Seit dem Putsch von Diktator Abd al-Fattah as-Sisi in Ägypten geht das Regime mit harter Repression gegen politische Aktivistinnen und Aktivisten vor. Nun wurde mit Patrick George Zaki erneut ein Menschenrechtsaktivist festgenommen. Von Angelo Treichel
Der ägyptische Aktivist Patrick George Zaki wurde am 7. Februar bei seiner Ankunft am Kairoer Flughafen festgenommen, als er seine Familie in Ägypten besuchen wollte. Zaki, der in Bologna studiert, als Gender- und Menschenrechtsforscher für die vom Regime verfolgte Ägyptische Initiative für Persönlichkeitsrechte (EIPR) arbeitet und Anhänger der Revolutionären Sozialisten ist, verschwand nach seiner Verhaftung spurlos für 24 Stunden und wurde laut seinen Anwälten an einem unbekannten Ort – vermutlich in einem Geheimdienstgebäude – geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und zu seinen Aktivitäten verhört.
Vorgeworfen werden ihm laut EIPR das Verbreiten falscher Informationen, das Anstacheln von illegalen Protesten und Aufruf zum Umsturz des Staates. Die Staatsanwaltschaft spricht von 15 Tagen Gewahrsam für weitere Ermittlungen. Riccardo Noury, Sprecher von Amnesty International Italien, hält eine monatelange Verlängerung der Verhaftung für möglich, die in einem besonders schweren Urteil enden könnte. Laut Verwandten, die Zaki für »sehr kurze Zeit« an seinem neuen Haftort in der Polizeistation von Talkha besuchen durften, wird er dort nicht mehr gefoltert, jedoch unter sehr schlechten Bedingungen festgehalten. Ein Gesuch, das seine Anwälte für seine Haftentlassung einreichten, wurde vom Appellationsgericht abgelehnt.
Sisi und die Konterrevolution
Die Verhaftung Zakis findet vor dem Hintergrund staatlicher Repression gegen Aktivistinnen und Aktivisten in Ägypten seit dem Putsch des Diktators Abd al-Fattah as-Sisi gegen den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft statt. Die Ägyptische Revolution, die im Januar 2011 als Teil einer Serie von Aufständen im Nahen Osten und Nordafrika begann, beinhaltete eine seit den 1940er Jahren nicht gesehene Mobilisierung der Arbeiterklasse. Sie bedeutete eine ernstzunehmende Gefahr für den ägyptischen Kapitalismus. Die Hauptquartiere von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei und der State Security Intelligence, des wichtigsten Bestandteils des Mukhabarat (Geheimdienst für »Terrorismusbekämpfung«), wurden gestürmt, die Bereitschaftspolizei wurde zurückgeschlagen. Das Militär war bemüht, seine Autorität zu wahren. Schnell forderten die Aufständischen »Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit«, und selbst die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, die Partei der Muslimbruderschaft, sprach die Sprache der Revolution. Bald folgten der Sturz Mubaraks und die ersten freien Wahlen Ende 2011/Anfang 2012.
Bei den Wahlen ging die Muslimbruderschaft als Siegerin hervor, Präsident wurde ihr Anführer Mohammed Mursi. Zwar repräsentierte er einen Teil der Bourgeoisie und arbeitete mit dem ägyptischen Staat und seinen Institutionen zusammen, genoss aber aufgrund seiner Handlungsunfähigkeit nicht das Vertrauen der herrschenden Klasse . Am 3. Juli 2013 führte der Verteidigungsminister Abd al-Fatah as-Sisi einen Staatsstreich durch. Auch die Organisationen der stalinistischen, sozialdemokratischen und nasseristischen Linken und die Gewerkschaftsbürokratie unterstützten den Putsch und bezeichneten das Militär als »progressiv« und den Putsch als Volksaufstand gegen Mursi, der wegen seiner Fortsetzung der neoliberalen Politik tatsächlich mit Protesten konfrontiert wurde, die vom Militär geschickt instrumentalisiert werden konnten.
