Der Rassismus war in der US-amerikanischen Arbeiterklasse damals tief verwurzelt. Gerade deshalb hat die Kommunistische Partei dagegen gekämpft und hatte Erfolg. Von Loren Balhorn.
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Dem Marxismus wird oft vorgeworfen, dass er nicht in der Lage sei, Unterdrückung (Rassismus, Sexismus, Homophobie usw.) ausreichend zu erklären oder zu bekämpfen. Oft hört man (zum Beispiel in Uni-Seminaren, wo dem Autor selbst mehrmals dieser Vorwurf gemacht wurde), dass sich der Marxismus auf den »Hauptwiderspruch« der Klasse konzentriere und die Unterdrückung als »Nebenwiderspruch« sehe, der sich erst nach der Revolution klären wird. Als erstes sollte festgehalten werden, dass bei Marx und Engels (und Lenin, Luxemburg, Trotzki usw.) die Formulierung »Haupt- und Nebenwiderspruch« nicht auftaucht. Diese schematische Vorstellung wurde später in den marxistischen Diskurs eingebracht, vermutlich von Mao,1 und dann von maoistisch-inspirierten Gruppen im Westen aufgegriffen und verbreitet. Im Zuge der politischen Auseinandersetzungen der 1970er und 1980er Jahre wurde das Klischee des Haupt- und Nebenwiderspruchs immer stärker mit dem Marxismus an sich assoziiert. In einem gewissen Sinne ist also diese Kritik völlig unberechtigt, weil sie eben die Eigenschaften einer (beinah ausgestorbenen) Strömung des Marxismus für den Marxismus insgesamt verallgemeinert. Doch der Vorwurf lebt auch weiter, weil eben nicht alle, die sich als »Marxisten« bezeichnen, bereit sind, konsequent alle Formen der Unterdrückung zu bekämpfen. Dennoch finden wir in der Geschichte unserer Bewegung eine reiche Tradition an Denkern und Kämpfern, die allen Formen der Unterdrückung eine konsequente Kampfansage erteilten und ihren Marxismus darauf ausrichteten. Diese Traditionen geben dem Marxismus ein solides Grundgerüst, auf dem wir aufbauen können.
Debatten über das Verhältnis zwischen Ausbeutung und Unterdrückung und darüber, wie Revolutionäre sich dazu positionieren, wurden zur Gründungszeit der Kommunistischen Internationale weltweit geführt. Obwohl ihre Aktionen fast 100 Jahre zurückliegen und natürlich in vielen Facetten nicht mehr aktuell sind, waren sie die ersten, die die Grundlagen für die marxistische Theorie heute legten. Am Anfang des 20. Jahrhunderts gab es keinen Konsens unter Marxisten, wie die Bewegung mit Rassismus umgehen solle. Obwohl Rassisten innerhalb der sozialistischen Bewegung immer eine kleine Minderheit waren, gab es in der Tat eine Tendenz, die Abschaffung des Rassismus mit der Revolution als gelöst anzusehen, und es existierten relativ wenig unabhängige Theorien oder gar eine praktische Bekämpfung des Rassismus. Erst in der Zeit um und nach der russischen Revolution wurden Fragen von nicht ökonomischer Ausbeutung verstärkt thematisiert und neue Perspektiven entwickelt; dabei spielte Lenin eine wesentliche Rolle.
Kein Land war so stark von diesen Debatten betroffen wie die Vereinigten Staaten. Wegen der Größe ihrer schwarzen Bevölkerung, dem Erbe der Sklaverei und der daraus folgenden Intensität des gesellschaftlichen Rassismus wurden Kommunisten dort viel mehr mit dieser Frage konfrontiert als in den Ländern Westeuropas. Schwarze litten unter immenser Repression, rassistischer Unterdrückung und ökonomischer Überausbeutung, während viele weiße Arbeiter die rassistische Ideologie der herrschenden Klasse in ihren Köpfen trugen. Der Weg der Kommunisten dort, von einem einzigen schwarzen Mitglied bei der Gründung auf 7.000 in 1938 zu kommen, bietet auch heute noch viele interessante Lehren. Keine historische Erfahrung kann eins zu eins übertragen werden, vor allem wenn so viel Zeit und Raum zwischen damals und heute liegt. Doch ein Bewusstsein dafür zu entwickeln ist zwingend notwendig, um vergangene Fehler nicht zu wiederholen, hilfreiche Lehren beizubehalten und die heutigen Debatten mit historischen Hintergründen und Perspektiven zu beleuchten.
Marx über Rassismus
Weder Marx noch Engels analysierten den zu ihren Lebzeiten existierenden Rassismus systematisch. Vielleicht sahen sie damals noch nicht, was für ein zentrales Phänomen der Rassismus für die Arbeiterbewegung und die gesellschaftliche Linke noch werden würde, weil sie beide in Europa vor der Zeit der Massenmigration lebten.2 Dennoch ist in ihren Schriften klar zu erkennen, dass sie sich gegen Rassismus in jeder Form wendeten. Marx und Engels sahen in der Arbeiterklasse das Subjekt der universalen gesellschaftlichen Umwälzung und schätzten mehr als alles andere ihre politische und praktische Einheit. Dementsprechend waren alle Formen der Spaltung und Unterteilung unter den Arbeitern eine Gefahr für die Revolution und ein Vorteil für ihre Feinde. Demnach hieß es in den von Marx geschriebenen provisorischen Statuten der 1. Internationale:
dass die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse daher der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist;
dass alle auf dieses Ziel gerichteten Versuche bisher gescheitert sind aus Mangel an Einigung unter den mannigfachen Arbeitszweigen jedes Landes und an der Abwesenheit eines brüderlichen Bundes unter den Arbeiterklassen der verschiedenen Länder;
dass die Emanzipation der Arbeiterklasse weder eine lokale, noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfasst, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken der fortgeschrittensten Länder abhängt;3
In zumindest zwei konkreten Fällen warnte Marx vor der Trennung der Arbeiterklasse nach Rassen als einer politischen Lähmung, die den Kampf der Arbeiterklasse für soziale Gerechtigkeit verhindere. Marx sah ein, dass der Rassismus dazu diente, verschiedene Gruppen von Arbeitern gegeneinander auszuspielen – wovon nur die herrschende Klasse profitierte. So schrieb er an Abraham Lincoln während des US-amerikanischen Bürgerkrieges: »Solange die Arbeiter, die wahren Träger der politischen Macht im Norden, es erlaubten, dass die Sklaverei ihre eigene Republik besudelte; solange sie es dem Neger gegenüber, der ohne seine Zustimmung einen Herrn hatte und verkauft wurde, als das höchste Vorrecht des weißen Arbeiters rühmten, dass er selbst sich verkaufen und seinen Herrn wählen könne – solange waren sie unfähig, die wahre Freiheit der Arbeit zu erringen.«4 Im selben Brief proklamiert Marx, dass der Sieg des Nordens im Bürgerkrieg eine neue Epoche für die internationale Arbeiterklasse auslösen würde. Auch wenn Lincoln kein Sozialist war, erkannte Marx, wie wichtig es für den Fortschritt der US-amerikanischen Gesellschaft wäre, den institutionellen Rassismus und die Versklavung des Südens abzuschaffen.
In den wenigen Schriften, in denen sich Marx mit Rassismus beschäftigte, entwickelte er bereits drei Kernelemente: erstens, dass der Kapitalismus Wettbewerb unter den Arbeitern fördert; zweitens, dass die herrschende Klasse bewusst Rassismus benutzt, um die Arbeiter voneinander getrennt zu halten und dadurch kontrollierbarer zu machen und drittens, dass die Unterdrückung einer Gruppe von Arbeitern schädliche Auswirkungen auf alle Arbeiter hat, weil sie sie in Klassenauseinandersetzungen schwächt. Dies mag heute als eine Theorie des Rassismus nicht ausreichen – ist aber eine unverzichtbare Grundlage dafür.5
Was tun mit dem Kolonialismus?
Worüber Marx und Engels sich nicht ganz klar waren, das war die Frage des Kolonialismus. Hinsichtlich dessen teilte Marx (zumindest in seinen frühen Schriften) die Illusion vieler seiner Zeitgenossen, dass die Kolonialmächte einen gewissen gesellschaftlichen Fortschritt mit sich bringen würden.6 Obwohl sie den Kolonialismus moralisch verurteilten, fehlte in den bekanntesten Werken von Marx und Engels eine systematische Analyse des Kolonialismus. Diese anscheinend ungeklärte Frage bei Marx bedeutete, dass sie auch unter seinen Nachfolgern umstritten blieb. Sowohl in der SPD als auch in der Sozialistischen Partei Amerikas (SP) entstanden reformistische Flügel um Figuren wie Eduard Bernstein in Deutschland und Victor Berger in den USA, die, in ihrem Streben verlässliche Partner der bürgerlichen Regierung zu werden, auch bereit waren, Kolonialismus und Rassismus zu dulden. Bernstein schrieb in seinem Werk »Die Voraussetzungen des Sozialismus« über die Möglichkeit, sozialistische Kolonien zu gründen, und über das Recht der »höheren Kultur« gegenüber den »Wilden«, deren Boden zu besetzen.7 Dies entsprach Bernsteins Auffassung, dass der Sozialismus durch die geduldige Übernahme bürgerlicher Regierungen seitens der Sozialdemokratie zu verwirklichen sei. Demnach würde die Arbeiterbewegung irgendwann den deutschen Staat zusammen mit seinen Kolonien übernehmen und »sozialistisch« verwalten. Berger, der bekannteste Führer der SP neben Eugene V. Debs,8 ging da wesentlich weiter und redete als bekennender Rassist offen von der »kulturellen Überlegenheit der weißen Rasse«. Berger, der eine beliebte Persönlichkeit unter deutschen Einwanderern in Wisconsin war, sah die Arbeiterbewegung als eine weiße, europäische Angelegenheit an. Er plädierte 1910 auf dem SP-Parteikongress für ein Einwanderungsverbot für Nicht-Europäer, denn »mit dem Neger … haben wir Schwierigkeiten genug«.9
Die Grundlage für solche Tendenzen innerhalb der sozialistischen Bewegung war nicht ein verborgener Rassismus innerhalb des Marxismus an sich, sondern eine nicht ausreichende Analyse der Unterdrückung im Kapitalismus, verbunden mit einer Rechtsentwicklung innerhalb der sozialistischen Bewegung. Als die sozialdemokratischen Führungen sich nach und nach einer rein parlamentarischen Politik annäherten, sahen sie sich gezwungen, sich den bestehenden Verhältnissen anzupassen. Dies bedeutete oft, den Bewusstseinsstand der Arbeiterklasse als gegeben zu akzeptieren, statt von einem dynamischen Bewusstsein auszugehen, das sich in Arbeitskämpfen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verändern kann. Für Berger in den USA hieß das, den virulenten Rassismus der Gewerkschaft und vieler weißer Arbeiter als gegeben hinzunehmen. Abgesehen von seinem privaten Glauben an die Überlegenheit der Europäer, suchte er den Weg zum Sozialismus über ein Bündnis mit dem konservativen und zutiefst rassistischen Gewerkschaftsbund, der American Federation of Labor (AFL), um eine mächtige Allianz zwischen der SP-Führung und der AFL-Bürokratie zu schmieden. Die AFL war zu dieser Zeit der Meinung, dass Schwarze unorganisierbar seien und verteufelte sie als Streikbrecher10 – eine Haltung, die sich hervorragend mit Bergers Rassismus vereinbaren ließ.
