Der Weltklimagipfel COP26 beginnt mit viel Rummel. Doch nach 25 gescheiterten COP-Klimakonferenzen müssen wir erneut mit leeren Versprechungen rechnen. Von Yaak Pabst und Ferat Kocak
Die Staats- und Regierungschefs der Welt treffen sich in Glasgow zu den globalen Klimaverhandlungen (COP26). Auf dem zweiwöchigen Klimagipfel beraten Vertreter:innen von mehr als 190 Staaten über die weitere Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, das die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken.
Wir brauchen einen entschlossenen, radikalen und sozialen Klimaschutz
Gleichzeitig kommen auf der ganzen Welt Menschen und Bewegungen zusammen, um Druck für nachhaltigen Klimaschutz aufzubauen – von Gewerkschaften bis zu indigenen Gruppen, von antirassistischen Initiativen bis zu streikenden Schüler:innen. Denn alle wissen es: Um die Klimakrise zu stoppen und eine lebenswerte Zukunft für uns und unsere Kinder zu sichern, muss sich vieles ändern und zwar schnell. Wir brauchen einen entschlossenen, radikalen und sozialen Klimaschutz, damit die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt wird.
COP26: Leere Versprechungen
Doch nach 25 gescheiterten COP-Klimakonferenzen müssen wir erneut mit leeren Versprechungen rechnen. Seit dem ersten »Klimagipfel« vor fast dreißig Jahren, 1992 in Rio de Janeiro, hat die internationale Staatengemeinschaft auf mehreren darauffolgenden Konferenzen Maßnahmen für den Klimaschutz beteuert. All diese Verabredungen der Politiker:innen haben nichts genützt. Jedes Jahr erreicht die Treibhausgas-Konzentration in der Erdatmosphäre neue Rekordwerte. Jedes Jahr erreichen die Treibhausgas-Konzentrationen in der Erdatmosphäre neue Rekordwerte.
Angesicht dieser dramatischen Lage sind die Pläne, die Regierungen weltweit zum Klimaschutz beschlossen haben, ein Tropfen auf den heißen Stein. Ob in Deutschland oder anderswo: Die Politik knickt wie gewohnt vor den Interessen der Konzerne und Banken ein. Die Fridays For Future-Bewegung kritisiert zurecht die weitgehende Tatenlosigkeit der Regierungen.
Die fossilen Konzerne wirtschaften weiter, als würde es keinen Klimawandel geben
Die Untätigkeit der Regierenden hat reale und tödliche Folgen: Schon jetzt zahlen vor allem arme und arbeitenden Menschen den Preis für das Versagen der Politik in der Klimakrise. In diesem Jahr haben wir weltweit schwere Überschwemmungen, Waldbrände und Dürren erlebt.
Wer ist für den Klimawandel verantwortlich?
Klar ist: Nicht alle sind gleich verantwortlich. Zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen gehören die mächtigsten Konzerne der Welt, die alles dafür unternehmen, dass der fossile Kapitalismus am Laufen bleibt. Genau das hat der in den Mainstreammedien ignorierte »Carbon Majors Report« herausgefunden. Er weist darauf hin, dass hundert Konzerne seit 1988 für 71 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind.
Die Namen der Klimakiller
Zudem zeigten die Wissenschaftler:innen, dass mehr als die Hälfte der globalen Emissionen sogar auf nur 25 Unternehmen und staatliche Einrichtungen zurückgeführt werden können. Ihre Namen? Unter anderem ExxonMobil, Shell, BP und Chevron.
Das US-Militär produziert so viel CO2-Emissionen wie Schweden oder Dänemark
Mit dabei ist auch das Militär. Durch Krieg, Rüstungsproduktion, Einsätze und Manöver werden große Mengen an klimaschädlichen CO2-Emissionen verursacht. So ist die US-Armee einer der größten Klimasünder der Geschichte − alleine für die globalen logistischen Lieferketten produziert das US-Militär so viel CO2-Emissionen wie Schweden oder Dänemark.
COP26 und die Klimakiller in Deutschland
Auch in Deutschland sind es die Konzerne in der Energiebranche, der Autoindustrie oder der Agrar- und Chemiewirtschaft, die an einer klimafeindlichen Produktion festhalten. Alleine der Energiekonzern RWE ist als Braunkohleriese für ein halbes Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Er ist der größte CO2-Emittent Europas. Die deutsche Autoindustrie hat die letzten Jahrzehnte immer gegen höhere Abgasgrenzen angekämpft und gleichzeitig immer monströsere CO2-Schleudern gebaut. Agrar- und Chemiekonzerne, wie etwa Bayer-Monsanto, sorgen dafür, dass ein extrem schädliches Landwirtschaftssystem erhalten bleibt. Großkonzerne, wie die Tönnies Holding oder Westfleisch, sind, wie die gesamte Fleischindustrie in Deutschland, abhängig von Soja, wofür in Lateinamerika Wälder vernichtet und Indigene vertrieben und umgebracht werden. Handelsketten und Lebensmittelfirmen wiederum importieren mit Palm- und Sojaöl waldvernichtende Rohstoffe.
