Gemeinsam mit der Ampel die AfD schlagen? Zehn Thesen zur Strategie im Kampf gegen Rechts vom marx21-Netzwerk
1. In zahlreichen Ländern weltweit erleben wir den Aufstieg rechtsradikaler bis neofaschistischer Kräfte. Die etablierten Parteien haben dem wenig entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Ihre neoliberale Politik unter dem Deckmantel der Progressivität hat der extremen Rechten den Weg bereitet. Die Linke ist gefragt!
Wir leben in Zeiten dramatischer Umbrüche und sich zuspitzender Krisen im globalen Maßstab. Die wirtschaftliche Lage ist extrem instabil. Auf schwere Wirtschaftskrisen folgen nur schwache und kurze Phasen der konjunkturellen Erholung. Derweil nimmt die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben immer extremere Ausmaße an. Prekarität, Verarmung sowie wachsende soziale Unsicherheit und Abstiegsängste prägen das Bild in zahlreichen Ländern. Die globale Staatenkonkurrenz spitzt sich zu, was sich in Wettrüsten, dem Kampf um Einflussräume bis hin zu Kriegen äußert. Die Klimakrise ist längst spürbare Realität und wird sich weiter zur existenziellen Bedrohung für die Menschheit zuspitzen. Die dringend nötige Transformation der Wirtschaft kommt nicht nur viel zu spät und zu zaghaft, die Kosten dafür sollen auch noch nach unten abgewälzt werden.
Die sich gegenseitig verschärfenden sozialen, ökonomischen und politischen Krisen haben zu einem massiven Legitimationsverlust des politischen Systems und seiner Träger, den staatlichen Institutionen und politischen Parteien geführt – nicht nur in Deutschland. Weltweit wenden sich Millionen Menschen vom etablierten Politikbetrieb ab. Nach dem jahrzehntelangen neoliberalen Umbau der Gesellschaft, egal unter welchen Parteien, grassiert Frustration. Die Wut über die Folgen der Wirtschaftskrise, den stagnierenden oder sinkenden Lebensstandard, schlechte Zukunftsaussichten sowie eine undemokratische und niemandem rechenschaftspflichtige herrschende Klasse kommt in immer mehr Ländern an die Oberfläche.
Es braucht möglichst breiten antifaschistischen Widerstand!
Dies ist der soziale Hintergrund, vor dem weltweit rechte, nationalistische, autoritäre und faschistische Kräfte Erfolge feiern. Mit ihrer Kritik an den neoliberalen Eliten und deren unsozialer Politik, ihrer Sündenbock-Ideologie gegen Minderheiten und äußere Feinde sowie ihrer Beschwörung einer angeblichen »Volksgemeinschaft« gelingt es ihnen, den Frust, die Ängste und die Wut in breiten Bevölkerungsteilen in ihre rechten Bahnen zu lenken.
Um dem etwas entgegenzusetzen, braucht es möglichst breiten antifaschistischen Widerstand. Aber es braucht auch eine linke Alternative, damit den Rechten nicht das Feld des Protests gegen die neoliberale Politik der Regierenden überlassen wird. Es braucht eine Linke, die Solidarität und sozialen Protest gegen diese Politik von unten aufbaut und den neoliberalen Dogmen Perspektiven für ein besseres Leben für alle entgegenstellt. Nur so kann der Aufstieg der Rechten und die faschistische Gefahr weltweit nachhaltig gebrochen werden.
Sei dabei! marx21-Strategiezoom // 12. Februar // 19 Uhr
2. Die Stichwortgeber für den rassistischen Wahn der neuen Nazis kommen aus der bürgerlichen »Mitte« der Gesellschaft, in der selbst gegen Geflüchtete, Muslime und angeblich nicht »integrationswillige« Migrant:innen gehetzt wird. Die Strategie der Anpassung an den wachsenden Rassismus, wie ihn die Ampel-Koalition, aber auch das »Bündnis Sahra Wagenknecht« betreiben, ist gleichermaßen fatal. Wir müssen uns dem Kampf gegen Rassismus stellen.