Der ideologische Ausdruck dieser Entwicklung war eine politische Haltung, die oft als Ökonomismus beschrieben wird. Ökonomismus bedeutet, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit (oder Kapitalisten und Arbeitern) als die zentrale gesellschaftliche Achse zu betrachten, von der aus alle Unterdrückung und Ungerechtigkeit überwunden werden kann. Diese Einstellung war bei verschiedenen Strömungen der sozialistischen Bewegung zu finden. Am stärksten ausgeprägt war sie unter den rechten Flügeln. Doch auch bei linken Sozialisten, wie Eugene V. Debs, die sich entschieden gegen den Rassismus äußerten, gab es die Tendenz, Schwarze auf ihren Status als Arbeiter zu reduzieren.11 Wie wir später sehen werden, war diese »Farbenblindheit« auch die offizielle Position der amerikanischen kommunistischen Partei (CP) bei ihrer Gründung. Wenn Antirassismus praktiziert wurde, dann nur, um die Arbeiterklasse vor der Spaltung zu schützen, aber er wurde nicht als ein wichtiger Kampf an sich gesehen. Soziale Kämpfe gegen Rassismus wurden vermieden, u.a., um die Einheit der Arbeiterklasse zu bewahren. Dies war, vor allem in einem Land, in dem der Rassismus eine solch zentrale politische Rolle spielte wie in den USA, ein erheblicher politischer Fehler, der erst durch die Einmischung der russischen Bolschewiki korrigiert werden sollte.
Lenin und nationale Befreiung
Die marxistische Theorie des Rassismus bekam drei Jahrzehnte nach Marx’ Tod ein »Update« in Form von Lenins Texten zur nationalen Selbstbestimmung und zum Imperialismus. Lenin, wichtiges Mitglied und Theoretiker (aber längst nicht alleiniger »Führer«) der russischen Bolschewiki,12 war schockiert darüber, wie schnell die Sozialistische Internationale unter dem Druck des Kriegs zusammengebrochen war. Er widmete sich in den Jahren des Ersten Weltkriegs der Frage der Revolution. Wie war sie zu verwirklichen und mit welcher Strategie kommt man dahin? Wie soll – nach dem totalen Versagen der Sozialdemokratie – eine wahrlich revolutionäre Strategie aussehen? Dabei entwickelte er neue Ansätze in Theorie und praktischer Bekämpfung der unterschiedlichen Formen der Unterdrückung im Kapitalismus.
Russland unterschied sich von den westeuropäischen Ländern in vielen Facetten, doch ein Punkt sollte sich für die Frage des Rassismus als zentral erweisen – während die westeuropäischen Mächte Kolonien außerhalb Europas eroberten, hatten die russischen Zaren große Teile Zentralasiens und Sibiriens über mehrere Jahrhunderte hinweg besetzt und annektiert. Länder wie Deutschland und England waren zu der Zeit ethnisch relativ homogen – natürlich gab es etliche gesellschaftliche Minderheiten – aber ihre Kolonien lagen tausende Kilometer entfernt auf anderen Kontinenten und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gehörte zur Mehrheitsgesellschaft. Russland war anders als Westeuropa, es war, wie Lenin schrieb, ein »Zuchthaus der Völker«.13 Russland war umringt von besetzten Ländern und nicht russischen Bevölkerungen, die seit Jahrhunderten unter russischer Herrschaft lebten. Sie forderten Unabhängigkeit vom russischen Staat und Kapital – und Lenin erkannte, was für eine massive Sprengkraft diese Forderung in sich trug.
In zwei kurzen Aufsätzen14 analysierte er die Dynamik zwischen unterdrückenden und unterdrückten Nationen im Imperialismus und ihr Verhältnis zum Klassenkampf. Er brach mit dem Ökonomismus und argumentierte, dass Kämpfe für nationale Unabhängigkeit, weil sie meistens auch Kämpfe gegen die größten kapitalistischen Mächte waren, wichtige Kämpfe auch für Sozialisten seien. Er plädierte dafür, das Recht auf nationale Unabhängigkeit jeder unterdrückten Nation zu unterstützen als Voraussetzung für eine wirklich freiwillige und demokratische Einheit der Völker gegen die russische Monarchie. Für westeuropäische Sozialisten bedeutete dies, in allen Fällen die Unabhängigkeitskämpfe in den Kolonien zu unterstützen, auch wenn diese Position nicht immer mehrheitlich von der Arbeiterklasse getragen wurde. Damit wendete sich Lenin zum einen gegen den rechten Flügel der Sozialdemokratie um Bernstein, der offen eine »sozialistische Kolonialpolitik«15 befürwortete; zum anderen aber auch gegen bekannte Persönlichkeiten der sozialdemokratischen Linken, wie Rosa Luxemburg, die nationale Befreiungskämpfe für altmodisch und unwichtig hielten. Im Kern argumentierten sie und ihre Mitstreiter, dass nationale Befreiung im Kapitalismus unrealistisch bzw. unerreichbar sei und im Sozialismus reaktionär.16 Sie betrachteten die Epoche der nationalen Befreiung als vergangen und erwarteten, dass die bevorstehende proletarische Weltrevolution solche Gegensätze erledigen würde. Vor der Revolution den Kampf um nationale Befreiung zu führen, lenke die Unterdrückten von ihrem eigentlichen Ziel bloß ab.
Lenin argumentierte, dass anti-koloniale Befreiungskämpfe, wie alle Kämpfe, die den Kapitalismus destabilisieren, aber nicht direkt zu stürzen drohen, einen gemeinsamen Hauptfeind haben und deshalb als Teil der Weltrevolution gesehen werden müssen. Die Arbeiterklassen der unterdrückten Länder forderten nationale Unabhängigkeit genauso wie die Bourgeoisie dieser Länder. Gäbe es keine revolutionäre Unabhängigkeitsbewegung, würde es umso mehr eine starke bürgerliche geben, die dann aber auch Wurzeln in der Arbeiterklasse schlagen könne. Um eine möglichst mächtige internationale revolutionäre Kraft aufzubauen, dürfe es keine Trennung zwischen den Arbeitern verschiedener Länder geben und auch kein Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie eines Landes gegen die Bevölkerung eines anderen Landes. Also zog Lenin den Schluss, dass die Sozialisten seiner Zeit das Recht auf Unabhängigkeit für alle unterdrückten Ländern fordern müssten, um den Widerspruch aufzugreifen, nicht revolutionäre politische Kräfte in der Frage herauszufordern und eine möglichst starke revolutionäre, internationalistische Bewegung dadurch hervorzubringen. Jeden Widerspruch des Kapitalismus sah Lenin als einen Ansatzpunkt, bei dem eine revolutionäre Bewegung den Arbeitern und Unterdrückten zeigen kann, warum ihre Strategie diejenige ist, die dazu in der Lage ist, die kapitalistische Ordnung zu stürzen:
… nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, sondern alle grundlegenden Forderungen der politischen Demokratie sind beim Imperialismus nur unvollständig, verstümmelt und als eine seltene Ausnahme (zum Beispiel die Abtrennung Norwegens von Schweden im Jahre 1905) »durchführbar«. Die Forderung der sofortigen Befreiung der Kolonien, die von allen revolutionären Sozialdemokraten aufgestellt wird, ist ebenfalls beim Kapitalismus ohne eine Reihe von Revolutionen »undurchführbar«. Aber daraus folgt keinesfalls der Verzicht der Sozialdemokratie auf den sofortigen und entschiedenen Kampf für alle diese Forderungen. Das wäre ja nur in die Hand der Bourgeoisie und Reaktion gespielt. Ganz im Gegenteil, man muss alle diese Forderungen nicht reformistisch, sondern entschieden revolutionär formulieren […] Die sozialistische Revolution kann nicht nur aus einem großen Streik oder einer Straßendemonstration oder einem Hungeraufstand, einer Militärempörung oder einer Meuterei in den Kolonien, sondern aus einer beliebigen politischen Krise, wie der Dreyfus-Affäre oder dem Zaberninzident, oder im Zusammenhang mit dem Referendum in der Frage der Abtrennung der unterdrückten Nationen und ähnlichem mehr aufflammen.17
Lenins Ziel war eine revolutionäre Massenpartei, die nicht nur die weiße, männliche Arbeiterklasse umfasst, sondern alle Unterdrückten eines gegebenen Landes inspiriert, organisiert und politisch führt. Als klassischer Marxist war ihm die Zentralität der Klasse klar. Der Vorwurf, dass Lenin Kämpfe gegen Rassismus und andere Unterdrückungen »opportunistisch« betrachtete (sprich: um die Unterdrückten auf seine Seite zu bringen) stimmt vielleicht teilweise. Doch sowohl Lenins Leben als auch seine Schriften zeigen eine Persönlichkeit, die sich leidenschaftlich der Befreiung aller Unterdrückten widmete. Und was sich aus seinen Überlegungen ergab, war eine erneute Debatte innerhalb der kommunistischen Bewegung, bei der betont wurde, dass es wichtig ist, Unterdrückung ernst zu nehmen, sie nicht auf die wirtschaftliche Ausbeutung zu reduzieren und nicht auf eine abstrakte sozialistische Revolution hinzuweisen, sondern konkret im Hier und Jetzt auch in diesen Fragen aktiv zu werden. Nur so wird es möglich, die universale Einheit der Klasse herzustellen, die eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche sozialistische Bewegung ist.
