Die Polizeistatistik über Straftaten von Ausländern scheint die Vorurteile der Rassisten zu bestätigen. Doch jetzt wurde erstmals eine Kategorie erfasst, die einen Blick auf Hintergründe ermöglicht. Von Hans Krause
Überzeugte Rassisten brauchen für ihren Hass auf Menschen mit schwarzen Augen und schwarzen Haaren keine Argumente. Sie schieben Einwanderern, Geflüchteten und Migranten die Schuld für alles in die Schuhe, was in Deutschland in den letzten 50 Jahren falsch gelaufen ist.
Neigen Ausländer zu Gewalt?
Ihre angeblichen »Gründe« sind nur vorgeschoben, um ihren Rassismus weniger dumm erscheinen zu lassen und einige davon wurden auch so oft widerlegt, dass unter anderem die unbegründete Angst vor einem Terroranschlag durch Geflüchtete, etwas abgeklungen ist. Zum Beispiel weil es 4000 mal wahrscheinlicher ist, an Grippe zu sterben als an Terrorismus.
Eine Behauptung bleibt jedoch von den meisten Medien und Politikern weitestgehend unbeachtet stehen und zwar ausgerechnet jene, die nicht die Ursache, aber der Vorwand für die Großmobilisierung der AfD und anderer Nazis in Chemnitz war: Bestimmte Menschen neigten durch ihre Kultur mehr zu Gewaltverbrechen als Deutsche.
In Deutschland wird jeden Tag getötet
Nun lässt sich diese Behauptung ebenso als Schein-Argument entlarven wie viele andere. Denn einerseits sind gewaltsame Tode in einer Welt, die von Konkurrenz und Armut geprägt ist, leider normal. Allein 2017 hat die Polizei in Deutschland 657 Fälle von vollendetem Mord oder Totschlag aufgenommen, also durchschnittlich 1,8 jeden Tag.
Erst am 5. September hat in Berlin eine – deutsche – Mutter ihren einjährigen Sohn getötet, am selben Tag hat eine – deutsche – Frau in Leerstetten einen früheren Gemeinderat totgeschlagen und am 4. September hat ein – deutscher – Mann bei Esslingen eine Rentnerin ermordet, der er Geld stehlen wollte. Solche Verbrechen geschehen fast täglich. Doch nur wenn der Täter oder die Täterin ein Einwanderer und das Opfer ein Deutscher ist, starten Nazis eine Massenmobilisierung wie in Chemnitz. Die großen Medien befeuern diesen Rassismus dann noch mit ihrer einseitigen Berichterstattung über solche Taten.
Höcke sagt dasselbe wie Hitler
Doch selbst wenn es eine einheitliche islamische, nahöstliche oder nordafrikanische Kultur gäbe, was nicht der Fall ist und selbst wenn diese »Kultur« Gewalttäter hervorbrächte, was sie nicht tut, bliebe doch die Frage an Rassistinnen und Rassisten: Wieso hetzt ihr dann genauso gegen Sinti und Roma, Rumänen und Bulgaren, schwarze Afrikaner aus christlich geprägten Regionen und gegen Juden aus Deutschland, also Menschen, die mit dem Islam ganz überwiegend nichts zu tun haben?
Nazis wie der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke denken diese Vorurteile zu Ende und kommen zum Ergebnis, dass nur weiße Christen aus Mittel-, Westeuropa und Nordamerika vertrauenswürdige Menschen seien und alle anderen minderwertig. Ähnlich wie Juden in den 20er Jahren, wird heute Einwanderern und Geflüchteten muslimischen Glaubens angedichtet, sie würden »krimineller als Durchschnittsdeutsche« sein und »die Deutschen« verachten und ausnutzen.
Der moderne Faschismus behauptet weitgehend dasselbe wie Adolf Hitler und die NSDAP, er spricht es nur noch nicht so häufig aus. Auch die NSDAP bestand in ihrem Parteiprogramm von 1920 darauf, dass alle »Nicht-Deutschen, die seit dem 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reichs gezwungen werden«.