Rechtsradikalen bis faschistischen Kräften wie der AfD spielt in die Hände, dass auch ihre politische Konkurrenz eine Sündenbock-Politik betreibt. Der Rassismus der etablierten politischen Parteien hat es der radikalen Rechten leicht gemacht, die wachsende Unzufriedenheit für ihre Hetze gegen Minderheiten zu missbrauchen. Die AfD treibt ihren Rassismus lediglich auf die Spitze und verbindet ihn mit einer Kritik an den »Eliten«.
In Deutschland versuchten CDU/CSU von Beginn an, die AfD klein zu halten, indem sie selbst nach rechts rücken und rassistische Kampagnen gegen Geflüchtete, Muslime und Menschen mit Migrationsgeschichte lancieren. Doch die Strategie, der Rechten durch Übernahme ihrer Themen, Parolen und Forderungen das Wasser abzugraben, ist zum Scheitern verurteilt. Das musste bereits Horst Seehofer erfahren, der als Bundesinnenminister versuchte die AfD rechts zu überholen und damit tatkräftig zu ihrem letzten Höhenflug 2018 beitrug. Auch Friedrich Merz, der angetreten war mit dem Versprechen, die AfD zu halbieren, indem er den rechtskonservativen Markenkern der CDU wieder ins Zentrum stelle, ist damit grandios gescheitert. Stattdessen hat sich die AfD in Umfragen seither verdoppelt. Es ist offensichtlich: Der Rassismus der bürgerlichen »Mitte« ist Wasser auf die Mühlen der AfD.
Jedes Zugeständnis an die rassistischen Parolen der AfD wird diese weiter stärken.
Doch auch vermeintlich progressive und liberale Kräfte wie die Ampel-Parteien betreiben mit ihren Asylrechtsverschärfungen oder Forderungen nach Abschiebungen »im großen Stil«, wie Kanzler Scholz sie kürzlich erhoben hat, das Geschäft der Rechten und Rassist:innen. Aber das Kalkül, angesichts sinkender Umfrage- und Zustimmungswerte dem Rechtsruck nachzugeben und ihn so zu stoppen, kann nicht aufgehen. Jedes Zugeständnis an die rassistischen Parolen der AfD wird diese weiter stärken und ihren Rassismus gesellschaftsfähiger machen. Dies gilt auch für die neugegründete Partei »Bündnis Sahra Wagenknecht«, die mit gesellschaftspolitischem Konservatismus und Zugeständnissen an rassistische Rhetorik und rechte Forderungen in der Migrations- und Asylpolitik der AfD Konkurrenz im Kampf um Wählerstimmen machen will. Tatsächlich deuten erste Umfragen darauf hin, dass die neue Partei damit Erfolg haben und die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten Stimmen kosten könnte. Es wird dem Kampf gegen Rechts jedoch ein Bärendienst erwiesen, wenn die politische Konkurrenz deren Forderungen übernimmt. Langfristig wird es die Nazis weiter stärken, weil ihre Agenda dadurch bestätigt wird.
Dem Rechtsruck nahezu des gesamten politischen Spektrums von Grünen bis Union gilt es als gesellschaftliche Linke etwas entgegenzusetzen. Dazu zählen der Aufbau von Klassenkämpfen und der Widerstand gegen Neoliberalismus, Militarismus und die Abwälzung der Krisenkosten auf die arbeitende Bevölkerung, aber auch der entschlossene Kampf gegen Rassismus. Hier darf es keine Abstriche geben.
3. Erstmals seit dem Ende des 2. Weltkriegs gibt es in Deutschland wieder eine Partei in den Händen von Faschist:innen mit Masseneinfluss.
Von Beginn an war die AfD auch ein Sammelbecken für diverse faschistische Kleingruppen und Individuen. Das ist sie immer noch, aber die Kräfteverhältnisse haben sich seither wesentlich zugunsten des faschistischen Flügels verschoben, der seinen Machtanspruch auf die Führung längst auch offiziell stellt. Am Höcke-Lager kommt innerhalb der AfD niemand mehr vorbei. Was aber unterscheidet die (Neo-)Faschist:innen in der AfD von ihren innerparteilichen Kontrahent:innen?