Lenins Thesen sollten in den kommenden Jahren große Auswirkungen auf die Kommunisten in den USA haben, einem Land, in dem die gesellschaftlichen Spuren der Sklaverei überall noch präsent waren und ein Rassismus herrschte, der viel intensiver war und tiefer ging als in den meisten industrialisierten Ländern. Obwohl die CP18 dort eine ähnliche Position zu Rassismus hatte wie ihre sozialdemokratischen Vorfahren, entwickelte sie über die Jahre eine antirassistische Kampagnenpolitik, die es ihr ermöglichte, innerhalb von weniger als zwanzig Jahren Tausende schwarzer Arbeiter zu rekrutieren und eine bedeutsame Basis innerhalb der schwarzen Bevölkerung zu etablieren. Dies passierte aufgrund des Zusammenwirkens von drei Prozessen: erstens die Massenmigration der schwarzen Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg und die Entstehung einer kämpferischen schwarzen Arbeiterklasse im amerikanischen Norden; zweitens die Intervention von Lenin und der Kommunistischen Internationale in die Debatten der amerikanischen CP; und drittens die Arbeit von einem kleinen Kern schwarzer Kommunisten namens African Blood Brotherhood und der Einfluss, den sie sich in der Partei erkämpften.
Great Migration und New Negroes
Die Vereinigten Staaten befanden sich am Anfang des 20. Jahrhunderts in einer Transformation. Fünf Jahrzehnte nach dem amerikanischen Bürgerkrieg bestand das Land aus einem boomenden, industrialisierten Norden mit rasant wachsenden Städten, steigenden Lebensstandards und einer starken Arbeiterbewegung – hierhin strömten Migranten aus der ganzen Welt. Der amerikanische Süden, in dem eine homogene und stabile Aristokratie über ein Plantagenreich herrschte, war im Gegensatz dazu noch sehr ländlich geprägt. Obwohl die Sklaverei 1865 per Dekret abgeschafft wurde, gab es nach dem Ende der Reconstruction19 im Großen und Ganzen eine Re-etablierung der halbfeudalen, auf der Ideologie einer »Rassen«-Hierarchie beruhenden südlichen Gesellschaftsform. Ein intensiver Rassismus, von oben betrieben, aber von unten angenommen und weitergeführt, hielt die armen weißen Bauern und armen schwarzen Bauern auseinander – Klassengegensätze wurden durch Rassismus ausgeblendet.
Ab 1910 und verstärkt während des Ersten Weltkriegs migrierten hunderttausende Afro-Amerikaner aus dem amerikanischen Süden in die urbanen Industriezentren des Nordens, um in den neuen Fabriken der nördlichen Bourgeoisie Arbeit zu finden. Weil die europäische Migration während des Krieges massiv eingeschränkt wurde und die weiße Arbeiterklasse massenhaft zur Armee ging, suchten Kapitalisten dringend neue Arbeitskräfte.20 Das Großkapital arbeitete mit dem winzigen schwarzen Bürgertum im Norden zusammen, um eine massenhafte Propagandakampagne zu entfachen, die den Schwarzen Wohlstand und Gleichheit in den Fabriken des US-amerikanischen Nordens versprach. In Manhattan zum Beispiel wuchs die Zahl schwarzer Einwohner von 60.534 im Jahr 1910 auf 109,133 im Jahr 1920.21 Diese sogenannte Great Migration führte dazu, dass sich zum ersten Mal eine urbane schwarze Arbeiterklasse formierte, die ein verstärktes politisches Bewusstsein innerhalb der schwarzen Bevölkerung vorantrieb. Die wirtschaftliche Stagnation und barbarische Repression des Südens verhinderte jahrzehntelang die Entwicklung eines kollektiven politischen Bewusstseins unter den Schwarzen, aber mit der Migration in den Norden entdeckten sie neue Möglichkeiten und damit auch neue Erwartungen. Der um die Zeit populär gewordene Begriff New Negro drückte dieses neue Bewusstsein aus – die New Negroes waren nicht mehr bereit, Unterdrückung, Ausbeutung und Entmenschlichung hinzunehmen. Viele schwarze Männer dienten auch als Soldaten in Europa als Teil einer strikt nach Hautfarbe segregierten US-Armee und waren erstaunt zu sehen, dass sie in Europa deutlich weniger Rassismus erlebten als zu Hause, in dem Land, für das sie kämpften.
Trotz dieser Migration und den Massen von Schwarzen in den Fabriken blieben die meisten Gewerkschaften bis in die 1930er Jahre hinein nur für Weiße offen. Deshalb waren die ersten Jahre dieser Radikalisierung nicht von der Arbeiterbewegung geprägt, sondern von anderen, spezifisch schwarzen Bewegungen. Die Massen von New Negroes trafen in den großen Städten des Nordens auf schwarze Einwanderer aus der Karibik, die antikoloniale und revolutionäre Traditionen mit in ihre neue Heimat brachten. Aus dieser raschen Transformation entsprang zuerst die United Negro Improvement Association um den jamaikanischen Migranten Marcus Garvey. Seine Gruppe wuchs innerhalb von ein paar Jahren zu einer Organisation von Millionen.22 Die UNIA war nicht die erste Organisation von Schwarzen, sie war aber anscheinend radikaler als andere und war daher der erste Anlaufpunkt für die radikalisierten schwarzen Massen. Garvey prangerte den amerikanischen Rassismus an und plädierte für eine Weltvereinigung aller Schwarzen, die gemeinsam nach Afrika zurückkehren würden. Die UNIA war eine Art Staat im Werden, mit paramilitärischen Einheiten, einer wachsenden organisatorischen Bürokratie und ein Netzwerk von schwarzen Geschäften, die eine ökonomische und soziale Basis für die Organisation legten. Garveys Antwort auf Rassismus war im Wesentlichen ein schwarzer Kapitalismus, der aber wegen seiner radikal nationalistischen Rhetorik viele Arbeiter anzog. Er war dagegen, dass Schwarze mit der »weißen Linken« zusammenarbeiteten und auch dagegen, dass schwarze Arbeiter gegen schwarze Kapitalisten für höhere Löhne kämpften.23 Trotzdem, aufgrund des Rassismus der Gewerkschaften und der Nichtbeachtung durch die Kommunisten, war Garvey für junge Schwarze, die nicht mehr bereit waren, so zu leben wie ihre Eltern und Großeltern, viel spannender als das, was die existierende Linke zu bieten hatte. Letztendlich ist Garveys Perspektive aber an ihren inneren Widersprüchen gescheitert: Viele seiner Geschäfte gingen pleite und er war aus vielerlei Gründen nie in der Lage, eine Rückkehr nach Afrika wirklich zu realisieren. Nach seiner Absage an die »weißen Linken« (und damit auch an schwarze Sozialisten) fing Garvey an, Verhandlungen mit dem Ku Klux Klan zu führen (denn sowohl Garvey als auch der KKK wollten, dass die Schwarzen nach Afrika zurückkehren), was ihm große Feindseligkeiten einbrachte. 1927 wurde Garvey nach Jamaika abgeschoben. Seine Organisation brach daraufhin schnell zusammen.24
Die US-amerikanischen Kommunisten: Anfangsjahre
Die ersten Jahre des US-amerikanischen Kommunismus waren chaotisch und verwirrend, geprägt von internen Flügelkämpfen und verbaler Abgrenzung gegenüber dem Rest der Linken.25 Im Jahr 1919 spalteten sich in den USA zwei Gruppierungen auf Anregung der neuformierten Kommunistischen Internationale von der Sozialistischen Partei ab: die Communist Party of America (CPA) und die Communist Labor Party (CPL). Obwohl beide Gruppen das Ziel einer revolutionären Arbeiterpartei in den Vereinigten Staaten verfolgten, dauerte es zwei Jahre, bis, unter erheblichem Druck seitens der Kommunistischen Internationale, eine Vereinigung zur Communist Party (CP) stattfand. Diese frühen Jahre waren u.a. deswegen so turbulent, weil die Kommunisten in der Halbillegalität arbeiten mussten: Die legale US-amerikanische Partei der Kommunistischen Internationale, die Workers Party, war eine Sammlung von linken und radikalen Kräften, in der die formell illegale CP die führende Rolle übernahm. Diese Situation erschwerte die ohnehin schon komplizierte interne Debatte und die externe Konsolidierung der Partei. Es war auch nicht zielführend für die politische Orientierung der Partei, dass sie überwiegend aus Ausländern bestand. Die US-amerikanische Arbeiterklasse formierte sich, anders als in Europa, aus Dutzenden migrantischen Gruppen, die innerhalb der Arbeiterbewegung jeweilige sprachliche und kulturelle Vereine hatten und sich entsprechend organisierten. Die SP war dominiert vor allem von west- und nordeuropäischen Einwanderern, die CP von osteuropäischen. Die zwei kommunistischen Parteien hatten bei ihrer Gründung schon 12 Sprachvereine, die die Mehrheit der Mitglieder organisierten26 – ein Historiker der Partei schätzt, dass 1919 von den ca. 20.000 bis 40.000 organisierten Kommunisten nur zehn Prozent überhaupt Englisch sprachen.27 Nur ein (!) Mitglied war schwarz.28 Bei einer solch schwierigen Ausgangslage waren die Kommunisten kaum in der Lage, in die Gesellschaft zu intervenieren.
