Konzerne in die Pflicht zu nehmen, ist für keine der drei Ampel-Parteien eine Option.
Das Bürgergeld, ein zentrales Projekt der SPD-Linken, ist mittlerweile kaum mehr als ein Hartz-IV unter neuem Namen. Die grüne Familienministerin Lisa Paus lässt sich von Finanzminister Christian Lindner von der FDP vorführen, während der ihr Herzensprojekt, die Kindergrundsicherung, genüsslich zerrupft.
Die Ampel hat den Menschen nichts mehr anzubieten. Gleichzeitig disziplinieren die Landtagswahlen die Ampel, weil derzeit alle drei Parteien in einer Wahl empfindlich verlieren würden. Scholz hat im ZDF-Sommerinterview, das kurz nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen geführt wurde, auf die Frage »Was machen Sie denn jetzt?« geantwortet: »Kämpfen, Arbeit machen und anpacken. Das sind die Dinge, um die es geht.«
Während man einerseits inhaltsleere Durchhalteparolen verbreitet, wird gleichzeitig versucht, Union und AfD weniger Angriffsfläche zu bieten, indem man hart gegen Flüchtlinge vorgeht. Die SPD scheint flügelübergreifend hinter dieser Taktik von Scholz zu stehen. Sogar Kevin Kühnert lobte die Abschiebeaktion von Flüchtlingen nach Afghanistan im ARD-Mittagsmagazin. Und das tat er vor seinem Rückzug, als er noch Generalsekretär der SPD war. Das ist derselbe Kevin Kühnert, der das Gesicht der NoGroKo-Kampagne in der SPD war, die einen »echten Politikwechsel« forderte und sich deshalb gegen die Große Koalition unter Merkel wandte.
Auch die Grünen stehen für ein »Weiter so«. Zwar haben die beiden Parteivorsitzenden nach den Wahlniederlagen ihren Rücktritt angekündigt, aber die neuen Kandidat:innen stehen nicht für einen Politikwechsel. Franziska Brantner vertritt in diesem Duo den rechten Flügel und Felix Banszak den linken. Brantner ist eine Vertraute Robert Habecks und Banszak ebnete 2022 als Parteivorsitzender in Nordrhein-Westfalen den Weg für die Koalition mit der CDU.
Hoffnung trotz Rechtsruck?
Von der Ampel und der Union ist also eher zu erwarten, dass sie die AfD weiter stärken werden. Es gibt aber zwei Gründe für Hoffnung.
Die von den Adlon-Enthüllungen ausgelösten Massenproteste gegen die AfD zu Jahresbeginn hatten eine spürbare Wirkung. In mehreren bundesweiten Umfragen fiel die Partei wieder auf unter 20 Prozent.
Die AfD steht wie alle faschistischen Projekte in Europa vor dem Widerspruch, einerseits bürgerliche Wähler:innen an sich binden zu müssen, andererseits einen faschistischen harten Kern herauszubilden. Dieser Widerspruch lässt sich aushalten, wenn die Nazis ihren bürgerlichen Wähler:innen den Eindruck vermitteln können, einer schweigenden Mehrheit eine Stimme zu verleihen. Er tritt zu Tage, wenn eine Mehrheit in der Bevölkerung die AfD als Nazi-Partei brandmarkt. Deswegen waren die Proteste ein Erfolg.
Die Massenproteste sind erst einmal wieder abgeebbt. Das ist in Massenbewegungen früher oder später immer so, denn wir alle haben ein Leben zu führen. Aber das heißt nicht, dass die Bewegung verschwunden ist. Aus ihr ist »Widersetzen« hervorgegangen. Das Ziel von »Widersetzen« ist massenhafter Widerstand gegen die AfD auf der Straße – nicht nur als symbolischer Protest. Das ist wichtig, weil es nicht nur einen Keil zwischen das konservative, rassistische Umfeld der AfD und den harten faschistischen Kern treibt, so wie die Massenproteste im Februar. Auf längere Sicht kann dadurch auch der faschistische Kern der AfD demoralisiert werden, weil der Faschismus den Anschein der Stärke braucht. Wenn sich ein faschistischer Führer, also Höcke, nicht durchsetzen kann, dann kann das seine Anhängerschaft verunsichern.