Allein ideologisch ist der Faschismus schwer von anderen rechtsradikalen Kräften abzugrenzen. Rassismus, völkischer Nationalismus, Antifeminismus oder das Schüren von Hass gegen sexuelle Minderheiten sind kein Alleinstellungsmerkmal faschistischer Kräfte. Worin sich der Faschismus von anderen rechten Strömungen unterscheidet, sind die Machtmittel, die er aufbaut, um seine Ziele zu erreichen: Er setzt nicht primär auf den Aufbau parlamentarischer Macht, sondern auf den Aufbau von Macht auf der Straße, in Form einer faschistischen Bewegung. So zielte der Höcke-Flügel in der AfD von Beginn an auf das Zusammengehen seiner Partei mit rechten Protestbewegungen wie »Pegida«. Während die Nationalkonservativen versuchen, das politische System nach rechts zu ziehen, etwa durch eine Regierungsbeteiligung der AfD unter einer nach rechts gewendeten Union, wollen die Neofaschist:innen um Höcke das System als Ganzes bekämpfen und zugunsten einer neofaschistischen Führerdiktatur stürzen. Dafür brauchen sie eine eigenständige Machtbasis außerhalb der Parlamente in Form einer gewaltbereiten Bewegung.
Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf.
Erich Kästner
Historisch konnte der Faschismus in Deutschland an die Macht kommen, als das Großkapital angesichts der Tiefe der Krise Anfang der 1930er Jahre die Notwendigkeit sah, die organisierte Arbeiter:innenbewegung gänzlich zu zerschlagen, um ihre Profite zu sanieren. Hierzu setzte es auf die außerparlamentarischen Machtmittel der Nazis, insbesondere in Form der Schlägertrupps der SA. Heute stehen wir nicht an einem Punkt, an dem nennenswerte Kapitalfraktionen eine Abschaffung der Demokratie anstreben, noch gibt es eine auch nur im Ansatz vergleichbare paramilitärische Kraft wie die SA. Aber die sich zuspitzende Krisendynamik, die wir seit Jahren erleben, sollte uns eine Warnung sein. Erich Kästner schrieb im Jahr 1958: »Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.«
4. Die aktuelle Welle antifaschistischer Massenproteste zeigt: Millionen Menschen in Deutschland sind bereit, sich dem Rechtsruck entgegenzustellen. Diese Bewegung gilt es zu vertiefen und auf den entschlossenen Kampf gegen die faschistische Gefahr in Form der AfD zuzuspitzen.
Wir erleben aktuell eine der größten spontanen Wellen des Massenprotests in der Geschichte der Bundesrepublik. Hunderttausende protestieren in den großen Metropolen. Aber auch in unzähligen kleineren und mittelgroßen Städten gehen Tausende, teils sogar Zehntausende auf die Straße. Ausgelöst wurde die Protestwelle durch die Correctiv-Recherche über das Geheimtreffen von AfD-Funktionär:innen und -Abgeordneten mit anderen Rechtsextremen und Neonazis in Potsdam, auf dem diese einen »Masterplan« zur Vertreibung von Geflüchteten, Ausländern und nicht-»assimilierten« Staatsbürger:innen aus Deutschland diskutierten. Die Angst vor einer immer stärker werdenden und gleichzeitig immer radikaler auftretenden AfD bricht sich nun Bahn und treibt die Menschen auf die Straße.
Es braucht die mühsame Arbeit im Kampf um die Mehrheit in den Betrieben, Nachbarschaften, in Hochschulen, Schulen und Vereinen.
Massenmobilisierungen in dieser Größenordnung werden sich nicht dauerhaft aufrechterhalten lassen. Deshalb braucht es den Aufbau langfristiger Strukturen, mit dem Ziel, den Kampf gegen die AfD zu verstetigen, zuzuspitzen und ihn weiter zu verbreitern. Jetzt gilt es, den Moment des Bewegungsaufschwungs zu nutzen, um schlagkräftige Bündnisse gegen Rechts aufzubauen. Zugleich braucht es die mühsame Arbeit im Kampf um die Mehrheit in den Betrieben, Nachbarschaften, in Hochschulen, Schulen und Vereinen.