Die fatale Politik der frühen CP lässt sich am besten anhand eines Beispiels aus dem Jahr 1919 belegen. 1919 war ein Jahr massiver Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Kapital, wie z.B. der Generalstreik in der Stadt Seattle oder die großen Bergarbeiterstreiks. Insgesamt waren 1919 mehr Arbeiter an Streiks beteiligt als in den kommenden sechs Jahren zusammen.29 Die Kommunisten beteiligten sich wenig an den Streiks; die Parteipresse nannte sie »zwecklos« und appellierte an die Arbeiter, sofort ihre Gewerkschaften zu verlassen, der kommunistischen Partei beizutreten und die sozialistische Revolution durchzuführen.30 Parallel zu diesen riesigen Klassenauseinandersetzungen schürten Politik und Presse eine rassistische Hetze gegen Afro-Amerikaner und Kommunisten31: Im sogenannten »roten Sommer« organisierten gewalttätige Mobs von Weißen in über 30 Städten Pogrome gegen Schwarze. In einem Albtraumszenario für Sozialisten und Linke aller Art wurde eine aufkommende Welle von Klassenkämpfen durch Rassismus gelähmt und ausgebremst – die Einheit der Klasse wurde, wie Marx zuvor warnte, tatsächlich mit Rassismus gebrochen. Die Regierung gab den Kommunisten die Schuld für die Pogrome und behauptete, sie würden antikapitalistische und antirassistische Propaganda unter den Schwarzen verbreiten. Leider war die Realität eine andere – während tausende Schwarze 1919 zum ersten Mal massenhaft Gegenwehr gegen die Pogrome organisierten, blieben Sozialisten und Kommunisten meistens fern. Die zwei kommunistischen Parteien betonten in ihren Äußerungen, dass alle Arbeiter einen gemeinsamen Klassenfeind hätten, aber scheuten davor zurück, aktiv am Widerstand der Schwarzen teilzunehmen.32 1919 war also ein Wendepunkt in zweierlei Hinsicht: Erstens wurden eine bzw. zwei revolutionäre sozialistische Organisationen mit tausenden Mitgliedern gegründet und zweitens entstand ein kämpferisches Bewusstsein innerhalb der schwarzen Bevölkerung – es sollte aber noch dauern, bis diese zwei Strömungen zusammenkamen.
Die Rolle der Komintern
Das Versagen der sozialdemokratischen Parteien, den ersten Weltkrieg zu verhindern oder gar zu bekämpfen, sowie die erfolgreiche russische Revolution verursachten einen großen Riss in der internationalen Arbeiterbewegung. Die Bolschewiki in Russland gründeten zusammen mit Gleichgesinnten die Kommunistische Internationale (kurz Komintern), um die revolutionären Teile der Arbeiterbewegung in einer verbindenden Weltpartei zu vereinigen. In ihren ersten Jahren war die Komintern eine Schule der revolutionären Strategie und Taktik auf einem Niveau, welches wir uns heute kaum noch vorstellen können. Die Mitgliedsparteien vertraten Hunderttausende revolutionäre Sozialisten auf der ganzen Welt und trugen Verantwortung für revolutionäre Versuche in vielen Ländern. In ihren ersten vier Jahren wurden Debatten geführt und Ideen entwickelt, die bis heute den Marxismus prägen.
Die Komintern befasste sich auf dem 2. Weltkongress der Komintern 1920 zum ersten Mal mit der sogenannten »Negerfrage«. Lenin bat den Amerikaner John Reed, eine kurze Rede zur Situation der Schwarzen in den USA zu halten. Reed schilderte die weit verbreitete Armut und Unterdrückung unter der schwarzen Bevölkerung und plädierte für mehr Arbeit seitens der amerikanischen Kommunisten in der Frage, blieb aber bei der traditionellen Position stehen, dass Schwarze sich primär als Arbeiter organisieren müssten, um ihre Unterdrückung zu bekämpfen.33 Lenin und andere führende Bolschewiki waren davon überzeugt, dass ihre amerikanische Genossen der Rassismusfrage mehr Aufmerksamkeit schenken müssten und stritten sich deswegen wiederholt mit ihnen. Auf dem Dritten Kongress der Komintern wurde eine Kommission zu diesem Thema gebildet, die sich primär mit der Situation in den USA und der in Südafrika beschäftigen sollte. Führende Kommunisten waren der Meinung, dass die Frage der Schwarzen in den USA nicht losgelöst von der Kolonialfrage zu betrachten sei und umgekehrt. Rassismus in den USA funktioniere wie Kolonialismus oder Antisemitismus in den europäischen Ländern – er spalte die Arbeiterklasse in verschiedene Lager und sei somit eine wesentliche Hürde für die revolutionäre Bewegung; die Kommunisten müssten ihn aktiv bekämpfen.34
Auf dem Vierten Weltkongress wurde die »Negerfrage« verstärkt thematisiert. Schwarze Kommunisten von der amerikanischen Partei referierten zum ersten Mal selbst zur Frage. Claude McKay, ein berühmter jamaikanisch-amerikanischer Dichter und Sympathisant der Partei, beklagte den verdeckten Rassismus und Ökonomismus seiner Parteigenossen und forderte die Partei und die Komintern auf, eine offensivere und gezieltere Arbeit unter Schwarzen zu organisieren. Lenin und andere führende Bolschewiki unterstützen McKay. Sie wussten aus eigener Erfahrung, was für eine wichtige Rolle unterdrückte Minderheiten im Kampf gegen die eigene herrschende Klasse spielen können und forderten ihre amerikanischen Genossen auf, von ihrer Erfahrung zu lernen und die Schlussfolgerung zu ziehen, den Kampf der Schwarzen ernster zu nehmen. Der Kongress beschloss die »Resolution zur Negerfrage«. Darin stand: »Das Negerproblem ist zur lebenswichtigen Frage der Weltrevolution geworden; die Kommunistische Internationale, die bereits eingesehen hat, was für eine wertvolle Hilfe die asiatischen Völker in den Halbkolonialländern der proletarischen Revolution sein können, betrachtet auch die Mithilfe unserer unterdrückten schwarzen Mitmenschen als absolut notwendig für die proletarische Revolution und die Zerstörung der kapitalistischen Macht.«35 Die Resolution beinhaltete vier Punkte:
1. Der 4. Kongress anerkennt die Notwendigkeit, jede Form der Negerbewegung, die den Kapitalismus entweder unterminiert oder schwächt oder seinem weiteren Vordringen Hindernisse in den Weg legt, zu unterstützen.
2. Die Kommunistische Internationale wird für die Gleichheit der weißen und der schwarzen Rasse kämpfen, für gleiche Löhne und gleiche politische und soziale Rechte.
3. Die Kommunistische Internationale wird sich jedes ihr zur Verfügung stehenden Mittels bedienen, um die Gewerkschaften zu zwingen, schwarze Arbeiter aufzunehmen, oder wo dieses Recht dem Namen nach schon besteht, eine spezielle Propaganda für den Eintritt der Neger in die Gewerkschaften durchzuführen. Wenn sich dies als unmöglich erweisen sollte, wird die Kommunistische Internationale die Neger in eigenen Gewerkschaften organisieren und sich speziell der Einheitsfronttaktik bedienen, um ihre Zulassung zu erzwingen.
4. Die Kommunistische Internationale wird sofort Schritte unternehmen, um einen allgemeinen Negerkongress oder eine allgemeine Negerkonferenz einzuberufen.36
Dieser Beschluss war in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Schritt für die kommunistische Bewegung und den Kampf gegen Rassismus. Erstens wurde seitens der kommunistischen Parteien einheitlich anerkannt, dass der konsequente Kampf gegen Rassismus unabdingbar für ihren Erfolg als revolutionäre Sozialisten sei – die Resolution ließ keinen Platz für Ökonomismus. Zweitens wurden Schwarze als aktives Subjekt ihrer Befreiung anerkannt – während früher viele Sozialisten bei antirassistischen Kämpfen nur daneben standen und die Notwendigkeit der Klassenfrage proklamierten, legte die Resolution die Betonung darauf, dass antirassistische Kämpfe einen Wert an sich hätten. Die Kämpfe der Schwarzen wurden endlich begrüßt und offen unterstützt. Drittens wurde eine konkrete Stoßrichtung für die politische Arbeit vorgeschlagen: der aktive Kampf gegen Rassismus innerhalb der Gewerkschaften. Nur wenn der Rassismus in der Arbeiterbewegung gebrochen sei, wäre es möglich, die Einheit zwischen schwarzen und weißen Arbeitern nicht nur ideologisch, sondern auch praktisch herzustellen. Alle drei Punkte stellten wesentliche politische Fortschritte gegenüber der passiven Haltung der Sozialdemokratie dar. Natürlich wurden diese Beschlüsse nicht von einem Tag auf den anderen von allen Mitgliedsparteien umgesetzt, doch sie schlugen einen neuen Weg in der Strategie der Kommunistischen Parteien ein und legten damit eine theoretische und strategische Grundlage für die kommende Periode. Der vierte Punkt, einen internationalen Kongress von schwarzen Kommunisten einzuberufen, wurde nur schleppend umgesetzt – er wurde erst acht Jahre später, 1930, in einer Hafenkneipe in Hamburg abgehalten, zu einem Zeitpunkt, an dem die Komintern längst zu einem Instrument der sowjetischen Außenpolitik geworden war.37
Die ersten schwarzen Kommunisten
Obwohl die Komintern mit der Resolution auf ihrem vierten Kongress die CP auf theoretischer Ebene nach vorne brachte, lag deren praktische Arbeit, wie oben beschrieben, weit dahinter zurück. Die soziale und politische Situation in den USA brachten aber unabhängig von der Partei selbst neue politische Kräfte in der schwarzen Bevölkerung hervor, die später eine Schlüsselrolle in der kommunistischen antirassistischen Arbeit spielen würden. Die 1919 gegründete African Blood Brotherhood (ABB) war ein relativ kleiner, halbkonspirativer Kreis, der größtenteils aus karibischen Einwandern in New York bestand. Sie war dort aktiv in der Socialist Party, veröffentlichte die Zeitung Crusader und schwankte in ihren ersten Jahren zwischen ihrer Arbeit mit den Sozialisten, die in New York eine vergleichsweise gute Politik in der Rassismusfrage betrieben, und ihren Sympathien für die Bolschewiki und die Oktoberrevolution. Obwohl die ABB keine »marxistische« Theorie oder Politik im modernen Sinne hatten, waren sie die erste schwarze Organisation, die in ihren Publikationen die Rassismus- mit der Klassenfrage verknüpften.38
Die ABB wurde schon 1919 von den Sozialisten ausgeschlossen, versuchte aber auch danach noch, aktiven Kontakt zu der Partei in New York zu halten. Die Führung der CP interessierte sich zu dieser Zeit weder besonders für die ABB noch für Antirassismus und hatte bis dahin kaum Anstrengungen unternommen, Schwarze aktiv für die Partei zu rekrutieren. Diese kleine Handvoll schwarzer Revolutionäre zeigte einen ungeheuerlichen Mut und politisches Selbstbewusstsein, als sie sich 1921 dazu entschieden, der Partei beizutreten. Da die Partei zu der Zeit noch keine praktische politische Arbeit in der Frage leistete, standen sie vor der Aufgabe, als eine winzige Minderheit in einer Organisation von tausenden Mitgliedern sich für eine radikal andere politische Perspektive stark zu machen. Und noch dazu als eine Handvoll Schwarzer in einer Organisation, die mehrheitlich aus osteuropäischen Migranten bestand und oft nicht einmal dieselbe Sprache sprachen wie sie. Was bewegte sie also dazu, einen solchen Weg zu gehen? Cyril Briggs, einer der Gründer der ABB, erzählte später, dass der rote Sommer ihn dazu bewegt hatte, die Verbindung zwischen Rassismus und Kapitalismus zu sehen: Hätten die weißen und schwarzen Arbeiter gemeinsam gekämpft, hätten alle gewinnen können. Stattdessen wurden sie gegeneinander ausgespielt und verloren beide. Er merkte auch, dass die Presse die Kommunisten als die Organisatoren der antirassistischen Gegenwehr denunzierte und sie als »Bolschewiki« beschimpfte. Briggs sagte zu seinen anderen Mitstreitern: »Wenn das Kämpfen für die eigenen Rechte bedeutet, Bolschewist zu sein, dann sind wir eben Bolschewisten!«39
Die ABB trat der CP nicht wegen ihrer Arbeit unter Schwarzen bei, sondern trotz ihrer Schwäche, denn sie sahen in den Bolschewiki die erste Partei, die konsequent auf revolutionärer Grundlage für die Freiheit aller Unterdrückten kämpfte.40 Ihr Beitritt war ein (erfolgreicher) Versuch, Kontakt zum internationalen Kommunismus aufzunehmen. Nachdem die ABB der Partei beitrat, reisten führende Kader mehrmals nach Moskau, um von Trotzki und anderen politischen Führern der Komintern Rat und Unterstützung zu bekommen in ihrem Kampf um eine Umorientierung in der amerikanischen Partei. Trotzki beriet sich mit den schwarzen Delegierten der Komintern und empfahl Claude McKay, ein Buch über die Situation zu schreiben,41 The Negroes in America.42 Das Buch untersuchte die wirtschaftliche und soziale Stellung der Schwarzen und verurteilte scharf die Selbstgefälligkeit der Parteiführung. Obwohl das Buch erst Jahrzehnte später veröffentlicht wurde, provozierte allein schon der Fakt, dass es geschrieben wurde, große Debatten innerhalb der Partei.
