Nach monatelangen Massenprotesten putscht das sudanesische Militär gegen Omar al-Baschir, stürzt ihn und setzt eine Militärregierung ein. Die Menschen sehen das als Verrat an ihrer Revolution und setzen den Protest ungebrochen fort. Von Ava Matheis
»Wir haben nichts mehr zu verlieren«, berichtet die sudanesische Aktivistin Se, die ihren echten Namen aus Angst vor Repressionen lieber nicht gedruckt sehen möchte, im Interview mit der »Welt«. Umgerechnet 26 Euro verdient sie als Ärztin im Monat. Das reicht angesichts rasant steigender Preise für Brot und Benzin gerade einmal für die ersten paar Tage des Monats. Für einige Menschen im Sudan gehen an die 40 Prozent des Monatslohns allein für Brot drauf.
So wie die Ärztin Se beteiligten sich seit Mitte Dezember 2018 Zehntausende an den Protesten gegen den Diktator Omar al-Baschir. Unter dem Slogan »Tasgut bas!« (Tritt zurück, das ist alles) demonstrierten Menschen Woche für Woche im ganzen Land. Was als Protest gegen die desolate Wirtschaftslage, die Erhöhung des Brotpreises und die Verteuerung des Benzins begann, hat sich im Laufe der letzten vier Monate zu einer revolutionären Bewegung zum Sturz der 30-jährigen Herrschaft al-Baschirs entwickelt.
Erster Sieg für die Bewegung
Am 11. April errang diese einen ersten Sieg: Den Rücktritt Omar al-Baschirs. Am Jahrestag der letzten erfolgreichen Revolution im Sudan, am 6. April 1985, begannen zehntausende Protestierende eine Dauerbelagerung des Militär-Hauptgebäudes und des Präsidentenpalastes in Khartoum. Nach fünf Tagen putschte das Militär am Morgen des 11. April 2016. Wenige Stunden später verkündete es die Aufhebung der Verfassung, des Parlaments und des Kabinetts. Zudem wurde ein Militärrat eingesetzt, der ankündigte, für eine Übergangsperiode von zwei Jahren das Land zu regieren. Ein dreimonatiger Ausnahmezustand sowie eine Ausgangssperre wurden verhängt. Als Präsident wurde der ehemalige Verteidigungsminister und Kriegsverbrecher Awad Mohamed Ahmed Ibn Auf vereidigt.
Die Sudanese Professional Association (SPA), die Gewerkschaft, die eine führende Rolle in den Massenmobilisierungen übernommen hat, verkündet: »Heute, am 11. April 2019, haben die Regimekräfte einen internen Militärputsch ausgeführt, durch welchen sie die gleichen Gesichter und Institutionen reproduzieren, gegen die unser mutiges Volk revoltiert.«
Der Slogan, der durch die Straßen aller Teile des Sudans hallt, lautet nun: »Trotz allem, noch nicht gefallen!« Einen Tag später dann der nächste Sieg: Aufgrund der nicht endenden Proteste tritt Ibn Auf als Präsident zurück. Die Proteste gehen weiter, denn das Ziel ist eine zivile Regierung und Demokratie. Bis jetzt ist die SPA in der Lage, die Massenproteste auf der Straße aufrechtzuerhalten.
Wie entwickelte sich die revolutionäre Bewegung?
Schon in den Jahren 2013 und 2016 gab es Massenproteste gegen das Regime, seit Dezember entwickelt sich jedoch eine neue Dynamik. Konzentrierten sich vorherige Proteste in ihrer Anfangsphase auf die städtischen Zentren und waren in ihrer Ausdrucksweise von der städtischen Mittelklasse geprägt, begannen sie am 19. Dezember 2018 in Atbara. Einst die Wiege der sudanesischen Arbeiterbewegung wurde diese im Zuge der Neoliberalisierung der sudanesischen Wirtschaft seit den 1970er-Jahren sukzessive geschwächt: Es wurde nicht nur der Eisenbahnsektor ausgehöhlt, der Verkauf von fruchtbarem Land an Saudi-Arabien, Türkei und Qatar verstärkt auch die Krise der Landwirtschaft dort. Als am 19. Dezember Arbeiter auf dem Markt kein Brot finden konnten, entzündete sich ein spontaner Protest, dessen erster Slogan »Brot, Brot« war. Innerhalb von drei Tagen weiteten sich die Proteste nach al-Demar, Schendi und Berber aus – traditionell eher regimetreue Randregionen, bevor sie die städtischen Zentren Khartum und Omdurman erreichten. Auch die Forderung weitete sich aus – von Brot zum Rücktritt des Regimes.