Insbesondere die Hochschulen und Schulen spielten in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle für die Entstehung eines aktivistischen Milieus, das Träger einer antifaschistischen Bewegung ist. Deswegen schlagen wir vor, ein antifaschistisches Sommersemester auszurufen und eine gemeinsame Massenbewegung an den Hochschulen (und Schulen) zu organisieren.
Skeptische Stimmen argumentieren, dass die aktuellen Massenkundgebungen nicht zu einer Schwächung der AfD führen könnten, weil sie nur die bereits Überzeugten erreichen, nicht aber das Klientel und Umfeld der AfD. Diese Perspektive übersieht jedoch zwei wesentliche Faktoren: Zum einen werden politische Mehrheiten nur dann wirksam, wenn sie auch in den politischen Prozess eingreifen, sich zeigen und Gehör verschaffen, anstatt als »schweigende Mehrheit« dem Rechtsruck passiv gegenüberzustehen. Die Größe und Dynamik solcher Massenbewegungen kann Schweigende mitnehmen, Schwankende überzeugen und Mitläufer:innen der AfD zur Distanzierung von den Faschist:innen zwingen. Zum anderen setzen Massenproteste gegen Rechts die politischen Parteien der sogenannten Mitte unter Druck, von ihrem aktuellen Rechtskurs abzukommen. Insbesondere können sie der CDU klarmachen, dass eine Koalition mit der AfD in den Ländern von einer breiten Mehrheit nicht akzeptiert wird.
5. Die Forderung nach einem Verbotsverfahren gegen die AfD kann dabei helfen, sie als eine im Kern faschistische Partei zu brandmarken. Zugleich birgt die Forderung jedoch die Gefahr, den Kampf gegen die AfD an den Staat zu delegieren.
Die Enthüllungen über das Potsdamer Geheimtreffen und die folgenden Massenproteste gegen die AfD haben der Forderung nach einem Verbot der Partei starken Auftrieb verliehen. Unabhängig von der Frage, wie realistisch ein AfD-Verbot durch die Gerichte tatsächlich ist und welchen langfristigen Nutzen dieses im Kampf gegen Rechts hätte, ist die Debatte darüber zu begrüßen. Denn sie eröffnet die Möglichkeit, den Charakter der AfD als einer Partei in den Händen von Faschist:innen herauszuarbeiten und dies einer breiteren Masse bewusst zu machen. Die Tatsache zu benennen, dass es sich bei der AfD um eine Partei außerhalb des demokratischen Spektrums handelt, ist richtig. Viel zu oft wird die AfD auch heute noch als »rechtspopulistisch« verharmlost. So stellt sich etwa Friedrich Merz gegen ein AfD-Verbot, mit der Begründung es handele sich nicht um eine Nazi-Partei. Antifaschist:innen sollten sich daher nicht gegen die Verbotsforderung stellen, wie sie nun Hunderttausende auf den Straßen im ganzen Land stellen, sondern dies als Chance nutzen, um über den faschistischen Charakter des in der Partei dominanten Höcke-Flügels aufzuklären.
Der Ruf nach dem Staat wird das Problem der rassistischen und faschistischen Gefahr nicht lösen.
Doch die Forderung birgt auch Gefahren, denn der Staat ist alles andere als ein verlässlicher Partner im Kampf gegen Rechts. Vielmehr ist er Teil des Problems. Spätestens seit den NSU-Morden wissen wir, dass der Staat nicht nur auf dem rechten Auge blind ist – oder zumindest sehr schlecht sieht –, sondern dass staatliche Organe wie der Verfassungsschutz die rechten Strukturen auch aktiv unterstützen. Große Teile des Staatsapparats von Polizei bis Justiz sind selbst von Rechten durchsetzt.