Die Präsenz der ABB-Mitglieder war auch essenziell wichtig für die Partei, die damit nach außen zeigte, dass sie die Probleme der schwarzen Bevölkerung ernst nahm. Eine Partei ohne schwarze Mitglieder konnte nur schwer ihre Forderungen glaubwürdig vermitteln. Obwohl die Partei noch ein Jahrzehnt brauchte, um eine bedeutsame Basis unter Schwarzen aufzubauen, spielten die Mitglieder der ABB dabei eine zentrale Rolle bis in die 1940er Jahre hinein. Viele wurden wichtige Führer in der New Yorker Partei. Briggs und andere ABB-Mitglieder bauten Stück für Stück Strukturen in der Partei auf, die schwarze Mitglieder in der Partei organisierten und politisch aufbauten. Verbunden mit den strukturellen Reformen kämpften sie auch für eine neue strategische Orientierung in der Partei.43 Es ist unklar, ob die Partei auch ohne das Einwirken der ABB zu denselben Schlüssen gekommen wäre.
Der Durchbruch
Im Verlauf der 1920er Jahren näherte sich die CP langsam der schwarzen Bewegung an. Obwohl es ihr nicht gelang, besonders viele schwarze Arbeiter zu rekrutieren, erprobte sie (wenn auch erfolglos) die Organisierung von schwarzen Arbeitern und Kampagnen gegen Diskriminierung innerhalb der Gewerkschaften in Form der Frontorganisation American Negro Labor Congress (ANLC).44 Der Chauvinismus und die Farbenblindheit, die in der Sozialistischen und frühen Kommunistischen Partei zu finden waren, wurden nach und nach zurückgedrängt, wenn auch nie ganz ausgelöscht. Parallel zu den Entwicklungen dort fand in der Komintern eine tragische fundamentale politische Transformation statt. Mit dem Scheitern der russischen Revolution wurde die Komintern zu einem Instrument der stalinistischen Bürokratie. Ihre politische Orientierung diente immer weniger den Zwecken der sozialistischen Weltrevolution und immer mehr der sowjetischen Außenpolitik.45 Ein frühes Symptom dieser Degenerierung war die Bekundung der Black Belt46-Theorie 1928 von Moskau aus, in der proklamiert wurde, dass die Kommunisten eine unabhängige schwarze Republik im Süden der USA, in dem Schwarze zum Teil die Mehrheit der Bevölkerung bildeten, fordern sollten. Diese Forderung war im Kern eine mechanische Übertragung von Stalins Definition der Nation47 auf die Afro-Amerikaner. Bis dahin hatte jedoch noch nie eine schwarze Organisation in den USA eine solche Forderung aufgestellt (die afro-amerikanische Unabhängigkeitsbewegung forderte eine Rückkehr nach Afrika, aber keine Republik auf dem nordamerikanischen Kontinent). Millionen Schwarze aus dem Süden waren gerade dabei, in den Norden zu migrieren und industrielle Arbeiter zu werden. Die Attraktivität einer unabhängigen Republik in dem Gebiet, das sie gerade verlassen hatten, war natürlich gering und die Forderung wurde nie populär. Sie wurde von den Aktivisten der Partei praktisch ignoriert,48 war aber ein Zeichen dafür, wie der politische Zickzackkurs der stalinistischen Komintern die Partei negativ beeinflussen sollte.
Als 1929 die Weltwirtschaftskrise ausbrach, war die CP zum ersten (und letzten) Mal in ihrer Geschichte so aufgestellt, dass sie zu einem zentralen Motor des Klassenkampfs hätte werden konnte. Die Komintern, mittlerweile durch und durch von russischen Bürokraten beherrscht, verkündete die Theorie der »dritten Periode« – laut der Komintern-Führung stünde die Revolution direkt bevor und die oberste Aufgabe aller kommunistischen Parteien sei es, so schnell wie möglich eigen Parteien aufzubauen. Sozialdemokraten und andere Linke seien »Sozialfaschisten«, die es anzugreifen und zu bekämpfen gelte.49 Diese Haltung gegenüber anderen Organisationen war im Nachhinein betrachtet ein absurder Irrtum, aber aufgrund des Konservatismus und Rassismus der American Federation of Labor (AFL) tendierten radikalisierte Arbeiter trotzdem massenhaft zur CP. Die Partei nahm sowohl den Kampf gegen Rassismus in der Gesellschaft als auch innerhalb der Bewegung und der Partei selbst ernst, während sie die Perspektive auf eine sozialistische Revolution der gesamten Klasse als einzige Möglichkeit zur universellen Befreiung anbot. Weil sie beide Konfliktfelder ernst nahm, konnte sie einen Ort für Tausende radikalisierte Schwarze schaffen, die sich im Zuge von Klassenauseinandersetzungen vom schwarzen Nationalismus wegbewegten, und darüber hinaus für Zehntausende weiße Arbeiter, die für konsequenten Antirassismus und revolutionäre Politik gewonnen wurden.
Die Arbeit der CP erzielte einen qualitativen Durchbruch im Jahre 1931 mit der Kampagne für die sogenannten Scottsboro Boys – neun schwarze männliche Jugendliche, die in Scottsboro/Alabama fälschlich beschuldigt wurden, zwei weiße Mädchen vergewaltigt zu haben.50 Der Prozess war von Anfang an eine offensichtliche Farce, was im tiefen Süden auch nicht anders zu erwarten war. Die CP wurde sehr schnell aktiv. Die Partei stellte sofort Anwälte für die Angeklagten bereit und fing an, eine massenwirksame Kampagne um die neun Männer herum aufzubauen. Sie gelangte dadurch schnell in Konflikt mit der etablierten schwarzen Politik in Form der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP). Die NAACP verfolgte eine juristische Strategie, keine politische, und wollte so oder so nicht, dass sich die Kommunisten in den Fall einmischen. Die Parteiführung hingegen betrachtete den Fall als eine ausgezeichnete Angelegenheit, die NAACP anzugreifen und die größere Wirksamkeit der kommunistischen Strategie im antirassistischen Kampf zu beweisen. Sie wandelte schnell die ANLC in eine neue Frontorganisation, die sich auf die Organisierung von Schwarzen konzentrierte, die League of Struggle for Negro Rights, um.51 Sie organisierte in vielen Städten Demonstrationen und Kundgebungen, um ihre Solidarität mit den Scottsboro Boys zu zeigen. Die Scottsboro Mütter reisten mit der Partei durch das ganze Land und hielten Reden vor Tausenden von Menschen.
