Sally Campbells »Wer war Rosa Luxemburg?« ist Teil der von Edition Aurora herausgegebenen Einführungsreihe in führende Persönlichkeiten der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. David Paenson hat die Broschüre gelesen
Sally Campbell situiert Luxemburg in ihrer Zeit. Sie schildert, wie Luxemburg schon als Gymnasiastin an einem Warschauer Mädchengymnasium rebellierte. So stellte sie sich beispielsweise an die Spitze der Schülerproteste gegen die Zwangsrussifizierung. Ostpolen war nämlich Teil des Zarenreichs. Außerdem trat Luxemburg schon als Schülerin der Untergrundorganisation »Proletariat« bei. Auf Geheiß der SPD-Führung wurde sie schließlich vor 100 Jahren ermordet.
Das Buch ist sehr übersichtlich in siebzehn Kapitel unterteilt. So können bestimmte Abschnitte enorm leicht wieder gefunden werden.
Hat man das Buch einmal zur Hand genommen, möchte man es gar nicht mehr weglegen, weil Campbells Stil so lebendig ist. Wir nehmen an Rosa Luxemburgs Kämpfen teil, so als ob wir selbst dabei wären. Hier kommt der Broschüre zugute, dass Sally Campbell selbst führende Revolutionärin der britischen Arbeiterbewegung ist.
Luxemburg: Arbeiterklasse kann sich selbst befreien
Ein besonderer Schwerpunkt der Broschüre ist Luxemburgs unerschütterlicher Glaube an die Fähigkeit der Arbeiterklasse, sich selbst zu befreien. Als Theoretikerin war sie lange Jahre verantwortlich für SPD-Schulungen. Die Klarheit ihrer Argumentation und ihre Leidenschaft machten sie bei ihrer Zuhörerschaft sehr beliebt. Aber auch auf Antikriegskundgebungen vor vielen Tausenden gelang es ihr, ihr Publikum zu begeistern.
Die Autorin Sally Campbell begleitet Luxemburg bei der Weiterentwicklung des Marxismus. So hat Rosa Luxemburg erklärt, wie ökonomische Streiks den Nährboden für politische Streiks liefern können und umgekehrt. Aus diesem Fundus können wir heute noch zehren.
Luxemburgs Konflikte mit Führern der Arbeiterbewegung
Als Theoretikerin und Aktivistin blieb es Luxemburg nicht erspart, mit anderen Führern der Arbeiterbewegung in Konflikt zu geraten. Hier beschreibt die Broschüre, wie es ihr immer wieder gelang, die SPD-Basis für ihre kämpfende und kompromisslose Haltung zu gewinnen. Letztlich konnte sie jedoch die konservative SPD-Führung nicht von ihrem Sockel stürzen.
Die Frage, wie straff oder breit aufgestellt eine revolutionäre Partei sein sollte, war Streitpunkt zwischen ihr und Lenin. Sie warf Lenin Ultrazentralismus vor. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, Lenins enorme Verdienste in der russischen Revolution zu würdigen.
Luxemburg: Arbeiterräte statt Parlament
Eine sehr aktuelle Debatte ist die Frage des Parlamentarismus. Kann die sozialistische Umwälzung durch die Parlamente erfolgen? Luxemburgs Antwort war ein klares Nein. Die in der Deutschen Revolution von 1918 von unten entstandenen Arbeiterräte waren viel demokratischer und flexibler als das bürgerliche Parlament. Beide ergänzen sich nicht, wie manche Marxisten, etwa Poulantzas, glauben. Sie schließen sich gegenseitig aus.
Luxemburg kritisierte Marx‘ Beschreibung des kapitalistischen Kreislaufs. Nach ihr kann der Kapitalismus nur dann expandieren, wenn er immer neue Märkte gewinnt. Dies führt dann zu Kolonialismus und damit zu Imperialismus. Dass das Kapital – solange die Profite stimmen – sich seinen eigenen Markt schafft, ließ sie nicht gelten. Dies ist eine wichtige Debatte in den Gewerkschaften heute. Diese argumentieren ja oft, man könne die Krise durch Erhöhung der Kaufkraft bekämpfen.
Erst Ende 1918 gründete Rosa Luxemburg die Kommunistische Partei Deutschlands. Das war dann zu spät, um die deutsche Revolution zur Vollendung zu bringen.
Diese kleine Broschüre ist ein wahrer Schatz und — auch dank der Literaturempfehlungen am Ende — eine Einladung, mehr über diese Revolutionärin zu erfahren.
Das Buch:
Sally Campbell
A Rebels Guide: Wer war Rosa Luxemburg?
Edition Aurora 2019
86 Seiten
EUR 6,50
ISBN 978-3-947240-22-7
Schlagwörter: Bücher, Kultur, Revolution, Rezension, Sozialismus