War der Turbofolk der Sargnagel Jugoslawiens? Heinz Willemsen über das Buch »Turbofolk. Soundtrack zum Zerfall Jugoslawiens« von Sonja Vogel
Er wurde als »Turbo-Faschismus« oder »Porno-Nationalismus« bezeichnet. Der Turbofolk, eine beispiellos populäre Musikrichtung im Serbien der 1990er-Jahre, gilt vielen als einer der Sargnägel Jugoslawiens. Sonja Vogel erzählt davon im Rahmen des jugoslawischen Pop und Folk.
Der letzte große Star Jugoslawiens
Vogel sieht in dem letzten großen Star Jugoslawiens der 1980er-Jahre, der muslimischen Bosnierin Lepa Brena, das Rollenmodel einer emanzipierten neuen jugoslawischen Frau. Die herrschenden Kommunisten störten sich aber an der musikalisch gefeierten Konsumkultur. Sie wollten, dass die Menschen den Gürtel enger schnallen. Einst gefördert, galt die Musik jetzt als zu orientalisch, ein Hindernis bei der angestrebten »Heimkehr nach Europa«.
Sex, Gewalt und Glamour
Lepa Brenas Popularität endete, als Jugoslawien aufhörte zu existieren. An ihre Stelle trat in Serbien Ceca, die Repräsentantin einer neuen Musikrichtung, des Turbofolk. Die Musik wurde schneller und härter. In den Musikvideos geht es um schöne Frauen und reiche Männern, in einem Szenario aus Sex, Gewalt und Glamour. Für Slobodan Miloŝević war Turbofolk ein Teil von »Brot und Spiele«, mit dem die Bevölkerung in dem verarmten und isolierten Land ruhig gehalten werden sollte. Nach seinem Sturz erlebte die Musik eine erstaunliche Wandlung. Statt patriarchaler Macho-Kultur gibt es nun Anleihen bei der LGBT- und Queerkultur.
Die Autorin verliert sich oft im langatmigen universitären Stil mit vielen Wiederholungen. Vor allem hätte der Arbeit ein Begriff davon, was das politische und ökonomische System Jugoslawiens eigentlich ausmacht, gut getan.
Fesselnde Geschichte der jugoslawischen Musikszene
Das Buch
Sonja Vogel
Turbofolk. Soundtrack zum Zerfall Jugoslawiens
Ventil Verlag
Mainz 2017
14 Euro
141 Seiten
Schlagwörter: Bücher, Jugoslawien, Kultur, Musik, Rezension