Die Partei benutzte das Zeitfenster, um ihre antirassistische Arbeit massiv auszubauen – sie nahm den Skandal um den Scottsboro Prozess als Anlass, um eine Kampagne gegen die Ausgrenzung von Schwarzen aus der Schöffentätigkeit anzufangen und, zu einer Zeit, in der im Süden regelmäßige Lynchmorde zu beklagen waren, organisierte sie Truppen, um Schwarze gegen Lynchmobs zu verteidigen. In Harlem z.B. organisierten 200 mehrheitlich weiße Kommunisten eine Demonstration gegen Lynchjustiz, die in wenigen Stunden auf über 3.000 schwarze Arbeiter anwuchs.52 Die Bereitschaft von weißen Kommunisten, mit Schwarzen zu kämpfen und sie gegen rassistische Gewalt zu verteidigen, wurde damals zu einem lebendigen Beweis dafür, dass nicht alle Weißen Rassisten waren und dass die Einheit zwischen weißen und schwarzen Arbeitern möglich war. Auch weil sich die bürgerlichen afro-amerikanischen Organisationen nach wie vor weigerten, politische Bewegungen aufzubauen, wurde die CP bis Ende 1931 eine der einflussreichsten Organisationen unter Schwarzen in New York und anderen großen Städten.53 Die League zog viele prominente Schwarze an und die Partei wurde ein wichtiges Element des schwarzen Lebens in den USA. In einigen Fällen ging die Partei sogar öffentlich gegen Rassismus innerhalb der eigenen Partei vor, wie z.B. 1931, als einige weiße CP-Mitglieder schwarze Mitglieder aufgrund ihrer Hautfarbe von einer Party ausschlossen. Die Partei veranstaltete ein öffentliches Verhör im Zentrum Harlems vor tausenden Zuschauern, um nach außen klar zu zeigen, dass Rassismus innerhalb der Organisation nicht geduldet wird.54
Die CP praktizierte konsequenten Antirassismus auch innerhalb der Arbeiterbewegung. In den 1920er Jahren hatte die Partei noch oft davor gewarnt, dass schwarze Arbeiter möglicherweise als Streikbrecher eingesetzt werden könnten und gab paternalistische Aufrufe heraus, sich dem zu verweigern.55 In den 1930ern war das anders – die Partei trug offensiv die Forderungen der schwarzen Arbeiter in soziale Kämpfe und in die Gewerkschaften hinein. Sie brachte tausende weiße und schwarze Arbeiter zusammen in den großen Arbeitslosendemonstrationen von 1930 und organisierte mehrere Tausende in Kampagnen gegen Zwangsräumungen. Während des wirtschaftlichen Aufschwungs der 1920er Jahre war es oft schwieriger, die gemeinsamen Interessen zwischen schwarzen und weißen Arbeitern aufzuzeigen, weil Weiße tatsächlich oft für höhere Löhne und unter besseren Bedingungen arbeiteten, während Schwarze oft wenig Sympathie mit ihren besser verdienenden weißen Kollegen hatten.56 Doch in Zeiten der Wirtschaftskrise gelang es der Partei schnell, die gemeinsamen sozialen Interessen klar herauszuarbeiten und den Kampf gegen Rassismus praktisch voranzubringen. Die CP sorgte auch dafür, dass die sozialen Bewegungen die Forderungen der schwarzen Arbeiter (gegen Diskriminierung, für gleiche Löhne usw.) explizit benannten und unterstützen. Die Partei praktizierte ihren Antirassismus aber auch beim alltäglichen Umgang in der Organisation – z.B. durch gemeinsame Partys und Tanzstunden, die weiße und schwarze Mitglieder näher bringen sollten, sowie ernsthafte Konsequenzen für weiße Kommunisten, die sich rassistisch verhielten oder äußerten.57 Sie strengte sich an, eine willkommen heißende und solidarische Atmosphäre für Schwarze anzubieten und machte sich keine Illusionen über anhaltende rassistischen Ideologien, die viele Weiße noch in ihren Köpfen hatten. Obwohl die Taktik der dritten Periode – starker Verbalradikalismus und sektiererische Angriffe gegen alle möglichen Bündnispartner – eine effektive Einheitsfront gegen die herrschende Klasse verhinderte und die Partei ein Stück weit isolierte, gibt uns ihre Erfahrung in den frühen 1930ern einen Einblick darin, was vielleicht noch möglich gewesen wäre mit einer demokratischen und tatsächlich revolutionären Organisation.
Im Süden, wo der Rassismus viel tiefer in der Kultur verankert und das politische Klima besonders feindlich war und viele Gewerkschaften sich nicht einmal trauten, überhaupt Arbeiter zu organisieren, geschweige denn Schwarze, gewann die CP schnell einen Ruf als die konsequentesten Kämpfer für Gleichheit unter den »Rassen«. Die herrschende Klasse des Südens schaffte nach dem verlorenen Bürgerkrieg ein System von akuter Ausbeutung und rassistischer Gewalt, das sie benutzte, um weiße und schwarze Arbeiter gegeneinander auszuspielen und Löhne niedrig zu halten. Dementsprechend war eine Partei, die die revolutionäre Einheit von beiden Gruppen propagierte, besonders gefährlich. Die Partei war nie in der Lage, eine massenhafte Organisierung der Schwarzen im Süden zu erreichen. Dennoch zeigte sie mit ihrer Arbeit in Birmingham/Alabama, welch ein Potenzial die Partei damals hatte. Wie im Norden konzentrierte sie sich auf Arbeitslosenbewegungen, aber anders als im Norden bestand ihre Basis von Anfang an mehrheitlich aus schwarzen Arbeitern.
In der tiefen Wirtschaftskrise 1930 wurde Hunger wieder ein Massenphänomen. Im Süden war die CP oft die einzige Organisation, die Widerstand organisierte und Forderungen nach Grundernährung aufstellte. Für die meisten Menschen, mit denen sie in Kontakt kam, war es das erste Mal, dass sie Antirassisten kennenlernten. Oft war es das erste Mal überhaupt, dass Schwarze und Weiße auf Augenhöhe miteinander sprachen.58 Wir können uns heutzutage die Bedeutung dieser Zeit schwer vorstellen, u.a. weil wir einen solchen Rassismus nicht mehr kennen. Aber für Amerikaner der Zeit war es schlicht unglaublich, dass es eine Organisation geben könnte, wo weiße Männer und schwarze Frauen sich auf Augenhöhe gemeinsam politisch organisieren. Die Partei schuf Strukturen, um schwarze Aktivisten auszubilden und zu integrieren und es gelang ihr (wie überall in der Zeit) ein schnelles Wachstum. Aufgrund aggressiver staatlicher Repression und einem tief liegenden Rassismus gelangen der CP im Süden keine vergleichbaren Erfolge wie im Norden, zumindest auf der quantitativen Ebene. Dennoch begeisterte sie tausende Menschen mit ihrem Kampf gegen Unterdrückung, Armut und Ausbeutung. Es wäre nicht übertrieben, zu behaupten, dass die Partei das Leben von Tausenden Menschen fundamental veränderte und neue politische Möglichkeiten schaffte, die den Weg für kommende Bewegungen bereiteten.
Niedergang
Die Geschichte der CP ist, wie die so vieler Kommunistischer Parteien der 1930er Jahre, eine historische Tragödie. Trotz des einmaligen Potenzials für die Bildung einer revolutionären Massenbewegung versagte die Partei aufgrund ihrer Unfähigkeit, eine unabhängige Strategie jenseits von Moskau zu entwickeln. 1933 begann in den USA eine rasante Zunahme an Klassenkämpfen aller Art. Die Anzahl der Streiks verdreifachte sich 1934 und erreichte einen Höhepunkt mit 4.470 im Jahr 1937. In derselben Zeit wuchs die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder von 2.6 auf 7.3 Millionen. Schwarze Arbeiter bildeten eine relevante Minderheit in vielen Industrien und Gewerkschaften und die Partei war mit den 7.000 schwarzen Mitgliedern, die zu ihren eigenen Reihen zählten, blendend positioniert, um einen großen Einfluss innerhalb der Arbeiterbewegung auszuüben. Parallel formierte sich innerhalb der Gewerkschaftsbewegung Widerstand gegen die zutiefst konservative AFL. Die Arbeitskämpfe der 1930er Jahre hatten neue Impulse in den Gewerkschaften geweckt, womit die AFL nicht umgehen konnte. Die kämpferischeren Teile der Arbeiterbewegung gründeten 1936 zusammen mit dem linken Flügel der Gewerkschaftsbürokratie die neue Conference of Industrial Organizations (CIO). Weil die Kommunisten oft die besten Organizer und Aktivisten der Arbeiterbewegung waren, akzeptierte die CIO-Führung, dass die CP auch dort eine große Rolle spielen konnte.59 Die Gesellschaft schien sich insgesamt nach links zu bewegen und die Arbeiterbewegung war auf dem Vormarsch – die Ausgangslage hätte also für die CP kaum besser sein können, um die führende Organisation der Arbeiterklasse zu werden.
