Die Menschen in den USA waren nicht immer konservativ. David Paenson erzählt, wie in den 1930er Jahren hunderttausende Arbeiter ihre Fabriken besetzt und gegen die mörderische Staatsgewalt verteidigt haben
»Die Menschen veranstalteten Sitzstreiks in Sozial- und Arbeitsämtern und gegen die Polizei auf Demonstrationen gegen Zwangsräumungen. Häftlinge übernahmen die Taktik in den Gefängnissen von Joliet, Illinois und Philadelphia. Selbst Kinder protestierten so in Kinos gegen Programmkürzungen.«
»Im Jahr 1937 gab es 477 Sitzstreiks in allen Industrie- und Geschäftszweigen. Chrysler-Arbeiter, Verkäuferinnen bei Woolworth, Boten von Western Union, Restaurant- und Hotelangestellte, Müllmänner, Drucker, Glasbläser und Reifenfabrik-Arbeiter waren beteiligt« (Übersetzte Auszüge aus dem Buch »Labour’s Giant Step – Twenty Years of the CIO« von Art Preis).
Es war der größte und umfassendste Aufschwung der US-amerikanischen Arbeiterbewegung im letzten Jahrhundert. Begonnen hatte er im Jahr 1934. Die gewerkschaftlichen Errungenschaften in Bezug auf Vertretungsrechte und Tarifverträge waren gewaltig. Aber auch kulturell wurde vieles erreicht. Charlie Chaplins Film »Moderne Zeiten« und verschiedene Theaterstücke namhafter Autoren wie Arthur Miller zeugen davon. Das alles war allerdings kein Geschenk von Präsident Franklin Roosevelts »New Deal«, wie viele glauben, sondern musste in erbitterten und auch gewalttätigen Kämpfen erstritten werden.
»New Deal« und Arbeitskämpfe
Der Schwerpunkt der Kämpfe lag in der Automobil- und Transportindustrie. Die AFL-Gewerkschaftsbürokratie und Roosevelts Nationalgarde konnten die ersten Streiks niederschlagen. Im ersten Halbjahr des »New Deals« 1933 wurden 15 Streikende getötet und Hunderte verletzt oder verhaftet.
Der »New Deal« war in erster Linie ein Maßnahmenpaket mit dem Ziel, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. In den drei Jahren nach dem Börsenkrach von 1929 war die Industrieproduktion nämlich um 46 Prozent gesunken und die Arbeitslosigkeit von 1,5 Millionen auf 17 Millionen gestiegen. Jeder Vierte war arbeitslos, ein weiteres Viertel arbeitete nur noch in Teilzeit. Die Löhne waren um durchschnittlich 18 Prozent gesenkt worden und es gab eine halbe Million Obdachlose. Hunderttausende Bauern verloren ihre Höfe.
Die Bewegung war zunächst von Arbeitslosen- und Hungermärschen geprägt, die mit militärischen Mitteln niedergeschlagen wurden. So wurden im Jahr 1932 Maschinengewehre gegen einen Arbeitslosenmarsch in River Rouge eingesetzt und vier Menschen getötet, während ein Marsch von arbeitslosen Kriegsveteranen von einer Reiterstaffel niedergetrampelt wurde. Die Bosse hatten nach der Niederschlagung der Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg freie Hand und wollten die Gewerkschaften endgültig aus den Betrieben drängen und so die vollends ungeschützten Arbeitsbedingungen von Nichtgewerkschaftsmitgliedern, beispielsweise einen 12-Stunden-Tag, auf alle ausdehnen.
Der »New Deal« hatte nur bescheidenen Anteil an der leichten wirtschaftlichen Erholung, die dann 1934 tatsächlich einsetzte. Eine Klausel der neuen Gesetzgebung hatte hingegen eine größere Auswirkung, als Roosevelts Demokraten wollten. Sie sah nämlich das Recht der gewerkschaftlichen Vertretung vor. Damit wollte Roosevelt lediglich die Gewerkschaftsführung der American Federation of Labor (AFL) für seinen Wahlkampf gewinnen und die Stimmen der Arbeiter bekommen. Die Gewerkschaftsklausel wurde aber von Aktivisten in den Betrieben als Werkzeug verwendet, um Organisationskampagnen vor allem in den neu entstandenen Industriezweigen der Massenfertigung zu starten.
