14 Jahre nach Stieg Larrsons Tot, kommt mit »Verschwörung« der vierte Teil der »Millennium-Trilogie« ins Kino. Phil Butland erklärt warum der Regisseur gut daran getan hätte einen Actionfilm ohne die Roman-Figuren von Larsson zu drehen. Von Phil Butland
2005 veröffentliche Stieg Larsson – schwedischer Trotzkist und Herausgeber der antifaschistischen Zeitschrift Expo – einen Roman. In Schweden hieß er »Männer, die Frauen hassen«. In Deutschland wurde er unter dem Titel »Verblendung« bekannt. Das Buch war extrem ambitioniert: ein Krimi, der nebenbei Vergewaltigung, Faschismus und die Feigheit des Kapitalismus thematisiert (Lies hier einen Artikel zum Thema: »Stieg Larsson: Jenseits von Bullerbü«).
Die Millennium Trilogie
2006 und 2007 folgten »Verdammnis« und »Vergebung« – politisch genauso scharf und mit der dysfunktional Beziehung zwischen der spleenigen Hackerin Lisbeth Salander und dem vergänglichen Journalisten Mikael Blomkvist. Alle Bücher in der sogenannten »Millennium-Trilogie« waren internationale Bestseller und Niels Arden Oplev hat drei hervorragenden Filme daraus gemacht. Als Larsson 2004 an einem Herzinfarkt verstarb, (alle seine Bücher wurden posthum veröffentlicht), sah es so aus, als wäre, das das Aus für die Serie.
Bis jetzt. 2015 schrieb David Lagercrantz das »vierte Buch der Millennium Trilogie«, das Fede Alvarez jetzt verfilmte. Obwohl der Film (und angeblich auch das Buch) Figuren mit den Namen Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist beinhaltet, ist er ein blasser Schatten seine Vorgänger.
»Verschwörung«: Gewalt ohne Sinn
Wir können Claire Foy hierfür nicht die Schuld geben. Foy spielt eine aufregende Lisbeth, allerdings ohne die ungesellige Gefahr von Rooney Mara oder besonders Noomi Rapace in den früheren Verfilmungen. Und als Blomkvist hat Sverrir Gudnason wenig zu tun, außer gut auszusehen und unwirksam im Hintergrund der Verfolgungsjagden und Prügelszenen herumzulungern. Prügelszenen gibt es viele. In den früheren Filmen gab es zwar auch Gewalt – oft extreme, aber nie ohne Sinn. In »Verschwörung« wird die endlose Schießerei sehr effektiv choreographiert – und schwedische Landschaften werden genauso schön verfilmt – aber die Form übertrumpft ständig den Inhalt.
Die Wandlung der Lisbeth Salander in »Verschwörung«
In Larssons Bücher (und zum großen Teil in den nachfolgenden Filmen) ist Lisbeth eine emotional komplexe Kämpferin und nicht-binäre feministische Ikone. In diesem Film besteht ihre Gefährlichkeit mehr oder weniger in der Tatsache, dass sie schwarze Kleider und einen Nasenring trägt. Die radikale Heldin fährt gleichzeitig gern teuer Motorräder und Autos (zweifellos von den reichen Sponsoren des Films gespendet). Die Vorbilder für »Verschwörung« waren anscheinend die James Bond Filme ohne deren überwiegendem Sexismus. Lisbeth kommt immer wieder im Lebensgefahr, aber statt sie sofort zu töten, schenken ihr verschiedenen Schurken die Zeit, sich zu retten. Alle paar Minuten kommt ein so lächerlicher Handlungssprung, dass wir ihn sofort verwerfen würden, wenn wir nur eine Sekunde darüber nachdächten. Ein Flughafen wird mit einem Handy lahmgelegt und alle kommen gleichzeitig auf dieselbe Person, die die kritischen Geheimzahlen hat. Aber diese Denksekunde bekommen wir nicht, denn wir müssen immer wieder zur nächsten Aktionsszene haste.
»Verschwörung« ist ein schöner Film. Intelligent ist er aber leider nicht.
Im Gegensatz zu Larssons Bücher, die mit politische Debatte vollgepackt sind, kriegen wir hier ein paar politische Dilemmata. Es gibt irgendwas über den Zugang zu Atomschlüsseln und angebliche Alliierte betrügen einander halbherzig, aber es gibt keine Spannung, und linke Hacker, US Geheimdienstler und Schwedische Regierungsvertreter finden es einfach zusammenzuarbeiten, ohne dabei ernsthafte Fragen zu stellen. »Verschwörung« ist ein schöner Film. Intelligent ist er aber leider nicht. Er hätte ein überdurchschnittlicher Franchise-Film werden können, aber die Anwesenheit von Salander kommt niemandem zugute. Es wäre besser für alle, wenn Alvarez diesen Film mit anderen Hauptfiguren gedreht hätte. Wenn er an das Jenseits geglaubt hätte, würde Larsson sich in seinem Grab drehen.
Spielfilm
Verschwörung
Regie: Fede Alvarez
USA 2018
Sony Pictures Germany
116 Minuten
2018
Schlagwörter: Kultur