Auch durch die geografische Breite wurde der Protest für das Regime zu einer echten Gefahr. Im Osten des Landes bestreikten seit Februar Hafenarbeiter und Hafenarbeiterinnen der Sea Ports Corporation den Hafenbetrieb in den wirtschaftlich und strategisch wichtigen Häfen Port Sudan und Suakin. Arbeiter und Arbeiterinnen der größten Mobilfunkanbieter – Zain, Ericsson und MTN – protestierten in Sit-ins, und auch Apothekerinnen, Professoren, Ärztinnen und Pflegekräfte haben seit Dezember immer wieder die Arbeit niedergelegt. Von der SPA organisiert fanden mehrere Generalstreiks statt, die das Land lahmlegten.
Neu ist auch die antirassistische Dynamik der Proteste: In altbekannter »teile und herrsche«-Manier taten al-Baschir und sein damaliger Sicherheitschef Salah Gosch die Proteste Ende Dezember als Agitation von Rebellen ab, die von dem israelischen Geheimdienst Mossad ausgebildet seien und mit Kämpfern aus Darfur unter einer Decke steckten. Das ging nach hinten los: Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Parole: »Der Rassist ist arrogant, wir sind alle Darfur!« Stattdessen zeigt sich ein ganz anderer gesellschaftlicher Konflikt: die ganze sudanesische Bevölkerung gegen die »Kezan«. So nennt die überwiegend muslimische Bevölkerung die islamische Elite.
Die Antwort: Repression
Die Antwort des Regimes auf die Protestbewegung war von Anfang an brutal: Bis zum Sturz Al-Baschirs wurden 60 Menschen getötet, 57 Journalisten und Hunderte Protestierende inhaftiert, Krankenhäuser wurden mit Tränengas angegriffen. Mit der Zuspitzung der Lage ab dem 6. April 2019 erhöhte sich die Anzahl der Getöteten, seit dem Putsch starben bereits 16 Menschen.
Neben Journalisten sehen sich insbesondere Ärztinnen und Ärzte der Verfolgung durch die Sicherheitskräfte ausgesetzt. Angesichts ihrer wesentlichen Rolle als Protestierende sowie bei der Versorgung verwundeter Demonstranten sei das eine bewusste Taktik des Regimes, so ein Aktivist im Interview mit der sudanesischen Journalistin Yousra Elbagir: »Behinderst du die Ärzte, schwächst du auch die Demonstrationen.«
Wer ist die Opposition?
Eine zentrale Rolle im »Sudan Uprising« spielt die »Sudanese Professional Association« (SPA). Gegründet wurde der Zusammenschluss unabhängiger Gewerkschaften für Lehrerinnen, Professoren, Ingenieurinnen, Journalistinnen und Ärzte im Jahr 2014. Ihr Ziel war es, einen existenzsichernden Lohn für Familien sowie bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. In den ersten Tagen der anfangs spontan und unkoordiniert verlaufenden Proteste gelang es der SPA, zum organisatorischen Zentrum der Proteste zu werden und den Widerstand in allen Regionen des Sudans aufrechtzuerhalten. Damit sind Teile der städtischen Arbeiter- und Mittelklasse in traditionell eher unorganisierten Bereichen (Journalismus, Krankenhäuser, Bildungssektor) derzeit führend in der Bewegung. Die SPA beansprucht für sich, keine politische Orientierung zu verfolgen.
In der ersten Woche stellten sich die bürgerlichen Oppositionsparteien, die Kommunistische Partei Sudans sowie mehrere Milizen hinter die Protestierenden und die Forderung nach Regimewechsel. Die anhaltende Dynamik der Protestbewegung setzte dann auch andere politische Kräfte unter Druck.