In Wahrheit sind die Staatsorgane wesentlich intensiver mit der Verfolgung von Antifaschist:innen beschäftigt als mit dem Kampf gegen Nazis. Die Forderung nach einem entschlossenen staatlichen Durchgreifen gegen Rechts kann sich somit auch leicht in ihr Gegenteil verkehren und gegen Linke richten. Denn ideologischer Ausgangspunkt für die staatliche Extremismusbekämpfung ist das Konstrukt einer »demokratische Mitte der Gesellschaft«, die gleichermaßen von links und rechts bedroht wird. Diese These verschleiert jedoch nur, dass es der Linken, im Gegensatz zu den Nazis, um eine Ausweitung der Demokratie und Menschenrechte geht. Hinzu kommt, dass die Vertreter:innen dieser angeblich »demokratischen« Mitte selbst immer wieder Rassismus schüren und eine zunehmend autoritäre Politik betreiben.
Der Ruf nach dem Staat wird das Problem der rassistischen und faschistischen Gefahr nicht lösen. Dennoch: Eine breit getragene Kampagne, mit der Druck auf die staatlichen Institutionen und Entscheidungsträger:innen aufgebaut wird, mit allen verfügbaren rechtsstaatlichen Mitteln gegen die AfD aktiv zu werden, kann sinnvoll sein.
6. Die AfD kann zurückgedrängt werden. Dafür braucht es sowohl eine breite antifaschistische Massenbewegung als auch eine Welle des sozialen Protestes.
Um den Faschismus als eine Bewegung, die versucht, Macht auf der Straße aufzubauen, zu schlagen, braucht es eine möglichst breite, entschlossene antifaschistische Gegenbewegung, die sich ihnen entgegenstellt. Diese sollte alle Kräfte umfassen, die bereit sind, gegen den Faschismus aufzustehen, unabhängig von ihrer Haltung in anderen politischen Fragen. Es geht um die Schaffung einer möglichst breiten Aktionseinheit, welche der AfD und ihrem Rassismus politisch und praktisch gegenübertritt. Das Potenzial für ein solches Bündnis ist vorhanden. Es speist sich unter anderem aus den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen in der Bevölkerung, die vor dem Hintergrund des deutschen Faschismus einen antifaschistischen Grundkonsens aufrechterhalten und den vielen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Verbänden, die unabhängig von ihren sonstigen politischen Ausrichtungen diesen Grundkonsens als Teil des Selbstverständnisses ihrer Mitglieder pflegen. Das umfasst zum Beispiel Gewerkschaften, reformistische Parteien wie SPD und Grüne, aber auch Religionsgemeinschaften, Flüchtlingsorganisationen, Künstler:innenvereinigungen sowie die meisten ASten und Schüler:innenvertretungen.
Es braucht eine Politik, die die Systemfrage nicht der völkischen Rechten überlässt.
Klaus Dörre
Aber kann man gemeinsam mit Parteien gegen die AfD auf die Straße gehen, die mit ihrer unsozialen und rassistischen Regierungspolitik selbst eine Mitschuld an deren Erstarken tragen? Die Antwort ist ja. Der Aufstieg der Faschist:innen ist eine unmittelbare Gefahr für uns alle. Deshalb müssen wir ihn auch alle gemeinsam bekämpfen. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass linke Kräfte ihren Antikapitalismus oder ihre Kritik an der Regierungspolitik verstecken müssten. Im Gegenteil: Es braucht, wie es der Soziologe Klaus Dörre formulierte, »eine Politik, die die Systemfrage nicht der völkischen Rechten überlässt.«
Das Bündnis darf also nur um einen zentralen Punkt herum – in diesem Fall den Kampf gegen den Faschismus – aufgebaut werden. Und es muss vor allem in der Aktion stattfinden, nicht durch gemeinsames Vorgehen im Parlament. Daneben – und das ist das zweite unverzichtbare Element, um den Aufstieg des Faschismus zu stoppen und die AfD nachhaltig zurückzuschlagen – braucht es eine starke gesellschaftliche Linke, die den berechtigten Unmut gegen die sozialen Missstände, steigenden Mieten, sinkenden Reallöhne, den Sozialabbau, die Aufrüstung und Umverteilung von unten nach oben von links aufgreift und Klassenkämpfe von unten aufbaut und stärkt. Von zentraler Bedeutung ist daher auch die Erneuerung der LINKEN als oppositionelle linke Protestpartei. Wir müssen um soziale Bewegungen, Gewerkschaften und die Partei einen organisierten dritten Pol bilden, der der Ampel und den Rechten eine Perspektive der Hoffnung und Gerechtigkeit entgegensetzt.