In Essen hat »Widersetzen« einen Teilerfolg errungen. Die Blockadeaktionen konnten den Beginn des Parteitags verzögern. Besonders bedeutsam an »Widersetzen« ist die starke gewerkschaftliche Beteiligung, bisher hauptsächlich seitens ver.di. Die gewerkschaftliche Mobilisierung ist eine Basis, um »Widersetzen« auszubauen, so dass ein noch größerer Protest als in Essen möglich wird. Das wird natürlich nicht von alleine geschehen. Die kommenden Monate bis zur Bundestagswahl sind dafür sehr wichtig.
Aber das allein wird nicht genügen. Wenn die neoliberale Politik des politischen Establishments weiterhin alternativlos bleibt, dann erlaubt das der AfD, sich immer wieder von Gegenprotesten zu erholen.
Stimme der Rebellion
In den 2000er und 2010er Jahren gab es eine europaweite Rebellion gegen den Neoliberalismus. Diese Rebellion schwappte bis in die politischen Räume des Establishments hinein. Parteien links der klassischen Sozialdemokratie entstanden und trugen die Rebellion der Straße in die Parlamente.
Diejenigen, die sich von der Bewegung abwandten und in die Regierungen gingen, sind gescheitert, so wie beispielsweise Syriza. Andere haben es eher geschafft, mit der Rebellion in Kontakt zu bleiben und sind lebendig geblieben. Die Linkspartei ist gegenwärtig mit ihrer Politik irgendwo dazwischen zu verorten.
Die Linkspartei trug in ihrer Geburtsstunde die Rebellion der Hartz-IV-Proteste ins Parlament. Damals war sie auf der Höhe der Zeit. Die existentielle Krise der Partei heute speist sich aus zwei Entwicklungen. Erstens ging Die Linke zwar nie in die Bundesregierung, aber sie beteiligte sich an mehreren Landesregierungen. Zweitens flaute die Rebellion gegen den Neoliberalismus außerhalb des Parlaments ab.
Beide Entwicklungen beförderten, dass in der Linkspartei ein Politikertypus die Oberhand gewann, der nicht mehr auf rebellische Opposition setzte. Die Linke führte 2021 einen Wahlkampf, in dem sie sich als linkes Beiboot in einer zukünftigen von der SPD geführten Bundesregierung anbiederte und rutschte damit unter die Fünf-Prozent-Hürde.
Die Linkspartei hat sich von diesem Einbruch bis jetzt nicht erholt. Es gibt gegenwärtig keine rebellische linke Alternative zur trostlosen Politik des Establishments. Aber es gibt Anzeichen, dass sich das wieder ändern könnte.
Erstens sehen wir heute wieder einen Anstieg der Klassenkämpfe. Große Teile der Arbeiterklasse hatten das Selbstbewusstsein, einen Inflationsausgleich zu erkämpfen. Insbesondere ver.di hat einen so offensiven Tarifkampf geführt, dass die Gewerkschaft erstmals wieder einen Mitgliederzuwachs verzeichnen konnte.
Zum zweiten zeigt die Wahlkampagne um Nam Duy Nguyen in Leipzig, dem 40 Prozent der Wähler:innen in Leipzig Mitte-Ost ihre Erststimme gaben, dass Die Linke immer noch Fühlung mit der Wut über die Politik des Establishments aufnehmen kann.
Wie sich die Klassenkämpfe entwickeln und ob sich in der Linken ein neuer Kurs durchsetzt, ist noch offen. Aber es bleibt zu hoffen, dass Nam Duy nicht der einzige bleibt, der wieder die Stimme der Rebellion in die Parlamente trägt.
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