Gewerkschaften und Kommunisten in den USA
Die AFL war eine Facharbeitergewerkschaft, in der Frauen, Migranten und Schwarze kaum vertreten waren. Diesen Zustand wollte sie auch nicht ändern. Mit ihren verknöcherten Strukturen konnte und wollte sie in den Industriebetrieben der Massenproduktion nicht Fuß fassen. Dazu bedurfte es einer Abspaltung unter dem Bergarbeiterführer John L. Lewis, der den Congress of Industrial Organizations (CIO), gründete. Lewis war ein linker und zugleich autoritärer Bürokrat mit einem Verständnis für den wachsenden Unmut an der Basis. Um die Millionen Industriearbeiter zu organisieren, brauchte und nutzte er die organisatorischen Fähigkeiten von Kommunisten und Trotzkisten, die er allerdings nach getaner Arbeit nach 1938 allesamt wieder von den gewerkschaftlichen Lohnlisten strich.
Auf dem Höhepunkt der Bewegung hatten Gewerkschaftskonferenzen sowohl der AFL als auch der CIO die Gründung einer Arbeiterpartei beschlossen, die die ideologische Dominanz der beiden kapitalistischen Parteien der Demokraten und der Republikaner hätte wirksam herausfordern können. In einer Frage waren sich allerdings die Führungsetagen beider gewerkschaftlicher Dachverbände einig: Ihre kritiklose Unterstützung während der Präsidentschaftswahlen 1936 und danach galt den Demokraten. Die Kommunistische Partei, die schon von 1930 bis 1934 von 7.000 auf 28.000 und dann 65.000 Mitglieder gegen Ende dieser Periode gewachsen war, ordnete sich dieser Politik bereitwillig unter. Im Namen der vom sowjetischen Diktator Josef Stalin verordneten Volksfrontpolitik und seiner Annäherungsversuche an die Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich veröffentlichte sie in der Parteizeitung Daily Worker folgende Stellungnahme: »Kommunisten und die Kommunistische Partei haben niemals in der Vergangenheit unerlaubte und wilde Aktionen welcher Art auch immer befürwortet oder unterstützt, und sie tun es auch heute nicht […] Sollten Parteimitglieder solche Aktionen einleiten, würde das die Sache der kooperativen Aktion zwischen den Arbeitern und den mittelständischen Gruppen ernsthaft gefährden.« Aber in den davor liegenden Jahren spielte die Kommunistische Partei der USA eine schöpferische und führende Rolle.
Militanz und erste Erfolge im Jahr 1934
Die größten Erfolge zu Beginn dieser Periode waren zum einen die der Lastwagenfahrer von Minneapolis: Sie erreichten praktisch eine Situation der stadtweiten Doppelherrschaft mit selbstverwalteter Organisation der Lebensmittelverteilung und der medizinischen Versorgung und einer bewaffneten Arbeitermiliz. Diese führte eine Straßenschlacht von tausenden Gewerkschaftern gegen die Polizei, die in Kinos im ganzen Land vor jubelndem Publikum gezeigt wurde.
Die Arbeiter beim Automobilzulieferer Auto-Lite in Toledo kämpften für gewerkschaftliche Anerkennung. Noch im Februar 1934 hatte die AFL-Führung einen ersten Streik vereitelt und die Arbeiter zurück an die Arbeit beordert. Beim erneuten Streikversuch beteiligten sich lediglich 4000 Arbeiter, weniger als die Hälfte der Belegschaft, aber die sozialistische »American Workers Party« organisierte Arbeitslose zu ihrer Unterstützung und um den Einsatz von Streikbrechern zu verhindern.
Am ersten Tag waren es 1000, am zweiten dann 4000 und am dritten 6000, die die Streikbrecher einsperrten und mit Hilfe riesiger Gummischleudern mit Steinen bewarfen, bis diese von der Nationalgarde befreit wurden.
Die Nationalgarde ermordete jedoch zwei streikende Arbeiter, worauf sechs Tage lang weitere Schlachten folgten, 40.000 Arbeiter durch Toledo demonstrierten und unter diesem enormen Druck die anderen Gewerkschaften schließlich einen Generalstreik versprachen, was den Widerstand der Bosse endgültig brach, so dass sie am 4. Juni die Gewerkschaft anerkannten.