7. Auf Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen gegen die AfD müssen Menschen mit Migrationsgeschichte und ihre Organisationen zu Wort kommen und essenzieller Bestandteil der Demonstrationen sein.
Keine andere Gruppe ist von der Gefahr, die von der AfD ausgeht, mehr betroffen als Geflüchtete, Ausländer:innen und generell Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie sind es, die nach den Plänen der AfD aus Deutschland deportiert werden sollen. Es sind eben diese Menschen, die durch die Flüchtlingspolitik der Regierung – »schneller Abschieben!« – stigmatisiert werden. Damit wird der Nährboden angereichert, auf dem der Rassismus gedeiht. Darunter haben auch diejenigen zu leiden, die schon lange in Deutschland leben, denen aber immer wieder unterstellt wird, sie würden sich in Parallelgesellschaften zurückziehen. Das Gerede von einer deutschen Leitkultur – die es gar nicht gibt –, der sich alle unterzuordnen hätten, steht für Ausgrenzung und sonst nichts. Auch das ist Wasser auf die Mühlen aller Rassist:innen.
Niemand darf diskriminiert werden, weil er oder sie das »Existenzrecht« Israels als Apartheidstaat in Frage stellt.
Migrant:innen müssen deswegen die Gelegenheit erhalten, über den alltäglichen Rassismus, den sie erfahren, offen zu sprechen. Ganz besonders gilt dies auch für Palästinenser:innen. Sie sind seit Wochen als Gruppe von massiven Repressionen und rassistischen Angriffen betroffen. Die AfD unterstützt bedingungslos das militärische Vorgehen der israelischen Regierung und nutzt die Repression gegen Palästina-Solidarität für ihre eigene antimuslimische Agenda. Auch darf niemand diskriminiert werden, weil er oder sie das »Existenzrecht« Israels als Apartheidstaat in Frage stellt. Die CDU fordert das in ihrem neuen Programm und will, dass diese Menschen ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren. Auch das schürt den Rassismus und stärkt die AfD.
8. Um die AfD zu schlagen, darf ihr nicht die Opposition überlassen werden. Was es dafür braucht, ist erfahrbare Klassensolidarität in konkreten sozialen Kämpfen. Deshalb gilt es, auf den aktuellen Aufschwung gewerkschaftlicher Kämpfe aufzubauen und für eine konfliktorientierte und demokratische Erneuerung der Gewerkschaften zu kämpfen.
Das vergangene Jahr bedeutete für abhängig Beschäftigte Reallohnverluste in einem in der Geschichte der Bundesrepublik nie dagewesenen Ausmaß. Die Wut und Ohnmacht vieler Lohnabhängiger gegenüber dieser Entwicklung wird durch den nach wie vor dominanten sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaften weiter befeuert. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum es der AfD gelingen konnte, auch unter abhängig Beschäftigten und sogar Gewerkschafter:innen breite Unterstützung zu gewinnen. In nicht wenigen Betrieben, insbesondere in Ostdeutschland, würde momentan mehrheitlich AfD gewählt werden.
Doch es gibt auch Lichtblicke und Gründe zur Hoffnung: So gab es im letzten Jahr viel mehr Streiks als in den Jahren zuvor – darunter auch erfolgreiche. Und diejenigen, die mehr gekämpft haben als in der Vergangenheit, konnten ihre Reallohnverluste deutlich begrenzen. Daran gilt es anzuknüpfen und jetzt die laufenden und anstehenden Streikbewegungen vorzubereiten bzw. zu unterstützen.
Gewerkschaften, die kämpferisch sind und sich demokratisieren, sind der beste Garant für eine solidarische Stimmung.
