Das Verteidigungsministerium fordert mehr Rüstung und weitere Einsätze der Bundeswehr. Die Linksfraktion beleuchtet in einem »Schwarzbuch« Ursachen und Folgen dieser Entwicklung. Von Lühr Henken
Das »Schwarzbuch. Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr« hat den Anspruch, Kriegsgegnerinnen und -gegner argumentativ auszurüsten. Das ist den Autorinnen und Autoren gelungen. Der Text ist eine wichtige Lektüre für alle, die am Frieden interessiert sind.
Das Buch zeichnet die bundesdeutsche Geschichte der Auslandseinsätze seit 1990 kenntnisreich nach. Detailliert haben die Autorinnen und Autoren die Entschlossenheit der Regierung Kohl herausgearbeitet, die Bundeswehr erstmalig in Auslandseinsätze zu entsenden. Zudem zeigen sie auf, wie Kohl mittels einer Politik der kleinen Schritte versuchte, die Bevölkerung an die zunehmende Militarisierung zu gewöhnen und den sichtbaren Widerstand in der Gesellschaft klein zu halten. Dieser »Kampf um die Köpfe« halte bis heute an.
»Dammbruch« für Kriegseinsätze im Ausland
Bedeutsam ist die im Buch getroffene Einschätzung, dass der völlig fehlgeschlagene erste große Bundeswehreinsatz in Somalia 1993 »vor allem innenpolitisch motiviert« gewesen sei. Er sollte den Widerstand der SPD gegen die Entsendung der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebiets brechen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994, das Auslandseinsätze grundsätzlich erlaubt und sie von einem Parlamentsbeschluss abhängig macht, wird im Buch zu Recht als »Dammbruch« charakterisiert. Die SPD und auch immer mehr Abgeordnete der Grünen stimmten seitdem im Bundestag für Bundeswehreinsätze im Ausland – selbst für Kriegseinsätze wie in Jugoslawien (1999), in Afghanistan (seit 2001) oder zuletzt in Mali, Syrien und Irak.
Seit Beginn des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr nahmen die Auslandseinsätze drastisch zu. Dabei gehe es der Regierung zum einen darum, mit einer Vielzahl an Einsätzen »Handlungsfähigkeit zu beweisen«, zum anderen wolle sie sicherstellen, »dass Deutsche an möglichst vielen Orten mit am Tisch sitzen und Einfluss nehmen können, wenn etwa die Nachkriegsordnung und die Neuaufteilung der Einflusssphären verhandelt« werden. Hintergrund hierfür sei laut »Schwarzbuch Bundeswehr« ein »globaler Wettlauf der großen und mittleren Mächte um Rohstoffe, Märkte und politischen Einfluss, der mit militärischen Mitteln unterfüttert« werde.
Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit Russland
An dem schlechten Verhältnis zu Russland geben die Autorinnen und Autoren richtigerweise der Nato die Schuld: Sie heize den Konflikt »massiv« an und habe zehnmal so hohe Militärausgaben wie Russland. Deutschland unterstreiche »seinen Anspruch als europäische Führungsmacht seit Ausbruch des Konflikts mit Russland« auch durch vielfältige militärische Maßnahmen. Das sei »faktisch die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit Russland.« Dazu gehöre auch der mögliche Einsatz von Atomwaffen: »Die Nato arbeitet daran, die alptraumhafte nukleare Konfrontation des Kalten Krieges wiederherzustellen.«
Das »Schwarzbuch Bundeswehr« formuliert Alternativen, benennt politische Ziele und erhebt Forderungen. »Eine Welt und eine Bundesrepublik Deutschland ohne Armee ist (…) unser langfristiges Ziel. Mit konkreten Abrüstungsschritten kann und muss hier und heute begonnen werden.«
Massive Aufrüstung der Bundeswehr
Die Realität sieht allerdings anders aus. Das »Schwarzbuch Bundeswehr« macht deutlich, dass mit der Umsetzung des von der Regierung unterstützten Nato-Ziels, den deutschen Wehretat von derzeit 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf zwei Prozent zu erhöhen, »eine massive Aufrüstung der Bundeswehr« drohe. Das würde einen Anstieg des Verteidigungshaushalts von derzeit knapp 35 auf 60 Milliarden Euro bedeuten. Als wichtigstes sicherheitspolitisches Dokument stellt das Weißbuch des Verteidigungsministeriums dafür gerade die Weichen. Gegen diese Entwicklungen sollten wir uns zur Wehr setzen.
Das Buch: Rosa-Luxemburg-Stiftung und Fraktion DIE LINKE im Bundestag (Hrsg.) | Schwarzbuch. Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr | Berlin 2016 | 123 Seiten
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Foto: ResoluteSupportMedia
Schlagwörter: Afghanistan, Atomkrieg, Aufrüstung, Auslandseinsätze, Bundeswehr, Bundeswehreinsatz, DIE LINKE, Imperialismus, Inland, Jugoslawien, Krieg, Militär, Militarisierung, NATO, Rosa Luxemburg Stiftung, Russland, Rüstung, Rüstungsindustrie, Somalia