Ausweitung der Streikwelle
Schließlich streikten die Hafenarbeiter in San Francisco und an der gesamten Westküste. Zentrale Forderungen, die auch systematisch von der kommunistischen Basiszeitung Waterfront propagiert wurden, waren die Einführung einer 30-Stundenwoche statt der vorherrschenden 44 Stunden und die gewerkschaftliche Kontrolle über Neueinstellungen statt des üblichen Systems der Bestechungsgelder an Vorarbeiter und Aufseher, um überhaupt einen Job zu ergattern.
In San Francisco traten 14.000 Hafenarbeiter in den Streik und nach einer Woche Agitation gelang es, entlang der Westküste insgesamt 25.000 Hafenarbeiter in den Streik zu ziehen, während Lastwagenfahrer und andere sich solidarisierten und sich weigerten, Waren zu transportieren. Der AFL-Präsident beschimpfte sie allesamt als »Kommunisten«, die Polizei, die Nationalgarde und Bürgerwehren stürmten die Büros der Kommunistischen und anderer sozialistischer Parteien. Nach zwei Monaten Streik bliesen die Bosse zum Generalangriff, am sogenannten »Blutigen Donnerstag« wurden vier Arbeiter getötet und hunderte verletzt. Die gesamte Stadt wurde schließlich durch einen Generalstreik lahmgelegt und die Bosse gaben nach.
Alle drei Streiks hatten einige wichtige Gemeinsamkeiten: Sie waren durch kommunistische und sozialistische Agitation von langer Hand vorbereitet worden, wobei es nicht nur um konkrete Forderungen ging, sondern allgemein um das Ziel einer gerechteren Gesellschaft.
Die Rolle linker Sozialisten und Revolutionäre
Es gab systematische Anstrengungen, Spaltungen zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen, Migranten und Einheimischen, Männern und Frauen zu überwinden, indem sie alle gleichberechtigt beteiligt wurden. Täglich wurden riesige Betriebsversammlungen organisiert, auf denen das weitere Vorgehen besprochen wurde. Die Arbeiter waren bereit, die von der Gewerkschaftsbürokratie gesetzten Grenzen zu überschreiten und unabhängig von ihr zu handeln.
Die Streiks standen unter der Führung direkt gewählter und jederzeit abwählbarer Streikkomitees, in denen linke Sozialisten und Revolutionäre die Mehrheit hatten. Die Aktivisten wollten der Staatsgewalt und den 230 Industriedetekteien mit ihrer Armee von 40.000 Spitzeln mit organisierter Gegengewalt die Stirn bieten. Es wurde eine von unten organisierte Alternativversorgung in allen zentralen Bereichen, Küche, Fahrdienste, Propaganda, Wachdienste, Kultur und Theater organisiert.
Eine zentrale Lehre, die in den folgenden Jahren aus den gewalttätigen Übergriffen der Staatsmacht gezogen wurde, war die Einsicht, dass es viel effektiver ist, den Streik von innen, also unter dem Schutz der betrieblichen Gebäude, zu verteidigen, statt sich lediglich als Streikposten außen davor zu versammeln, die viel schwieriger über Wochen und gar Monate aufrechterhalten werden können.
Vorreiter in den USA waren die Gummiarbeiter in den Reifenwerken von Goodyear, Firestone und Goodrich in der Stadt Akron zur Jahreswende 1935 zu 1936. Massenstreikposten umzingelten das Werk von Goodyear, um die Polizei daran zu hindern, Streikbrecher in den Betrieb zu schleusen. Zehntausend Arbeiter traten in den Sitzstreik und errangen einen großartigen Sieg. Wichtige Anführer vor Ort waren Mitglieder der Kommunistischen Partei. Aber die US-amerikanischen Arbeiter lernten auch begierig von ihren Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks, in Frankreich, das im Mai 1936 von einer landesweiten Welle von Betriebsbesetzungen erfasst wurde.
General Motors wird in die Knie gezwungen
Die großartigste Betriebsbesetzung, die für so viele andere als Beispiel dienen sollte, ereignete sich bei General Motors in Flint. Die Konzern-Führung hatte geschworen, dass ihre Arbeiter niemals einer Gewerkschaft beitreten würden. Aktivisten wurden verjagt, zusammengeschlagen, »Opfer von Unfällen« oder gar ermordet. Hunderte Agenten der Detektei Pinkerton bespitzelten die Arbeiter. Allein 1934 gab das Unternehmen 840.000 Dollar dafür aus.
