Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilm »Miners Shot Down« über das blutige Ende eines Bergarbeiterstreiks in Südafrika läuft im November in Hamburg und Berlin. Regisseur Rehad Desai will die Hintergründe des Massakers verständlich machen. Wir sprachen mit ihm.
marx21: Am 16. August 2012 tötete die Polizei im südafrikanischen Marikana 34 streikende Bergarbeiter. Sie verletzte und verhaftete zudem Hunderte. Wie kam es dazu?
Rehad Desai: Die Bergleute legten die Arbeit nieder, nachdem das Britische Montanunternehmen Lonmin monatelang nicht auf ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung eingegangen war. Die regierungsnahe Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) verweigerte den Streikenden die Unterstützung. Als diese daraufhin vor das Gewerkschaftsbüro zogen, wurden sie von NUM-Offiziellen beschossen und zwei der Protestierenden starben. In den nächsten Tagen eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen Bergarbeitern und Polizei und gipfelten im »Massaker von Marikana«, bei dem die Polizei mit Maschinengewehren in die Menge der Streikenden schoss.
Was passierte danach?
Als Reaktion auf das Massaker überzog eine riesige Welle wilder Streiks das Land. Die Mehrheitsgewerkschaft NUM verlor über ein Drittel ihrer Mitglieder an eine kämpferischere Gewerkschaft. Diese startete einen fünfmonatigen Streik für dieselben Forderungen der Bergleute von Marikana und erreichte einen Teilsieg.
Eine richterliche Untersuchungskommission wurde eingerichtet. Doch stellte sie nach zweijähriger Beweisaufnahme fest, dass niemand für das Massaker verantwortlich gemacht werden könne. Dieser Persilschein für die Verantwortlichen sorgte bei zivilgesellschaftlichen Gruppen, der unabhängigen Presse und Gewerkschaften, die nicht mit der regierenden Partei ANC verbunden sind, für Empörung. Zivilklagen gegen die Polizei werden noch verhandelt.
Wie kamst du zu dem Entschluss, »Miners Shot Down« zu drehen?
Als Künstler fühle ich mich verpflichtet, Position zu beziehen, wenn normale Menschen gezwungen sind, sich der militärischen Macht des Staats zu stellen. Außerdem empfinde ich das Massaker als Betrug der regierenden ANC an genau den Leuten, die sie an die Macht gebracht haben. Zwar ist es der Regierung gelungen, die Armut zu verringern, aber dafür ist Südafrika jetzt eins der Länder mit der größten sozialen Ungleichheit. Ungleichheit ist genauso entmenschlichend wie Armut, aber sie erzeugt zudem Verachtung und Gewalt. Diese Gewalt zeigte ihre Fratze beim Blutbad an den Bergleuten.
Was ist Dein Hintergrund als Filmemacher?
Ich bin seit fast vierzig Jahren revolutionärer Sozialist. Weil mein Vater wegen seiner politischen Aktivitäten im ANC verfolgt wurde, wuchs ich in England auf und kehrte 1990 nach Südafrika zurück. Ich mache Filme, weil ich glaube, dass diese Kunstform auf besondere Weise Erkenntnisse ermöglicht. Filme können Raum für Realitäten und Fragestellungen eröffnen, die tiefgreifende Bewusstseinsveränderungen erzeugen und damit den Anstoß zu politischem Aktivismus geben können.
Was erwartet das Publikum in »Miners Shot Down«?
Der Film ist ein Politthriller und spielt in Echtzeit, dabei haben wir aber viele Originalaufnahmen verwendet. Für das Drehbuch habe ich eng mit Anwaltsteams, der Unterstützerorganisation »Marikana Support Campaign« und den verhafteten und verletzten Bergarbeitern zusammengearbeitet.
Was kann man hier tun, um sich mit dem Kampf der Bergleute und ihrer Hinterbliebenen für Gerechtigkeit solidarisch zu zeigen?
Wir wünschen uns, dass alle sozialistischen und progressiven Kräfte den 16. August als internationalen Gedenktag unterstützen. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite der Unterstütungskampagne, der Filmhomepage oder unserer Facebookseite.
Zur Person: Rehad Desai ist Historiker, Filmemacher und politischer Aktivist. Im Jahr 1990 kehrte er aus dem politischen Exil in seine Heimat Südafrika zurück. Dort gründete er die Filmproduktionsfirma Uhuru Productions. Er führte bei mehr als zwanzig politischen Dokumentarfilmen Regie.
Der Film: »Miners Shot Down«, Regie: Rehad Desai, Südafrika 2014, Uhuru Productions, 84 Minuten.
Vorführungen im November, englisches Original mit Untertiteln, anschließend Diskussion mit dem Anwalt Jim Nicholl, der die Bergleute und ihre Hinterbliebenen vertritt:
Samstag, 14. November, 18. Uhr, Hamburg, im Rahmen des Filmfestivals Augenblicke Afrika, im Studiokino, Bernstorffstraße 95.
Sonntag, 15. November 2015, 16 Uhr, Berlin, im Karl-Liebknecht-Haus, Luxemburg-Saal – eine Veranstaltung der LINKEN-LAG International.
Schlagwörter: ANC, film, Kultur, Südafrika