Geeint für Frieden und Wandel?
Anfang Januar 2019 schlossen sich 22 Parteien zur National Front of Change (NFC; Nationalen Front für den Wandel) zusammen. Unter ihnen sind auch einige Parteien, die seit 2016 der Regierung angehörten. Ihr Austritt aus der Einheitsregierung verstärkt die Verwerfungen im Pro-Baschir-Lager. Auf Initiative der SPA arbeiteten die Kräfte der NFC eine »Erklärung für Frieden und Wandel« aus. Hierin fordern sie eine Übergangsregierung, bestehend aus Technokratinnen und Technokraten, die für einen Zeitraum von vier Jahren an die Stelle des diskreditierten Regimes al-Baschirs rücken und unverzüglich die Kriege in den Bundesstaaten Darfur, an-Nil al-Asrak (Blauer Nil) und Südkurdufan beenden soll. Unterzeichnet haben unter anderem die sudanesischen Muslimbrüder. Auch die National Umma Party (NUP), eine islamistische Partei, die traditionell die Interessen der Großgrundbesitzer vertritt, unterstützt die Erklärung.
Am 14. April trafen sich zehn Vertreter der Opposition mit dem Militärrat und trugen ihre Forderungen vor. Zentral ist vor allem die Forderung nach der Einsetzung einer zivilen Regierung, wie in der »Erklärung für Frieden und Wandel« dargelegt. Dabei sehen sie die Aufgabe des Militärs als Schützer der Revolution.
Der sudanesische Aktivist und politische Analyst Magdi el-Gizouli kritisiert, dass im Zuge der Revolution nicht festere Organisationsstrukturen um die progressiven Oppositionskräfte entstanden sind. Dies ist neben dem Druck von der Straße, den Krankenhäusern, Universitäten und aus den Betrieben notwendig, um eine soziale und wirtschaftliche gesellschaftliche Transformation voranzutreiben.
Spaltungen in der herrschenden Klasse
Trotz dieser Widersprüche im Lager der Opposition zeigen sich klassische Merkmale einer revolutionären Situation: Die Beherrschten wollen nicht mehr und die Herrschenden können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Die Protestbewegung ist so stark, dass die herrschende Klasse tief gespalten ist. Das betrifft die Regierungsparteien ebenso wie den Militärapparat.
Die Machtbasis der ehemaligen Regierungspartei National Congress Party (NCP) – die islamistische Bewegung – bröckelte: Als einige islamistische Parteien aus der Regierung austraten, kritisierten Vertreter der Vereinigung Islamischer Gelehrter al-Baschirs Wirtschaftspolitik. Unter Führung des ehemaligen Parteisekretärs der NCP, Schafie Ahmed Mohammed, schlossen sich hochrangige islamistische Kräfte in der Regierung zusammen und forderten ebenfalls den Rücktritt al-Baschirs. Anfang März wurde bekannt gegeben, dass al-Bashir als Parteivorsitzender zurücktritt, außerdem kündigte er an, 2020 nicht als Präsidentschaftskandidat anzutreten.
Auch innerhalb und zwischen verschiedenen Militärapparaten brodelt es. Eine Spaltungslinie verläuft zwischen dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (NISS) und den sudanesischen Streitkräften. Flügel des Militärs spielten schon eine entscheidende Rolle bei den revolutionären Umstürzen von 1964 und 1985. Auch in der »Erklärung für »Frieden und Wandel« wird das Militär aufgefordert, sich auf die Seite der Protestierenden zu stellen. Damit sich die Geschichte nicht wiederholt, hat al-Baschir die letzten Jahrzehnte den Militärapparat umstrukturiert und den Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (NISS) als regimetreue Eliteeinheit gegründet.
Eine andere Spaltungslinie verläuft zwischen den Generälen des sudanesischen Militärs und Soldaten niedrigeren Ranges. Während des Sitzstreiks vor dem Militärhauptgebäude und dem Präsidentenpalast schlossen sich Soldaten niedrigeren Ranges den Protestierenden an und stellten sich bei Angriffen des NISS schützend vor sie.