Deutschland unterstützt Sisi
Die herrschende Klasse nutzte die Gelegenheit und schlug zurück mit einer harten Welle der Repression gegen Aktivisten und Aktivistinnen, ob Anhänger der Muslimbrüder oder nicht. Es begann mit dem Massaker an tausenden Demonstranten auf dem Protestcamp auf dem Rabia-Platz am 14. August. In den Folgejahren wurden weitere Zigtausende willkürlich unter katastrophalen Bedingungen inhaftiert: Unter ihnen die Rechtsanwältin Mahienour El-Massry, Trägerin des Ludovic Trarieux-Preises für ihr Engagement und die Verteidigung der Menschenrechte und Anhängerin der Revolutionären Sozialisten, die sich für Gewerkschafter und syrische Flüchtlinge einsetzt, und der Gewerkschaftsführer Moatasem Medhat. Am 25. Januar 2016 wurde der italienische Student Giulio Regeni, der zu der Rolle der Gewerkschaften während der Revolution forschte, zwischen Kairo und Alexandria tot aufgefunden. Die Merkmale von Folter, wie sie in ägyptischen Gefängnissen vorkommt, zeigen, dass wohl auch er Opfer der Repression wurde.
Die Bundesregierung hat das Regime immer wieder unterstützt. Sie arbeitete mit der ägyptischen Polizei und den Geheimdiensten bei der »Terrorismus- und Extremismusbekämpfung« zusammen, unter anderem, um Konzernen wie Siemens zu Milliardengeschäften zu verhelfen. Die Bundesrepublik liefert Rüstungsgüter wie U-Boote und arbeitet mit Al-Sisi zusammen, um Flüchtlinge von der Flucht nach Europa abzuhalten. Am 26. Januar, im Vorfeld des Semperopernballs, wurde Sisi der St.-Georgs-Orden überreicht. Sisi wurde als »Hoffnungsträger und Mutmacher des Kontinents« und »Brückenbauer und Friedensstifter« geehrt . Mehrere Prominente, darunter die Tagesschausprecherin Judith Rakers, die die Veranstaltung moderieren sollte, und der Sänger Peter Maffay, sagten ihren Auftritt ab. Schließlich verkündete der Vorsitzende des Semperopernballs Hans-Peter Frey die Aberkennung des Preises, jedoch ohne konkrete Schritte zu nennen.
#FreePatrick: Solidarität und Widerstand
Aber auch unter diesen Umständen lebt das Erbe der Revolution fort. Im September letzten Jahres gingen Hunderte gegen das faktische Demonstrationsverbot und die Herrschaft Sisis auf die Straßen. Es liegt an allen Sozialisten und Sozialistinnen, die Erfahrung der arabischen Revolutionen hochzuhalten und daraus Lehren für die heutigen Proteste und Aufstandsbewegungen in Syrien, im Irak, im Sudan, im Libanon und in vielen anderen Teilen der Welt zu ziehen. Um die Revolutionen zu Ende zu bringen wird eine revolutionäre Kraft benötigt, die in der Arbeiterklasse verwurzelt ist und den bürgerlichen Staat zerschlagen kann.
Alle, die Solidarität mit Patrick und den anderen vom Regime bedrohten Aktivisten und Aktivistinnen zeigen möchten, sind dazu aufgerufen, die Petition für Patricks Freilassung zu unterzeichnen und weiterzuverbreiten. Auch in Deutschland hat es bereits Protestaktionen in Solidarität mit Patrick gegeben, so etwa am 15. Februar in Berlin. Neben dem Einsatz für politische Gefangene und von staatlicher Repression Betroffene gilt es hierzulande, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, ihre Zusammenarbeit mit Sisi und die Unterstützung der ägyptischen Diktatur sofort zu beenden.
Foto: Streetart für die Freilassung von Patrick George Zaki in Rom.
Schlagwörter: Ägypten, Sisi