Doch 1935 wechselte die Komintern rasch ihre Position zu Roosevelt, der Sozialdemokratie und zum Klassenkampf insgesamt – die dritte Periode war vorbei. Nach sieben Jahren harter Abgrenzung zum Rest der Linken war jetzt der Befehl aus Moskau, möglichst breite antifaschistische Bündnisse auf allen Ebenen aufzubauen. Die CP wechselte also von einem Tag zum anderen von einer Position der konsequentesten Kämpfer in der Gesellschaft überhaupt zu einer linken Stütze der Roosevelt-Regierung. Sie löste die League of Struggle auf und gründete erneute eine andere Organisation, den National Negro Congress. Während die League weit links von der Mitte stand und den radikalsten Flügel der Bewegung darstellte, war der NNC ein Bündnis mit vielen Organisationen und Parteien weit ins bürgerliche Milieu hinein. Um diese Milieus nicht zu erschrecken, weichte die Partei ihre Politik und ihr Programm auf. Bezeichnend für diesen raschen Wandel war der neue Slogan der Partei: »Der Kommunismus ist der Amerikanismus des 20. Jahrhunderts.« Wie alle kommunistischen Parteien unter Stalins Einfluss versuchte die Partei, sich auf nationalistische und patriotische Traditionen zu besinnen und schmückte ihre Literatur und Propaganda mit US-amerikanischen Flaggen statt mit Hammer und Sichel.60
In einem solch rassistischen Land wie den USA war es unmöglich für eine linke Partei, die bestehende Regierung zu unterstützen, ohne schnell die eigenen Prinzipien verraten zu müssen. Obwohl die Kommunisten 1936 und 1937 noch eine wichtige und hervorragende Arbeit leisteten und Tausende schwarzer Arbeiter in der neuen Gewerkschaft CIO organisierten, ließen sie sich als Juniorpartner der Demokraten und Gewerkschaften ausspielen. Sie rekrutierten weiterhin massiv, konnten aber trotz der neu gewonnenen Stärke weder die Bewegung prägen noch die Regierung herauszufordern. Als das Land 1937 von Streiks in bisher unbekanntem Ausmaß erschüttert wurde, war die Partei dabei, diese Streiks auszubremsen. Obwohl sich Roosevelts Partei, die Demokraten, im Süden offen rassistisch positionierte und Lynchmorde vertuschte, unterstützte die CP ihre Kandidaturen bei Kongresswahlen. Sie hielten sich in Verhandlungen mit anderen Bündnispartnern oft zurück, wenn es um Fragen des Rassismus ging, um die »Volksfront« nicht zu gefährden. Diese Kompromisse desillusionierten nach und nach die Mitgliedschaft. Für viele schwarze Mitglieder war die Enthüllung, dass Stalins Russland Öl und Stahl an Mussolinis Italien verkaufte, ein Schritt zu viel und sie verließen die Partei.61
Der Hitler-Stalin-Pakt war der Anfang vom Ende für den NCC und die CP, als die Partei plötzlich erneut ihre Linie wechselte und das Feuer wieder auf Roosevelt und andere frühere Bündnispartner richtete. Als 1941 die Partei noch einmal ihre Linie änderte und wieder zum Unterstützer Roosevelts wurde, mussten alle Positionen wieder umgeworfen werden. Die Parteiführung sagte ihren schwarzen Mitgliedern, dass sie Rassismus in der Gesellschaft und Segregation in der Armee hinnehmen müssten, bis der Faschismus besiegt sei.62 Nach dem Zweiten Weltkrieg war ihre Glaubwürdigkeit längst aufgebraucht. Die geschwächte CP war nach dem Krieg nicht in der Lage, der politischen Repression der 1950er Jahren zu widerstehen – die staatliche Verfolgung der McCarthy-Ära vernichtete beinahe die Partei. Sie wurde schnell zu einer politisch irrelevanten Kraft, die, abgesehen von bekannten Ausnahmen wie Angela Davis, nie wieder über eine wirkliche Basis innerhalb der schwarzen Bevölkerung (oder der Arbeiterklasse insgesamt) verfügte.
Was bleibt?
Der Stalinismus blockierte für Jahrzehnte den Weg des revolutionären Sozialismus und hinterlässt heute noch immer tiefe Spuren in Form einer kleinen und schwach organisierten revolutionären Linken. Obwohl der Marxismus in Person von C.L.R. James und zahllosen anderen eine marxistische Theorie des Rassismus aufrecht erhielt und auch weiterentwickelte, ist der revolutionäre Marxismus bis dato nie wieder in die Position gekommen, unterdrückte Gruppen massenhaft zu organisieren, so wie es die Kommunisten in den 1920ern und 1930ern Jahren schafften. Die Verwirrung in der radikalen Linken führte nach dem Niedergang der CP oft zu schrecklichen politischen Schlussfolgerungen. Ein Beispiel dafür sind die Black Panthers, die zwar eine durchaus revolutionäre Praxis hatten, auf der theoretischen Ebene sich aber mit dem Maoismus und der nordkoreanischen Juche-Ideologie identifizierten. Diese Theorien waren Karikaturen des Marxismus und nicht in der Lage, die Welt zu erklären. Für die politische Arbeit waren sie keine ausreichende Grundlage, um dem gemeinsamen Handeln eine realistische Orientierung zu geben. Ihre Überbetonung des subjektiven Faktors wirkte in dieser Zeit radikal, weil sie als eine Antwort auf den angepassten Stalinismus der CP erschien. Ihr Stern schien aber nur so lange, wie die radikale Welle der 1960er und 1970er andauerte. Als Ende der 1970er Jahre viele Kämpfe verloren gingen, die radikale Welle abebbte und die herrschende Klasse wieder in die Offensive ging, kamen zahllose einstige Marxisten zu dem Schluss, dass der Marxismus als Theorie doch nicht ausreicht und gingen zu verschiedenen Varianten des Reformismus über. Die Zentralität der Arbeiterklasse wurde abgelehnt und neue Theorien kamen in Mode, die Unterdrückungen als separate Konstellationen parallel zur Klassengesellschaft verstanden – der Kapitalismus galt von nun an als nur eine von vielen unterdrückenden Strukturen, die abgeschafft werden müssten. Diese Ansätze waren aber auch nicht in der Lage, neue Massenbewegungen anzustoßen oder soziale Kämpfe besser zu organisieren, und die radikale Linke schrumpfte weiter. Heute steht die radikale Linke wieder vor der Aufgabe, aus kleinen Grüppchen und Kollektiven eine Massenorganisation aufzubauen, die agiert und in der Lage ist, die Kämpfe aller unterdrückten Gruppen zusammenzuführen und in eine gemeinsame Praxis einzubetten mit dem Ziel, durch eine Revolution der Arbeiterinnen und Arbeiter den Kapitalismus zu stürzen und mit einem demokratischen Sozialismus zu ersetzen. Dafür brauchen wir aber auch eine Analyse von dieser Unterdrückung und eine politische Praxis, die dieser Analyse entspricht.
Weder der Vorwurf, dass der Marxismus reduktionistisch sei, noch die Erwiderung, dass er das nie gewesen sei, stimmen so ganz. Marxismus in Marx’ Sinn war nie eine Liste von starren Regeln, sondern eine lebendige und offene Theorie, die sich in stetiger Debatte und Weiterentwicklung befindet. Es gab also durchaus Marxisten, die Rassismus als nebensächlich betrachteten. Es gab aber viele andere, die dieser Sicht widersprachen und andere Ansätze und Theorien entwickelten. Wenn wir heute Lenin und andere Theoretiker aus seiner Zeit lesen, wirken einige Formulierungen vielleicht veraltet und manche Ideen nicht mehr aktuell, doch an ihrer Methode können wir festhalten: Wir sollten den Marxismus als eine lebendige, dynamische und immer weiterzuentwickelnde Theorie betrachten, die uns als revolutionären Sozialisten hilft, unsere Realität zu verstehen und Strategien für eine revolutionäre Umwälzung zu entwickeln. Lenins Betonung darauf, dass Kämpfe gegen Unterdrückung einen Wert an sich haben und essenzielle Teile des erfolgreichen Klassenkampfs sind, bleibt nach wie vor aktuell.
Seit Lenins Zeit hat sich aber vieles getan. Heute gibt es Kämpfe gegen Unterdrückung und Theorien der Unterdrückung, von denen die Bolschewiki keine Ahnung haben konnten. Genau wie Lenin damals bereit war, das Neue zu analysieren und herauszuarbeiten, wie man mit dem Neuen den Marxismus bereichern kann, sollten wir auch offen für neue Entwicklungen sein. Wir halten daran fest, dass die Arbeiterklasse ein Schlüssel zur universellen Befreiung ist – in der Tat ist diese Einsicht mit der wichtigste Beitrag des Marxismus. Doch um diese potenzielle Macht irgendwann zu realisieren, müssen davor zahllose Kämpfe zusammengebracht und in eine neue revolutionäre Subjektivität umgewandelt werden. Dieser Weg wird extrem schwierig und kompliziert sein. Um den Prozess erfolgreich voranzubringen, muss der Marxismus offen genug sein, um seine Lehren für heute zugänglich zu machen. Wie uns die Geschichte der Kommunisten zeigt, ist die Alternative des Paternalismus und ideologischer Abgrenzung wenig erfolgversprechend und politisch fatal.
Die Erfahrung der Communist Party USA zeigt uns vor allem, dass es möglich ist, Kämpfe gegen Unterdrückung mit dem Kampf gegen Ausbeutung und mit dem Kampf für den Sozialismus zu verbinden. Die Partei initiierte antirassistische Kämpfe, weil der Rassismus der Arbeiterbewegung es für Schwarze beinahe unmöglich machte, sich innerhalb der Gewerkschaften zu organisieren, während andere linke Organisationen aus denselben Gründen vor Antirassismus zurückschreckten. Diese Kämpfe waren von zentraler Bedeutung, um das Bewusstsein vieler Schwarzer zu steigern und Rassismus innerhalb der Arbeiterbewegung zurückzudrängen. Dort, wo der Rassismus der Gewerkschaften nicht durchbrochen werden konnte, versuchte die Partei, die unabhängige Organisierung von Schwarzen voranzutreiben, um weiter Druck auf Gewerkschaften und Bewegung aufzubauen; dabei haben sie auch zahllose Weiße mitnehmen können. Sie konnten nur wegen dieser konsequenten Haltung so viel Anerkennung und Respekt gewinnen und verloren sie schnell wieder, als sie ihren Prinzipien der sowjetischen Außenpolitik unterordneten. Als die Partei den Höhepunkt ihrer Stärke erreicht hatte, brachte sie Tausende Schwarze in die neuen Gewerkschaften hinein. Hier sehen wir das Potenzial, welches verloren gegangen ist: eine militante und kämpferische Arbeiterklasse mit einem Kern von Zehntausenden organisierten Revolutionären, der in der Lage war, politische und ideologische Konflikte innerhalb der Klasse zu führen und zu gewinnen. Eine solche Organisation gibt es heute weder in den USA noch irgendwo anders auf der Welt. Um wieder dahin zu kommen, brauchen wir Organisationen, die wie damals bereit und in der Lage sind, konsequent gegen alle Formen von Unterdrückung zu kämpfen, mit dem Ziel, aus den diversen Milieus von heute die revolutionäre Klasse von morgen zu bilden, die sich ihrer unterschiedlichen Bedingungen genauso wie ihrer gemeinsamen Möglichkeiten bewusst ist.
