Seit über einem halben Jahr gehen immer mehr Menschen in Marokko, insbesondere im nördlichen Rif-Gebirge, auf die Straße. Sie fordern ein Ende der Demütigung durch Polizei und korrupte Beamte sowie Investitionen in öffentliche Daseinsvorsorge und mehr Beschäftigung. Von Mo Achahbar und Ewout van den Berg
Quer durch das Land herrscht eine ungeheure Ungleichheit. Dies wird dadurch verstärkt, dass Fischerschiffe aus Europa die Küstengewässer, von denen Abertausende abhängig sind, leerfischen. Die Forderungen stammen aus der Bewegung in Al Hoceima im Rif, eine politisch, wirtschaftlich und kulturell benachteiligte Region Marokkos mit einer langen Geschichte des Widerstandes.
Eine lange Geschichte des Widerstandes
Zunehmend werden die Forderungen der Imazighen (ein Stamm aus dem Rif die auch Berber genannt werden) auch im Rest des Landes unterstützt. In den letzten Wochen sind die Proteste stetig angewachsen. Nach lange Jahre der Stille trauen sich die Leute wieder, ihren Unmut zu äußern und für ihre Rechte einzustehen. Die Proteste fußen auf der sogenannten Bewegung des 20. Februars, die vor sechs Jahren während des arabischen Frühlings aufkam. Die neue Bewegung hat aber eine breitere soziale Basis und bringt unterschiedliche Gruppen zusammen. Auch Frauen spielen eine zunehmend bedeutende Rolle.
Die Regierung des Königs Mohammed VI. reagiert aber zunehmend mit repressiven Maßnahmen. In den letzten Wochen wurden siebzig Aktive verhaftet, unter anderem auch das Gesicht des Protestes: Nasser Zafzafi. Das Regime benutzt Moscheen um die Leute davon abzuhalten, auf die Straße zu gehen und verbreitet Lügen über Aktivisten, die angeblich einen »eigenen Staat« errichten wollen würden. Das Regime versucht so die Aufmerksamkeit wegzulenken von den berechtigten Forderungen der Proteste.
In den Niederlanden, wo die Marokkanische Community sehr groß ist, organisiert das Komitee Märtyrer Mohsin Fikri seit dem Anfang der Proteste im Rif-Gebiet Marokkos Solidaritätsaktionen. Als nach der siebten Demonstration und Kundgebung Nasser Zafzafi verhaftet wurde, hat das Komitee beschlossen, die Aktionen zu verschärfen. Letztes Wochenende hat das Komitee deshalb eine 24-Stunden-Wache gegenüber vom niederländischen Parlament gemacht. An der Wache haben sich viele Leute, die noch nie politisch aktiv geworden sind, beteiligt. Es gab viele Sprecherinnen und Sprecher, unter anderem auch ein Abgeordnete der Socialistische Partij. Die Aktion hat die Aufmerksamkeit und von vielen PassantInnen auf sich gezogen. Die meisten streckten ihren Daumen hoch und wünschten viel Erfolg.
Die Repressionen verstärken den Protest
Die Aktionen sind ein Signal an die marokkanische Regierung. Wir fordern die Freilassung aller politischen Gefangenen. Die Botschaft lautet: Je mehr Repression die Regierung gegen die Bewegung einsetzt, umso härter werden auch die Aktionen der marokkanischen Gemeinschaft. Und auch die Solidaritätsaktionen gehen weiter: Am kommenden Samstag ist wieder eine Demonstration in Den Haag geplant.
Schlagwörter: Arabischer Frühling, Marokko, Protest