General Motors hatte nur Verachtung für seine Arbeiter übrig: »Wir heuern Chevrolet-Arbeiter nur vom Hals abwärts an«, brüstete sich Arnold Lenz, Werksmanager bei Chevrolet in Flint 1936. Aber auch die Gewerkschaftsführung ging davon aus, dass sie bei General Motors niemals würde Fuß fassen können, weil die Arbeiter aus ihrer Sicht zu rückständig waren und das Unternehmen zu stark und zu brutal.
Von Flints 146.000 Einwohnern arbeiteten 44.000 für General Motors. Das Unternehmen hatte die gesamte Stadt unter Kontrolle, kontrollierte die wichtigste Zeitung, die Rundfunksender und die Polizei. Alle städtischen Beamten, auch der Bürgermeister, der Polizeichef und die Richter, standen entweder auf der Gehaltsliste von General Motors oder besaßen viele General Motors-Aktien. Die vom Land in die Stadt kommenden Arbeitslosen waren so verzweifelt, dass sie sich Tag für Tag auf den großen Rasen vor dem Werk setzten, in der Hoffnung, dass ein Vorarbeiter sie vielleicht für eine Stunde, einen Tag oder womöglich eine feste Anstellung hereinruft.
Die Vorbereitung des Streiks
Der schließlich 44 Tage dauernde Sitzstreik musste minutiös vorbereitet werden. Die Gewerkschaft der Automobilarbeiter, UAW, schickte im Sommer 1936 einen erfahrenen Organisator nach Flint, der zugleich Mitglied der Kommunistischen Partei war. Die Strategie sah vor, die gesamte Produktion von General Motors lahmzulegen, indem vorrangig die beiden einzigen Werke, in denen die Gussformen für die Karosserien hergestellt wurden, lahmgelegt werden. Streikbeginn sollte der Jahresbeginn 1937 sein. Wegen der Schwierigkeit, im Werk neue Mitglieder zu gewinnen, gingen die Gewerkschaftsaktivisten stattdessen von Tür zu Tür und trugen die neuen Mitglieder in Listen ein, ohne deren Namen an andere Mitglieder in Flint und auch nicht an die Gewerkschaftszentrale weiterzugeben.
Die Aktivistin und Sozialistin Genora Dollinger beschrieb die zentrale Rolle von Kommunisten in der Vorbereitungsphase:
»Die Gärung hatte bereits einige Jahre vor dem ersten Sitzstreik eingesetzt. Das steht fest. Viele sogenannte Revolutionäre reden davon, wie sich Arbeiter spontan für etwas entflammen können. Das kann ich nicht bestätigen, denn es erforderte viel Zeit und harte Arbeit der Organisatoren in den verschiedenen Werken des riesigen General-Motors-Reichs, um mit den Arbeitern ins Gespräch zu kommen, Kontakte zu knüpfen, sie zu Schulungen einzuladen und Vertrauen herzustellen.«
Umrisse einer neuen solidarischen Gesellschaft
Am 30. Dezember war es dann so weit. Im Werk türmten die Arbeiter die unfertigen Karosserien vor den Eingängen zu Barrikaden auf. Sie schweißten einen Metallrahmen um jede Tür, setzten kugelsichere Metallplatten vor jedes Fenster und versahen diese mit Bohrungen, um die Düsen von Feuerlöschern daran festzuschrauben. Sie hielten nasse Kleidungsstücke bereit, um damit ihre Gesichter vor Tränengasangriffen schützen zu können. Große Vorräte an Metallteilen wurden an strategischen Stellen gelagert und Spritzpistolen als mögliche Waffe gegen Eindringlinge im ganzen Werk verteilt. Die Arbeiter von Fisher Number Two traten Minuten nach der Besetzung von Fisher Number One ebenfalls in den Sitzstreik. Die Karosserieproduktion wurde stillgelegt und am 1. Januar 1937 schlossen alle Montagewerke von Chevrolet und Buick ihre Tore.
Diese Verteidigungsmaßnahmen waren absolut notwendig. Während der langen Besetzung sorgten demokratisch gewählte Komitees für alle lebenswichtigen Aspekte, Lebensmittelversorgung, Sicherheit, Informationsbeschaffung, Hygiene, Unterhaltung und Bildung. Ihre Zusammensetzung wurde auf zweimal täglich stattfindenden Massenversammlungen neu bestimmt. Jeder Arbeiter musste sechs Stunden täglich die ihm anvertraute Aufgabe erfüllen. Das war in vielerlei Hinsicht das Gegenteil eines bloßen Streiks, also einer bloßen Arbeitsverweigerung. Es entstanden vielmehr in den 44 Tagen die Umrisse einer neuen solidarischen Gesellschaft sogar über den engen Rahmen der Betriebe hinaus, denn die gesamte Stadt musste solidarisch einbezogen werden.