Kontext der sudanesischen Protestbewegung
Die gängige Erklärung für die Entstehung der Protestbewegung lautet – ähnlich wie schon bei dem »Arabischen Frühling« des Jahres 2011: Die wirtschaftliche Inkompetenz des Regimes sei verantwortlich für die politische und wirtschaftliche Krise im Sudan. Statt »richtige Politik« zu machen, habe Omar al-Baschir sich ein Netz aus Günstlingen – eine »Kleptokratie« – geschaffen. Natürlich spielt Korruption eine Rolle, aber als Erklärung reicht das nicht.
Die Krise im Sudan ist eng verwoben mit der regionalen und globalen Stellung des postkolonialen Sudans. Wie in vielen anderen Schwellenländern kam auch im Sudan die Phase nationaler Industrialisierung mit der weltweiten Krise des Kapitalismus und der Ölpreiskrise in den 1970er-Jahren zu einem abrupten Ende. Die Folge war eine von nationalen Kapitalfraktionen (vor allem Handelskapital, Finanzkapital und Großgrundbesitzer) und internationalen Finanzinstitutionen vorangetriebene neoliberale Wende. Der Internationale Währungsfonds (IWF) spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Seit 2011 kam es wegen der vom IWF verordneten Subventionskürzungen immer wieder zu Aufständen. Wie in anderen Ländern der Region spielen Subventionen auf Öl und Weizen eine wichtige herrschaftsstabilisierende Rolle im Sudan. Heute importiert der Sudan – einst der »Brotkorb« der Region – nahezu seinen kompletten Bedarf an Weizen, rund 2,5 Milliarden Tonnen. Um Preisschwankungen an den internationalen Nahrungsmittelmärkten abzupuffern ist das sudanesische Regime daher auf Subventionen angewiesen.
Neoliberalismus, Autoritarismus und Krieg
Al-Baschir, der heutige Präsident, kam 1989 durch einen Militärputsch – unterstützt von den Muslimbrüdern – an die Macht. Das neue Regime setzte auf verstärkte neoliberale Umstrukturierung. Das Privatisieren staatlicher Unternehmen diente dazu, die Günstlingswirtschaft auszubauen, um dem Regime Rückhalt zu verschaffen. Gesellschaftspolitisch war der neoliberale Umbau der Wirtschaft eng gekoppelt an die Islamisierung der sudanesischen Gesellschaft. Gegen die subalternen Klassen wurde repressiv vorgangen. So drohen Frauen seit der Einführung des »Gesetzes für öffentliche Ordnung« Inhaftierung und körperliche Strafen bei »unangebrachten und unmoralischen Handlungen«. Darunter zählen unter anderem das Tragen von Hosen und knielangen Röcken.
Die neoliberale Politik war begleitet von zunehmender Militarisierung nach innen. So wurden im Jahr 2018 75 Prozent des Staatshaushalts für den Militärapparat veranschlagt. Das Regime setzte auf Krieg als Mittel gegen Widerstand in den Randgebieten. Gegen diese archaische Gesetzgebung, Klientelismus und Kriegspolitik richtet sich der Zorn der Protestbewegungen heute.
Doch durch die im Jahr 2011 erlangte Unabhängigkeit des Südsudans, die maßgeblich von der US-amerikanischen Regierung vorangetrieben und von der deutschen Regierung unterstützt wurde, wurde das Regime erheblich geschwächt.
Südsudanesische Unabhängigkeit
Die wirtschaftliche Krise verschärfte sich. Im Jahr 1990 wurde erstmals Erdöl im Sudan gefördert, zu Spitzenzeiten waren es knapp 500.000 Barrel pro Tag. Öleinnahmen machten zwar nur 7 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus, waren aber verantwortlich für über 75 Prozent der Deviseneinnahmen und für 45 Prozent der Regierungseinnahmen. Mit diesem Ölsegen konnte sich das Regime an der Macht halten und große Infrastrukturmaßnahmen im nordsudanesischen Zentrum finanzieren: Das Straßennetz wurde längenmäßig verdoppelt, Schülerzahlen in Grundschulen stiegen um 50 Prozent. Da sich ein Großteil der Ölfelder im Südsudan befindet, bedeutete die Entstehung eines unabhängigen Südens den Wegfall der Erdöleinnahmen für die Regierung in Khartum. Mit Verträgen über die Benutzung der hauptsächlich im Norden befindlichen Transportinfrastruktur sollte ein Teil des Gewinns auf die Regierung im Norden übergehen. Wegen Konflikten zwischen den beiden Regierungen kam es aber nie zur Auszahlung der Gelder.