Dort, wo Gewerkschaften selbstbewusst aufgetreten und zum Kampf gerufen haben, sind die Beschäftigten in hohem Maße gefolgt und selbst aktiv geworden. Die Gewerkschaft ver.di konnte mit einem Plus von mehr als 40.000 Mitgliedern die beste Mitgliederentwicklung ihrer Geschichte für sich verbuchen. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist im vergangenen Jahr erstmals seit einer Dekade wieder gewachsen. Rund 20.000 Beschäftigte traten neu bei. Der Grund: Die NGG führte 2023 mehr als 400 Arbeitskämpfe. Besonders spannend: Gerade im Osten gab es einen starken Aufschwung von Kämpfen und wachsende Mitgliederzahlen für die Gewerkschaften.
Gewerkschaften, die kämpferisch sind und sich demokratisieren, sind der beste Garant für eine solidarische Stimmung – die auch von migrantischen Kolleg:innen mitgeprägt werden kann und die einen Raum konstituiert, um Rassismus und Faschismus zurückzudrängen. Erfahrungen der Solidarität und der Wirkmächtigkeit von Klassenauseinandersetzungen sind ein wichtiges Mittel, um Arbeiter:innen zu politisieren und für eine linke Perspektive zu gewinnen. Insbesondere im Milieu der sozialpolitisch links, aber gesellschaftspolitisch rechts orientierten Kolleg:innen kann das die AfD massiv zurückdrängen. Deshalb müssen wir als Linke einerseits für eine konfliktorientierte und demokratische Erneuerung der Gewerkschaften kämpfen – nur dann können diese Erfahrungen gemacht und Brücken in breitere Belegschaften geschlagen werden. Andererseits müssen wir Strategien und Methoden entwickeln, um aufbauend auf diesen Kämpfen eine Politisierung in den Betrieben voranzutreiben. Das gilt für gewerkschaftlich Aktive genauso wie für Belegschaften als Ganzes. Mittel dafür sind beispielsweise die Politisierung von Tarifrunden, politische Diskussionen und Schulungen in Betriebsgruppen und Vertrauensleute-Netzwerken, betriebliche Argumentationstrainings oder Aktionen wie Fotopetitionen.
9. Die Kampagne #WirFahrenZusammen, mit der Beschäftigte im ÖPNV und Klimaaktivist:innen im Rahmen der aktuellen Tarifrunde für eine Aufwertung ihrer Arbeit sowie eine Verkehrswende kämpfen, kann ein Leuchtturmprojekt im Aufbau einer sozial-ökologischen Streik- und Oppositionswelle werden und einen Beitrag leisten, die AfD zurückzudrängen.
Mit dem ersten bundesweiten Streiktag am 2. Februar 2024 der Tarifbewegung im öffentlichen Personennahverkehr hat eine beispielhafte Auseinandersetzung begonnen. Sie kann eine Blaupause für den gewerkschaftlichen Aufbruch hin zu einer sozial-ökologischen Klassenpolitik und einer Politisierung von betrieblichen Kämpfen nach links darstellen. Unter dem Motto #WirFahrenZusammen sind ver.di und Klimaaktivist:innen von Fridays For Future ein Bündnis eingegangen, das den Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen mit dem klimapolitischen Ziel einer Verkehrswende verbindet, wozu eine Aufwertung des ÖPNV einen wichtigen Baustein liefert. Diese positive Artikulation von sozial-ökologischer Klassenpolitik stößt in eine Lücke, die dringend gefüllt werden muss, um der Kritik von Rechts an der unsozialen Klimapolitik der Ampel-Koalition eine erfahrbare linke Alternative entgegenzustellen.
Es braucht einen dritten Pol im Kampf gegen den Klimawandel – jenseits von dessen Leugnung, wie sie die AfD vertritt, und den marktkonformen, unsozialen Rezepten der Bundesregierung.