Charlie Chaplin schenkte den Streikenden seinen Film »Moderne Zeiten« und der noch junge Journalist und spätere Theaterautor Arthur Miller berichtete leidenschaftlich und aus erster Hand über die Flinter Besetzung. Aber die Besetzungen waren mehr als nur eine gute Taktik. Durch den Beweis, dass die Arbeiter durchaus in der Lage sind, ihr Leben selbst zu gestalten, nicht nur materiell sondern auch kulturell, stellten sie schließlich sogar die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie als Vermittler zwischen den Klassen in Frage.
Frauen setzen sich an die Spitze
Als in der zweiten Woche der Werkschutz mit Unterstützung der Polizei mit Tränengas und Schusswaffen gegen die Streikposten vorging und wiederholte Male das Werk zu stürmen versuchte, bestieg Genora Dollinger den Lautsprecherwagen und fuhr durch die ganze Stadt, um die Frauen zu mobilisieren. 400 Frauen in roten Baskenmützen, es war die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, und mit selbst gebastelten Knüppeln eilten herbei und durchbrachen die Polizeiketten. Die Polizei kehrte an diesem Tag nicht mehr zurück. Genora erinnert sich:
»Nach dem ersten Sitzstreik ging ich zu den Streikposten, um auszuhelfen. Einer der Anführer sagte: ‚In der Küche brauchen sie Hilfe, geh dahin.‘ Sie konnten sich keine andere Aufgabe für eine Frau vorstellen. Ich sagte: ‚Ihr habt doch eine Menge kleiner, magerer Männer hier, die es nicht lange in der Kälte auf dem Streikposten aushalten werden. Sie können genauso gut wie jede Frau Kartoffeln schälen.’«
Der 1. Februar war ein weiterer Höhepunkt im Streik. Durch eine Täuschung war es den Aktivisten gelungen, Polizei, Werkschutz und Spione auf eine falsche Fährte zu lenken, was den Arbeitern Zeit gab, Werk Vier zu besetzen. Als General Motors damit drohte, an diesen kalten Tagen die Heizung abzudrehen, antworteten die Arbeiter: Dann zünden wir eben Lagerfeuer an, um uns warm zu halten. General Motors stellte die Heizung wieder an.
Historischer Sieg
Der endgültige Sieg wurde dann am 11. Februar errungen. Aus einer Gesamtbelegschaft von 150.000 hielten 140.000 ihre Werke besetzt oder standen Streikposten. Als die Arbeiter damit drohten, die Werke zu verwüsten, gab General Motors nach. Es war das erste Mal in der Geschichte der USA, dass ein Arbeitgeber einer Gewerkschaft das Alleinverhandlungsrecht auf Bundesebene zugestand.
Wie bereits erwähnt, baute die Kommunistische Partei nicht auf diese Siege auf. Genauso wenig wie in Frankreich oder Spanien. Vielmehr ordnete sie die Arbeiterbewegung im Namen der Volksfront dem bürgerlichen Staat unter. Davon erholte sich die US-amerikanische Arbeiterbewegung trotz anderer großartiger Kämpfe nicht.
Die Tradition des gewerkschaftlichen »Organizing« geht auf die US-amerikanische Arbeiterbewegung der 30er Jahre zurück. Damals wurden große Streiks bis ins letzte Detail, aber trotzdem basisdemokratisch organisiert und gewonnen. Diese Art der gewerkschaftlichen Arbeit wird heute teilweise wieder aufgegriffen, beispielsweise bei der monatelangen Streikbewegung bei Amazon.
Weiterlesen:
Diese Schilderung ist im Wesentlichen der Broschüre »Besetzt! Eine kurze Geschichte der Betriebsbesetzungen« von Dave Sherry entnommen. Darin geht Dave Sherry auf zwei weitere historische Höhepunkte von Betriebsbesetzungen ein: Italien 1920 und Frankreich 1936. Zu beziehen über marx21.
Foto: libcom.org
Schlagwörter: Arbeiterbewegung, Massenstreik, USA