Die rechte Kampagne gegen die Journalistin Nemi El-Hassan findet ein jähes Ende. Die Deutsch-Palästinenserin darf die Wissenschaftssendung »Quarks« im WDR nicht moderieren, weil sie Beiträge einer linken jüdischen Menschenrechtsorganisation geliket hat. Der Fall offenbart nicht nur die Absurdität dieser Kampagne, sondern auch, dass es die ganze Zeit nicht alleine um die Person Nemi El-Hassan ging, sondern um die grundlegende Bekämpfung jeglicher Sichtbarkeit von Palästinasolidarität in Deutschland, meint Ramsis Kilani.
Die Journalistin Nemi El-Hassan steht seit mehr als zwei Wochen unter medialem Beschuss. Die 28-jährige Deutsch-Palästinenserin hatte sich zwar seit Jahren investigativ gegen Faschismus und Antisemitismus eingesetzt. Eine breite Medienkampagne erhebt nun aber gegen sie selbst Antisemitismusvorwürfe. Was mit einer Teilnahme an einer Al-Kuds-Demo während der Bombardierung des Gazastreifens 2014 begann, endete mit dem Ende ihrer Karriere als Moderatorin beim WDR, bevor diese überhaupt richtig begann. Sie darf die Wissenschaftssendung »Quarks« nicht moderieren, sondern höchstens noch hinter der Kamera arbeiten. Dass es einzig und alleine darum geht, dass sie nicht mehr gesehen werden darf, zeigt, dass das Moderationsverbot reines Einknicken vor dem rechten Mob darstellt.
Rechte Kampagne gegen jegliche Palästinasolidarität
Als eigene Begründung gibt WDR-Intendant Tom Buhrow auch nicht die Teilnahme an einer pro-palästinensischen Demo an, sondern dass Nemi El-Hassan auch in jüngster Zeit »problematische Likes« getätigt habe. Der durch die BILD-Zeitung problematisierte Like von Nemi El-Hassan galt einem Beitrag von der Friedensorganisation »Jewish Voice for Peace« (JVP).
Die US-amerikanische JVP ist wie ihre deutsche Schwesterorganisation Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost eine linke, antizionistische jüdische Gruppierung, die sich, nach eigenen Angaben inspiriert von der jüdischen Tradition des Kampfes »für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte«, für ein Ende der israelischen Besatzung und ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes Leben für Israelis und Palästinenser:innen einsetzt. In dem Beitrag vom 23. Mai, der von Nemi El-Hassan mit »gefällt mir« markiert wurde, vertrat eine kopftuchtragende Sprecherin ebenfalls dieses Ziel demokratischer Gleichberechtigung von jüdischen und palästinensischen Menschen:
Institutionalisierte Hetze gegen Palästinenser:innen und antizionistische Jüd:innen
Die BILD-Zeitung verlinkte zu Propaganda-Zwecken geschickt nicht den Originalbeitrag, sondern veröffentlichte lediglich einen Screenshot des Video-Posts an der Stelle, wo die junge Frau mit »Our call is for freedom from the river to the sea« untertitelt wurde. Dieses selektive Zitat übersetzte die BILD dann mit: »Der Beitrag fordert, Palästina ›vom Fluss bis zum Meer‹ zu befreien«, woraus die Zeitung eine antisemitische Vernichtungsabsicht konstruierte.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Springer-Verlag Rufe nach Freiheit für Palästina oder für die demokratische Gleichberechtigung jüdischer wie nicht-jüdischer Menschen zwischen Jordanfluss und Mittelmeer als Vernichtungsantisemitismus entstellt. Die offenen Lügen, mit der diese von rechtsextremen Rassisten gestartete Kampagne arbeitete, dienten vorrangig dem Hegemonieerhalt der deutschen Staatsräson an der Seite der israelischen Besatzung in Zeiten wachsender internationaler Palästinasolidarität.
Allerdings hat dieses harte Vorgehen und der rassistische Rahmen, in dem die Hetzkampagne gegen Nemi El-Hassan geführt wurde, auch zu einer stärkeren Polarisierung geführt. Viele linke und liberale Medien- und Kulturschaffende in Deutschland konnten die Diskussion nicht mehr unwidersprochen stehen lassen. Hunderte unterzeichneten einen offenen Brief in Solidarität mit Nemi El-Hassen. Unter den Unterzeichnenden sind auch bekannte Personen der Öffentlichkeit wie die Pop-Feministin Margarete Stokowski, die Comedians Aurel Mertz und Sebastian Hotz alias »El Hotzo« oder der Afghanistan-Experte Emran Feroz. Auch viele jüdische Kulturschaffende in Deutschland wie Fabian Wolff und Shahak Shapira schlossen sich dem offenen Brief an.
Einknicken und zurückrudern bringt nichts
Die Entwicklungen zeigen, dass die rechte Kampagne gegen Nemi El-Hassan nicht nur ein Zeichen der Stärke der Angreifenden ist. Die Linien in der Frage der Palästinasolidarität verlaufen auch in Deutschland allmählich offensichtlicher zwischen rechts und links. Der Doppelstandard im Umgang mit dem weiterhin problemlos tätigen Journalisten Constantin Schreiber, der seine rassistische Weltanschauung gleich in mehreren Büchern verklausuliert hat, und einer Journalistin mit palästinensischem Hintergrund ist offensichtlich. Nemi El-Hassan ist zurückgerudert, eingeknickt und hat sich von allem distanziert, was möglich war. Ihre Karriere in der deutschen Medienlandschaft wurde trotzdem beendet. Es ist davon auszugehen, dass dieser Angriff nicht der letzte dieser Art gewesen ist. Die AfD ist nicht die einzige rechte Kraft, die den Ausgang als Erfolg feiert und bereits weitergehendes »Ausmisten« fordert. Wie erfolgreich die Rechten damit sein werden, hängt vor allem vom Widerstand der deutschen und internationalen Palästinabewegung und der Linken ab.
Foto: Hossam el-Hamalawy
Schlagwörter: Inland, Palästina