Klimaschutz geht nur gegen die Konzerne
Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Wer sich nicht mit den Konzernen anlegen will, wird das Klima nicht retten. Doch die Klimaschutzpolitik macht einen großen Bogen um die Konzerne − in Deutschland und weltweit. Statt sich an dem Verursacherprinzip zu orientieren, versuchen die Regierungen über Markt- und Preisanreize die Kosten für den Klimawandel auf die Allgemeinheit abzuwälzen und gleichzeitig den fossilen Konzernen nicht weh zu tun.
Doch wer fordert, dass Pendler:innen das Auto stehen lassen sollen, aber den ÖPNV nicht ausbaut und keine wirklichen schnellen und komfortablen Alternativen zum Autowahn anbietet; wer Wohnungen energetisch sanieren will, aber die Mieter:innen statt die Immobilienkonzerne zur Kasse bittet, wer eine CO2-Steuer einführt, die nur dazu führt, dass die Benzinpreise steigen und sich die Energiekonzerne auf dem Rücken der Verbraucher:innen eine goldene Nase verdienen; der blockiert den Umbau zu einer sozialen und ökologischen Wirtschaftsweise statt ihn zu fördern.
COP26: Der Markt regelt gar nichts
Es ist ein Fehler den Klimaschutz dem Markt zu überlassen. Eine Erhöhung des CO2-Preises ist die unsolidarische Privatisierung von Klimapolitik und kein Mittel, um nachhaltigen Klimaschutz zu erreichen. Die explodierenden Preise für Gas und Strom sind ein Beispiel dafür. Sie gehen auf das Konto eines völlig aus der Kontrolle geratenen Energiemarktes und während der Ausbau der erneuerbaren Energien stockt, droht ein Winter der Energiearmut mit hunderttausenden Energiesperren, weil sich Menschen die hohen Preise nicht leisten können. Alleine im letzten Winter mussten Schätzungen zufolge, zwei Millionen Menschen in Deutschland in zu kalten Wohnungen leben, weil ihnen das Geld zum Heizen fehlt.
Die CO2-Steuer ist ungerecht. Auch vermeintliche Ausgleichsmaßnahmen wie ein Öko-Bürgergeld reichen nicht aus, soziale Härten zu vermeiden. Ein hoher CO2-Preis erlaubt reichen Menschen, die es sich leisten können, weiterhin mit Luxuskonsum Umwelt und Klima zu zerstören (Lies hier den marx21-Artikel: »CO2-Steuer: (K)eine Lösung?!«).
Klimaschutz geht nur sozial
Klimaschutz geht nur sozial. Das bedeutet, dass die Reichen und die Konzerne zur Kasse gebeten werden müssen. Nicht die pendelnde Krankenpflegerin mit dem alten Diesel oder der Erzieher in der unsanierten Altbauwohnung dürfen die Kosten des Klimaschutzes tragen, sondern vor allem Konzerne und jene die durch sie reich wurden.
Großkonzerne verdienen mit der Nutzung fossiler Stoffe und der Ausbeutung von Mensch und Natur Milliarden
Während sich die arbeitende Bevölkerung höhere Preise am wenigsten leisten kann, sind sie gleichzeitig von den Konsequenzen des Versagens der deutschen und internationalen Umweltpolitik am stärksten betroffen. Großkonzerne verdienen mit der Nutzung fossiler Stoffe und der Ausbeutung von Mensch und Natur Milliarden.
COP26, Klimakrise und Marktversagen
Die Klimakrise ist Ausdruck des größten Marktversagens der Menschheitsgeschichte. Wenn wir den Planeten wirklichen retten wollen, müssen wir ganz anders produzieren und sofort den fossilen Brennstoffen, der jetzigen industriellen Landwirtschaft und dem Individualverkehr den Rücken kehren. Ohne eine staatliche und demokratische Planwirtschaft wird der Planet nicht zu retten sein.
Wir haben keine nicht-radikalen Optionen mehr
Weil die Staats- und Regierungschefs der Welt an der fortschreitenden Zerstörung des Planeten beteiligt sind, brauchen wir Druck von unten, um wirklichen Klimaschutz durchsetzen. So wie jeder Millimeter sozialen Fortschritts gegen Kapitalinteressen erkämpft werden muss, muss auch der Schutz von Natur und Klima gegen die Herrschenden errungen werden. Um Klimagerechtigkeit langfristig zu erreichen, ist ein Systemwechsel erforderlich. Wir haben keine nicht-radikalen Optionen mehr.
Schlagwörter: COP, Klima, Klimakonferenz, Klimakrise