Eine letzte wichtige Lehre kommt von der Erfahrung der ABB. Sie zeigt uns, dass auch die beste Theorie nutzlos ist, solange sie nicht von den Betroffenen selbst mitgetragen und mitgestaltet wird. Massenbewegungen, und vor allem revolutionäre Kader, entstehen nicht aus dem Nichts, sobald ein Skandal oder eine Krise zu Tage treten, sondern müssen geduldig über einen langen Zeitraum aufgebaut werden. Eine revolutionäre Organisation, die ihre Aufgabe wirklich ernst nimmt, muss sich besonders anstrengen, die Unterdrückten der Klasse verstärkt zu rekrutieren und aufzubauen, denn ohne sie kann es keine Revolution geben. Wie genau eine solche politische Arbeit aussieht, muss sich immer an der konkreten Situation orientieren. Historiker sind sich selbst nicht einig, wie genau die Strukturen der ABB funktionierten. Die Arbeit der amerikanischen CP gibt uns also keine fertigen Rezepte, aber sie zeigt, dass in sozialistischen Organisationen gesonderte Strukturen zur Selbstorganisierung der Unterdrückten eine wichtige Rolle spielen können. Ob es solcher Strukturen bedarf und wie sie funktionieren sollen, können letztendlich nur die Betroffenen selbst entscheiden – bei gleichzeitiger Diskussion in und mit der Gesamtorganisation.
Dass unterdrückerische Ideologien die Arbeiterklasse fragmentieren, dass das Gift des Rassismus die gemeinsame Gegenwehr schwächt, sollte uns nicht pessimistisch stimmen. Pessimistisch müssten wir erst dann sein, wenn es keine Bewegung und keine Organisation gäbe, die etwas dagegen tut. Die Geschichte der schwarzen und weißen Kommunisten in den USA der 1920er und 1930er Jahre, die zusammen eine kämpferische, bewegungsorientierte Organisation aufbauten, ist eine Geschichte, die sowohl von manchen sich als kritisch verstehenden Theorietraditionen als auch von manchen Aktiven für unmöglich erklärt wird. Doch es hat sie gegeben. Trotz der politischen Limitierungen und tragischen Fehlentscheidungen, die es dabei auch gab, ist sie ein bemerkenswertes Erbe, das viel zu lange vergessen war. Sie verdient es, dass wir sie weitererzählen. Sie kann eine große Inspiration sein für alle Aktivistinnen und Aktivisten, die die Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung als einen gemeinsamen, untrennbaren Kampf sehen.
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1Die Begriffe »Haupt- und Nebenwidersprüche« stammen aus Maos Aufsatz »Über den Widerspruch«, wo er schreibt: »Wenn ein Prozeß mehrere Widersprüche enthält, muß einer von ihnen der Hauptwiderspruch sein, der die führende und entscheidende Rolle spielt, während die übrigen nur eine sekundäre, untergeordnete Stellung einnehmen. Infolgedessen muß man sich beim Studium eines komplizierten Prozesses, der zwei oder noch mehr Widersprüche enthält, die größte Mühe geben, den Hauptwiderspruch herauszufinden. Sobald dieser festgestellt ist, kann man alle Probleme leicht lösen.« (Tse-Tung 1937, S. 390).
2Der US-amerikanische Soziologe Kevin Anderson weist auf, wie Marx Anfang der 1850er noch einige »orientalistische« Illusionen mit dem Bürgertum teilte, diese aber immer mehr ablehnte, als er seine Analyse des Kapitalismus weiterentwickelte. In seinen spätesten Schriften widmete er sich intensiv den Fragen von Nation, Geschlecht und Identität, nur wurden diese Schriften von sehr wenigen zur Kenntnis genommen. Siehe Anderson 2010.
3Marx 1864b, S. 14.
4Marx 1864a, S. 19. Der Autor ist sich bewusst, dass das Wort «Neger” als Bezeichnung von schwarzen Menschen im heutigen Sprachgebrauch nicht von seiner rassistischen Konnotation getrennt werden kann. Die sozialistischen Bewegungen vor 1933 haben dieses Wort in einem anderen Kontext ohne diffamierende Absicht verwendet. Es wird hier nur in Originalzitaten aus historischen Dokumenten ausgeschrieben. Diese lassen sich nicht umschreiben, so wie es bei literarischen Werken evtl. möglich wäre. Es gehört nicht zum Sprachgebrauch des Autors selbst. Er ist sich der diskriminierenden und traumatisierenden Wirkung des Wortes bewusst und unterstützt daher die Bezeichnung «N-Wort”. Um bei Berichten z. B. über Beleidigungen und andere Äußerungen den Begriff nicht wieder öffentlich zu benutzen, hat sich diese Umschreibung etabliert. Das »N«-Wort war und ist kein unschuldiger Begriff, sondern muss im Kontext von Kolonialismus, Eugenik, Unterdrückung und Ausbeutung betrachtet werden.
5Siehe theorie21 Nr. 2, u. a. Callinicos 2012, zur marxistischen Theorie des Rassismus.
6Marx 1853, S. 220. Zu späteren Positionen von Marx siehe Anderson 2010
7Bernstein 1899.
8Debs war einer der Gründer, sowohl der Eisenbahnergewerkschaf,t als auch der Sozialistischen Partei. Aktiv zu einer Zeit wo die Ausdifferenzierung zwischen Reformisten und Revolutionären innerhalb der Arbeiterbewegung noch nicht abgeschlossen war, gehörte er zu denjenigen, die sich gegen Regierungsbeteiligungen aussprachen und die Partei auf Klassenkämpfe – im Sinne von Bewegungen in denen Arbeiterinnen und Arbiter selber aktiv werden – zu orientieren versuchten.
9Miller 1971, S. 222; Ü. d. A.
10Ibid.
11Debs war selbst ein vehementer Antirassist, doch seine Schriften zu der Frage weisen eine zentrale Schwäche auf: Zwar schätzte er korrekterweise den Rassismus als eine besonders üble Folge der kapitalistischen Ausbeutung ein, leitete aber daraus eine Ablehnung aller antirassistischen Kämpfe jenseits der direkten Klassenauseinandersetzung ab. So schrieb er: »Wir haben nichts Besonderes dem Neger anzubieten, und wir dürfen nicht verschiedene Appelle an jede Rasse ausrichten. Die Sozialistische Partei ist die Partei der Arbeiterklasse, ohne Berücksichtigung der Hautfarbe – die gesamte Arbeiterklasse der gesamten Welt« (Debs 1903, S. 260; Ü. d. A.). Diese Linie bedeutete, dass die Partei sich nur gegen Rassismus aussprach, wenn er direkt vor Ort der Klasseneinheit im Wege stand.
12»Bolschewiki« bezeichnet die Mehrheitsfraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR(B)), der Lenin angehörte und bedeutet eigentlich nur »Mehrheitler«. Sie unterschieden sich von der Minderheitsfraktion, den »Menschewiki« (SDAPR(M)) (»Minderheitler«). Nach der Revolution nannte sich die Partei in die »Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki)« (KPR(B)) um.
13Lenin 1915, S. 420
14Lenin 1915; Lenin 1916.
15Bernstein 1899.
16Cliff 2000, S. 55.
17Lenin 1916, S. 146-7.
18Die kommunistische Bewegung zu ihrer Gründung bestand aus zwei konkurrierenden Organisationen, die aber nach ein paar Jahren zusammenwuchsen. Beide werden hier als CP betitelt, was in der Geschichtsschreibung gängig ist.
19Der Begriff Reconstruction umfasst die Zeit zwischen 1863 und 1877, in der ein Bündnis aus nördlichem Großkapital und südlichen Radikalen eine Demokratisierung und Liberalisierung des Südens betrieben – sowohl von oben (durch den Staat forciert) als auch von unten (Selbstorganisierung der Ex-Sklaven und armen Weißen).
20Robinson 1983, S. 212.
21King, S. 3.
22Da Garvey selbst die Mitgliedschaft weit übertrieb, ist es unmöglich zu sagen, wie groß genau seine Organisation war. Die meisten Schätzungen liegen zwischen einigen Hunderttausend und einer Million.
23Dawahare 2003, S. 25.
24Siehe Zips 2001.
25Draper 1957, S. 197-9.
26Zumoff 2003, S. 116.
27Ottanelli 1991, S. 10.
28Zumoff 2007, S. 200.
29Draper 1957, S. 197.
30Ebd., S. 201. Diese Beschreibung klingt heutzutage beinah surreal, doch für die Kommunisten 1919 war das Ziel, den europäischen Revolutionen hinterherzurennen. Sie glaubten an eine unmittelbar bevorstehende Weltrevolution und hatten auch gute Gründe dafür.
31Die US-amerikanische Tradition, Rassismus als Antikommunismus zu tarnen, besteht bis heute und ist u. a. zu sehen in der Hetze gegen Barack Obama als angeblicher »Sozialist« seitens vieler Republikanern.
32Zumoff 2012, S. 58.
33Berland 1999, S. 417.
34Zumoff 2012, S. 24.
35Protokoll des 4. Kongresses der Kommunistischen Internationale 1923, S. 825ff.
36Ibid.
37Siehe Adi 2008.
38Zumoff 2007, S. 207-8.
39Solomon 1998, S. 9; Ü. d. A.
40Zumoff 2008, S. 212.
41Zumoff 2007, S. 218.
42McKay 1979.
43Solomon 1998, S. 19-22.
44Berland 1999, S. 428-9.
45Siehe Hallas 1985, Kapitel 5.
46Black Belt – »schwarzer Gürtel« – ist eine Bezeichnung für das Territorium von Virginia bis Arkansas, das für besonders fruchtbaren Boden bekannt ist (deshalb »schwarz«). Diese Bezeichnung erhielt eine zweite Bedeutung aufgrund der hohen Zahl von Schwarzen, die dort lebten.
47Siehe Stalin 1913.
48D’Amato 1997.
49Siehe Hallas 1985, Kapitel 6.
50Die 9 Männer wurden im November 2013 vom Gericht posthum freigesprochen.
51Naison 2006, S. 56.
52D’Amato 1997.
53Naison 2006, S. 65.
54Ebd., S. 48.
55Berland 1999, S. 428.
56Für schwarze Arbeiter in den USA galt das Prinzip von last hired, first fired (»als letzter angestellt, als erster gekündigt«) was in vielen Betrieben tiefe Risse zwischen Weißen und Schwarzen verursachte. Hinzu kam systematische Diskriminierung in der Gesellschaft, eine Ghettoisierung der Städte und zahllose weitere Maßnahmen, welche die zwei Gruppen auseinander hielten.
57D’Amato 1997.
58Solomon 1998, S. 113; siehe auch Kelley 1990.
59D’Amato 1997.
60Ottanelli 1991, S. 101.
61Naison 2006, S. 157.
62Shawki 2004, S. 142.