Der Streik bei Verizon im Frühjahr 2016 und die Sanders-Kampagne haben die Erwartungen der Menschen erhöht. Wenn Clinton gewinnt, erwartet sie keine einfache Amtszeit, meint Amy Muldoon
Amy Muldoon, Mitglied der Communications Workers of America und Vertrauensfrau beim Telekommunikationskonzern Verizon in New York.
Der Streik von 39.000 Beschäftigten bei Verizon im April und Mai dieses Jahres bekam einen großen Aufschwung durch die Aufmerksamkeit, die ihm Bernie Sanders in seiner Präsidentschaftskampagne entgegenbrachte.
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Was der Streik erreichte
Aber der Streik trug im Gegenzug auch dazu bei, ein entscheidendes Element in die Diskussion über Sozialismus einzubringen, die durch Sanders‘ Kampagne ausgelöst wurde: den Klassenkampf. Der Sanders-Wahlkampf hat die progressive Rolle gezeigt, die Regierungspolitik dabei spielen könnte, die Macht der Konzerne zu beschneiden und die Wohlstandskluft zu schließen. Aber unser Streik hat verdeutlicht, wie gewöhnliche Menschen die Angriffe der Bosse auf unseren Lebensstandard stoppen können.
Gewerkschaftliche Klassenpolitik
Seit dem Streik hatte ich Gelegenheit, vor verschiedenem Menschen darüber zu sprechen, wie wir die Auseinandersetzung gewinnen konnten. Dabei ist mir das große Interesse an gewerkschaftlicher Klassenpolitik aufgefallen, insbesondere unter jungen Menschen, die auch den Kern der Anhängerschaft von Sanders ausmachen. Jedoch haben sie, die heute beginnen politisch aktiv zu werden, nicht mehr die Erfahrung von Streiks und Klassenauseinandersetzungen wie noch die Generationen vor ihnen. Leider erleben wir keine Welle von Nachahmerstreiks, welche die Diskussion über Klassenmacht vorantreiben könnten. Ich glaube nicht, dass die Radikalisierung, welche die Sanders-Kampagne angetrieben hat, sich in Luft auflösen wird, aber sie könnte in viele verschiedene Richtungen gehen.
Loyalität zur Demokratischen Partei
Innerhalb der Arbeiterbewegung ist auf Ebene der nationalen Führungen die bedingungslose Loyalität zur Demokratischen Partei so groß wie immer. Meine Gewerkschaft, die Communications Workers of America, war wahrscheinlich die größte Arbeiterorganisation, die Sanders unterstützt hat. Es gab bei uns großen Rückhalt für Sanders, teilweise wurde er enthusiastisch gefeiert. Das Gefühl, dass endlich jemand über Klassenpolitik spricht und tatsächlich bereit ist, den Weg der Auseinandersetzung zu gehen, hat der Nominierungskampagne große Aufmerksamkeit beschert. Nachdem Clinton die Nominierung gewonnen hatte, waren viele über die Entscheidung der Gewerkschaftsführungen frustriert, nun Clinton zu unterstützen.
Streik hat Erwartungen erhöht
Clinton ist schon vor der Wahl extrem unbeliebt. Angesichts dessen bezweifele ich, dass sie irgendeine Art Schonzeit bekommen wird. Unser Streik und die Sanders-Kampagne haben die Erwartungen der Menschen erhöht. Den Geist, den sie geweckt haben, wird man nicht so einfach wieder in die Flasche bannen können. Der Nominierungsprozess mag den großen Optimismus, den die Sanders-Kampagne ausstrahlte, geschwächt haben, aber gleichzeitig hat er den Zorn und die Klarheit unter einem Teil von Bernies Anhängern geschärft.
Keine einfache Amtszeit
In den lokalen Gewerkschaftsführungen hat es in den letzten fünf Jahren eine Welle von Veränderungen gegeben, doch noch haben die Demokraten die Hegemonie, sogar unter den progressiven Reformern. Wenn Clinton gewinnt, erwartet sie keine einfache Amtszeit. Die Frage ist, ob die Gewerkschaften bei den kommenden Protesten abseits stehen werden oder diese unterstützen. Die gestiegenen Erwartungen können zu wirklichen Veränderungen führen, wenn die Linke es schafft, die Erfahrungen von Auseinandersetzungen, wie dem Streik bei Verizon, für ein möglichst breites Publikum zu verallgemeinern.
Foto: weaverphoto
Schlagwörter: Demokraten, Demokratische Partei, Gewerkschaften, Hillary Clinton, Sanders, Streik, US-Wahl, USA