So gibt es in vielen Verkehrsbetrieben nicht wenige Beschäftigte, die selbst mit der AfD sympathisieren. Die »Klimakleber« der Letzten Generation, von deren Protestformen auch Busfahrer:innen unmittelbar betroffen sind, werden von ihnen genauso abgelehnt wie die Politik der Ampel. Die Tatsache, dass Klimaaktivist:innen auf der Suche nach Bündnispartner:innen mit einer machtvollen Durchsetzungsperspektive – Streik – die Beschäftigten in ihrer Tarifauseinandersetzung unterstützen wollen, kann einen wichtigen Beitrag leisten, die Streikbewegung zum Erfolg zu führen, indem sie auch als Kampf für das Klima und die öffentliche Daseinsvorsorge und damit im Interesse aller geframed wird. Darüber hinaus kann die Kampagne innerhalb der Klimabewegung auf einen klassenpolitischen Ansatz orientieren, der die Interessen und Machtmittel der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt, sowie innerhalb der Arbeiter:innenklasse für einen dritten Pol im Kampf gegen den Klimawandel werben, jenseits von dessen Leugnung, wie sie die AfD vertritt, und den marktkonformen, unsozialen Rezepten der Bundesregierung.
Nach einer längeren Planungs- und Vorbereitungsphase läuft die Kampagne nun mit dem Startschuss für die Tarifbewegung richtig an und jede und jeder kann mitmachen und einen Beitrag leisten, sie zu einem Erfolg zu machen, der auch auf andere Branchen und Kämpfe ausstrahlen kann.
10. Der Kampf gegen die Nazis braucht eine starke LINKE. Diese LINKE muss ausstrahlen, dass in einer Gesellschaft, in der nach unten getreten wird und sich Menschen vereinzeln, wir uns stattdessen verbünden müssen, um zu gewinnen.
Was wir brauchen – und die Kampagnen von Corbyn und Sanders haben gezeigt, dass das klappen kann – ist die Verbindung von Kämpfen gegen Unterdrückung in jeder Form mit einer klassenorientierten, kämpferischen und positiven Politik von links, die die Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung gegenüber den Herrschenden artikuliert und diese Aufgabe nicht den Rechten überlässt. Es geht darum, die Menschen als aktive, kämpfende Subjekte zu begreifen, um durch eine Betonung der gemeinsamen Interessen die Spaltung innerhalb der Klasse zu überwinden und die Wut gegen den gemeinsamen Feind zu richten – eine Politik also, die die dringenden Bedürfnisse und Hoffnungen der Menschen anspricht, anstatt ihre Ängste, wie es die Rechte macht. Wenn DIE LINKE als radikale Opposition gegen Kapital, Rassismus und herrschenden Politikbetrieb erkennbar wird, kann sie gewinnen.
DIE LINKE muss wieder klarer die Systemfrage stellen!
DIE LINKE muss Teil eines gesellschaftlichen Pols der Hoffnung werden, der als klare Alternative zum neoliberalen, grünen Kapitalismus und Faschismus wahrgenommen wird. Dafür muss sie wieder klarer die Systemfrage stellen, was bedeutet, die Eigentumsverhältnisse der großen Konzerne in den Bereichen des Wohnens, Arbeitens, der Gesundheit, Mobilität und Energie konsequent und radikal in Frage zu stellen und zu bekämpfen. Es geht um Gemeinwohl für alle.
Mit dem Austritt von Wagenknecht und ihren Anhänger:innen hat das leidige Kapitel der Selbstzerfleischung der LINKEN endlich ein Ende gefunden. Nun bietet sich ein Fenster, die Partei grundlegend zu erneuern. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits erfolgt. Sie gilt es nun weiter zu gehen. Eine gute Gelegenheit, zu experimentieren und auszutesten, wie eine Kampagne der LINKEN als klassenpolitischer Kraft, die Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung zusammenführt und statt auf Stellvertretertum auf Aktivierung und Selbstermächtigung setzt, kann die Kandidatur von Nam Duy Nguyen, einem Kind von Stahlarbeitern aus Riesa, werden, der in Leipzig-Mitte um das Direktmandat für DIE LINKE im anstehenden sächsischen Landtagswahlkampf kämpfen wird. Damit würde er als erste Person of Color in den Sächsischen Landtag einziehen. Wir wollen um seine Kandidatur eine Kampagne aufbauen, die als eine Musterbewegung der Klasse vor Ort und als Experimentierraum für DIE LINKE 2025 dienen kann.
Schlagwörter: AfD, Antifaschismus, Inland