Geo- und migrationspolitische Allianzen
Der Sudan ist eine strategisch wichtige Region. Dass sich al-Baschir, ein »Relikt aus der Vergangenheit«, wie ihn Magdi al-Gizouli bezeichnet, so lange an der Macht halten konnte, ist auch auf Bestrebungen anderer Regierungen zurückzuführen, den Sudan »stabil« zu halten. So wird seit 2011 beispielsweise mit Unterstützung transatlantisch-orientierter Kapitalfraktionen an der Aufhebung der US-Sanktionen gefeilt. Auch vom saudischen Königshaus konnte sich die Regierung al-Baschirs massive Unterstützung sichern. Als Gegenleistung schickte die sudanesische Regierung Soldaten in den Krieg in Jemen und kappte die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran. Für die Zusammenarbeit zur Abwehr von Zuwanderung in die Europäische Union zahlte diese seit 2014 160 Millionen Euro. Laut Berichten floss ein Teil der Gelder in den Aufbau der Rapid Support Forces (Schnelle Unterstützungsgruppe) als Grenzpolizei, rekrutiert aus der Miliz Dschandschawid. Diese ist unter anderem verantwortlich für unzählige Kriegsverbrechen in Darfur und derzeit an der Niederschlagung der Proteste beteiligt.
Was wir im Sudan beobachten können, ist eine außerordentlich dynamische Bewegung, die bis jetzt jedem Versuch der gewaltsamen Zurückdrängung trotzt und es geschafft hat, innerhalb von zwei Tagen zwei Despoten zu stürzen. Die Kräfte der Konterrevolution sind jedoch schon in Stellung gebracht. Auch die deutsche Regierung ist an der Militarisierung der sudanesischen Gesellschaft beteiligt – im Rahmen des Ausbaus der europäischen »Migrationsabwehr«. Linke Kräfte in Deutschland müssen das scharf anprangern.
Arabellion 2.0?
Die revolutionäre Bewegung im Sudan findet im Kontext weiterer Unruhen in der Region statt. Auch in Algerien konnten Massenproteste den langjährigen Diktator Bouteflika zu Fall bringen. Tunesien stand aufgrund eines Generalstreiks gegen die Sparpolitik der Regierung von Youssef Chahed im Januar 2019 still, in der Protesthochburg Kasserine tobten Schlachten zwischen Demonstranten und der Polizei. In Jordanien finden seit letztem Sommer immer wieder Proteste statt, ebenso wie in Marokko und Iran. Acht Jahre nach den Umbrüchen im Nahen und Mittleren Osten seit dem Jahr 2011 kommt die Region immer noch nicht zur Ruhe. Die Solidarität zwischen sudanesischen und algerischen Aktivistinnen und Aktivisten ist groß, die regionale Dynamik wichtig für den Fortbestand der jeweiligen Bewegungen.
Der Fall Sudan zeigt auch, dass der IWF der Feind der Arbeiterklasse weltweit ist. Verbindende Klassenpolitik bedeutet auch, in Solidarität mit der sudanesischen Arbeiterklasse den Kampf gegen das weltweite Schuldenregime wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Die Ärztin Se ist sich sicher, dass die Bewegung weitergeht. »Was sollen die jungen Menschen tun?«, fragt Se, »sie haben hier kein Leben, keine Jobs. Sie können entweder versuchen, nach Europa zu flüchten. Oder sie bleiben und kämpfen.« Sie glaubt, dass sich die meisten dafür entscheiden werden, im Land zu bleiben. Mit dem Sturz al-Bashirs und kurz darauf dem Sturz Ibn Aufs wurden zwei wichtige Siege errungen. Jetzt heißt es: Weiterkämpfen, denn trotz allem, ist das alte Regime noch nicht gefallen.
Schlagwörter: Arabischer Frühling, international, Militärputsch, Naher Osten, Sudan