30 Prozent Tatverdächtige sind Ausländer
Warum also halten sich so viele bei den Lügen über kriminelle Ausländer zurück? Ein Grund mag sein, dass die »Polizeiliche Kriminalstatistik« (PKS) die Behauptungen der Rassisten zu bestätigen scheint. Allerdings ist die Polizei keine vertrauenswürdige Einrichtung und ihre Zahlen müssen nicht glaubwürdig sein, wie beispielsweis das Vorgehen der Polizei beim G20-Gipfel in Hamburg gezeigt hat. Zudem erfasst die PKS Tatverdächtige aber keine verurteilten Täter, spiegelt damit den Rassismus von Polizistinnen und Polizisten wieder, die Ausländer grundsätzlich für Verbrecher halten und ohne Hinweise verhaften und vieles weitere spricht dafür, solchen Zahlen nicht blind zu trauen. Denn die Polizei ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Die Wahrnehmung rassistischer Polizeipraxis in der Öffentlichkeit ist in Deutschland sehr gering (siehe Bericht von Amnesty International über Racial Profiling). Nur wenige Fälle werden von den Medien und der Politik aufgegriffen und gelangen an eine breite Öffentlichkeit. Das Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung jetzt.de interviewte einen Polizisten über Rassismus und den Korpsgeist in der Polizei. Er erzählt: »Ich wurde selbst schon zum Racial Profiling aufgefordert. Als ich im Streifendienst angefangen habe, bekam ich von meinem Vorgesetzten mehrfach eine durchschnittliche Beurteilung. Also habe ich nachgefragt: ‚Was muss ich tun, um besser als der Durchschnitt zu sein?‘ Er hat zu mir gesagt: ‚Geh an den Bahnhof und kontrollier‘ Neger. Geh raus und kontrollier‘ Bimbos. Dann hast du spätestens bei jedem Dritten eine Anzeige. Damit kannst du dir Fachwissen aneignen und hebst dich von der Masse ab.‘«
Dennoch ist die PKS in Deutschland die einzige umfassende Datensammlung über Gewalt- und andere Verbrechen und wer die AfD widerlegen will, kann sie nicht ignorieren. Selbst wenn man die Straftaten gegen Aufenthalts- oder Asylrecht nicht berücksichtigt, waren letztes Jahr 30 Prozent der Tatverdächtigen Ausländer bei einem Bevölkerungsanteil von 13 Prozent. Bei sexueller Belästigung sind gar 46 Prozent der Tatverdächtigen Ausländer und bei Totschlag 45 Prozent.
Sollen wir Männer ausweisen?
Wer das für einen Beweis hält, dass Abschiebungen manchmal doch nötig seien, muss die rassistischen Vorurteile in Frage stellen, die uns die letzten Jahre in die Köpfe gepresst wurden, aber nicht die Menschen ohne deutschen Pass. Denn dass man eine Gruppe, die überdurchschnittlich viele Straftaten begeht, ausweist, erscheint uns nur bei Einwanderern normal und bei allen anderen moralisch und rechtlich ausgeschlossen: 75 Prozent der Tatverdächtigen sind Männer, 47 Prozent sind jünger als 30 Jahre, bei 31 Prozent Bevölkerungsanteil dieser Altersgruppe und in Berlin gibt es pro Einwohner dreimal so viele Straftaten wie in Bayern.
Aufgrund solcher Zahlen diskutiert man als Ursachen die Geschlechterrollen von Männern und Frauen, soziale Probleme von jungen Menschen oder die hohe Zahl an niedrig bezahlten Jobs in der Hauptstadt, aber niemals die Idee, Männer, Jugendliche oder Berliner aus Deutschland rauszuwerfen. Nur bei Ausländern scheint uns dieses Vorgehen rechtlich und zu Unrecht auch moralisch vertretbar.
Armut führt zu Kriminalität
Fragt man jedoch nach den Ursachen, statt Nichtdeutschen einen miesen Charakter zu unterstellen, ergeben nahezu alle wissenschaftlichen Untersuchungen, dass Armut und Perspektivlosigkeit Menschen zu Verbrechern machen, Ausländer ebenso wie Deutsche. Das Bewusstsein, nie oder nicht auf legalem Weg eine lebenswerte Existenz aufbauen zu können, treibt Menschen zu Straftaten. Armut schafft Kriminalität, nicht umgekehrt und Ausländer sind öfter kriminell, weil sie öfter arm sind, nicht wegen ihrer angeblichen »Kultur«.
Leider und vielleicht absichtlich enthält die PKS keine Daten über Einkommen und Vermögen von Tatverdächtigen. Doch gibt es in der Statistik eine Gruppe, die dieses Jahr zum ersten Mal gesondert erfasst wurde und eine Aussage darüber ermöglicht, wie sich der Unterschied zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit auf das kriminelle Verhalten auswirkt.
Weniger kriminell als Deutsche
Diese erstmals erfasste Gruppe sind die anerkannten Asylbewerber, getrennt von den Menschen, deren Verfahren noch läuft, die »Geduldet« oder illegal in Deutschland leben. Während die Kriminalitätsrate bei Einwanderern insgesamt wie zu erwarten überdurchschnittlich ist, waren von den 2 Millionen Tatverdächtigen letztes Jahr 10.511 anerkannte Asylbewerber. Das ist insofern bemerkenswert, als 872.000 anerkannte Asylbewerber 1,1 Prozent der Bevölkerung sind, aber aus dieser Gruppe nur 0,53 Prozent der Tatverdächtigen kommen. Mit anderen Worten: Anerkannte Asylbewerber sind nicht nur weit weniger kriminell als andere Migranten, sondern auch gesetzestreuer als Deutsche.
Betrachtet man zudem, aus welchen Herkunftsländern besonders viele oder wenige Tatverdächtige kommen, wird deutlich, wie unsinnig das Märchen von der „gewalttätigen Kultur des Islam“ ist. Denn deutlich unterrepräsentiert sind bei den Tatverdächtigen Syrer, Iraker und Afghanen. Das sind Menschen die aus islamischen Ländern stammen, aber deren Asylanträge zumindest bisher relativ häufig anerkannt wurden. Überdurchschnittlich viele Straftaten begehen hingegen Marokkaner und Algerier, aber beispielsweise auch überwiegend christlich-orthodoxe Serben und Georgier. Das sind Asylsuchende, die kulturell nichts verbindet, aber gemeinsam haben, dass ihre Anträge sehr selten anerkannt werden.
Wer die Chance hat, lebt legal
Die von Rechten pampig gestellte Forderung, Einwanderer sollten sich „gefälligst benehmen, wenn wir ihnen schon helfen“, wird von Migranten also tatsächlich erfüllt, wenn der deutsche Staat wirklich Schutz bietet. Die Chance auf ein gutes Leben mag für Einwanderer in einem von Rassismus verseuchten Deutschland nicht allzu groß sein, doch wie jeder andere probieren sie es auf legalem Weg, wenn das möglich ist.
Doch wer heute nicht weiß, ob er nächstes Jahr oder nächsten Monat abgeschoben wird, hat seelisch, gesellschaftlich und beruflich nur wenige Möglichkeiten, sich ein Leben aufzubauen. Denn selbst wenn Asylbewerber arbeiten dürfen, schrecken Unternehmen jetzt trotz Personalmangel wieder davor zurück, ihnen Ausbildungsplätze anzubieten. Wer während der Ausbildung abgeschoben wird, kostet für sie nur Geld und bringt keinen Profit.
Ein Leben ohne Hoffnung
Menschen in einer solchen Situation verzweifeln, werden krank, greifen zu Drogen, eine Minderheit versucht, illegal an Geld zu kommen und eine noch kleinere Minderheit verliert das Gefühl für ein solidarisches Zusammenleben in der Gesellschaft und wird gewalttätig.
Wer mit einem deutschen Pass geboren wurde, hat zumindest rechtlich jeden Tag die Möglichkeit, in nahezu jedes Land dieser Erde zu reisen oder auszuwandern. Und wer dieses Glück hat, sollte eine Minute versuchen, sich in ein Leben auf Abschiebung ohne Geld, Job und Hoffnung zu versetzen, bevor er über diese Menschen urteilt.
Anerkennungsquoten sinken
Ginge es der deutschen Regierung wirklich darum, Gewaltverbrechen zu verhindern, würde sie die Anerkennungsquoten für Asylbewerber erhöhen, statt um die Abschiebung jedes einzelnen zu kämpfen und dabei selbst illegal zu handeln. Doch tatsächlich wird immer weniger Menschen Asyl gewährt und immer mehr werden in einen Dauerzustand der Verzweiflung und Angst gezwungen.
Menschen, die auf Demos den Hitler-Gruß zeigen, werden wir mit all diesen Fakten nicht erreichen. Ihnen gilt es, auf der Straße entschlossen entgegenzutreten und zu zeigen, dass wir mehr sind. Doch Millionen andere, die sich vom Gefühl der Unsicherheit und Angst vor Einwanderern haben anstecken lassen, ohne deswegen den Nazis um den Hals zu fallen, müssen und können wir geduldig aufklären.
Die Rechten haben nicht heimlich recht
Die Rechten haben nicht heimlich recht und wir wagen es nur nicht auszusprechen. Sie lügen und verdrehen die Wahrheit. Sie stellen Ereignisse wie den Tod eines Deutschen durch die Hand eines Einwanderers als außergewöhnlich dar und versuchen uns einzureden, dasselbe Verbrechen sei schlimm, wenn es ein Ausländer begeht und egal, wenn es ein Deutscher ist.
Unsere Zukunft ist tatsächlich bedroht, allerdings nicht von »kriminellen Ausländern«, sondern von Reichen, Banken, Konzernen und einer Regierung, die deren Interessen umsetzt. Menschen die in Deutschland von Hartz IV betroffen sind oder zu Niedriglöhnen arbeiten, haben keinen Cent mehr in der Tasche, wenn »kriminellen Ausländer« abgeschoben werden.
Politikerinnen und Politiker, aber auch Teile der Medien haben mit ihrem Gerede über die angebliche »Jahrhundertwelle an Flüchtlingen«, den »beschränkten Aufnahmekapazitäten« und »kriminellen Ausländern« den alten und neuen Nazis und Rassisten neuen Zulauf beschert. Bei all diesen miesen Tricks von AfD und anderen Rassisten, müssen wir entschlossen gegenhalten.
Denn Einwanderer oder Geflüchtete sind nicht krimineller als Deutsche, auch nicht ein kleines bisschen, auch nicht indirekt und auch nicht hinter vorgehaltener Hand.
Schlagwörter: Ausländer, Björn Höcke, Einwanderer, Faschismus, Flüchtlinge, Geflüchtete, Inland, Kriminalität, NSDAP, Polizei