Thomas Goes versucht sich in seinem Buch »Klassen im Kampf« an einer Definition des Klassenbegriffs. Daniel Anton hat für uns herausgefunden, ob sich die Lektüre lohnt
In den vergangenen Jahren wurde der Klassenbegriff aus der Schmuddelecke herausgeholt, nun ist der Streit um seine Deutungshoheit entbrannt. Nachdem Thomas Goes gemeinsam mit Violetta Bock mit »Ein unanständiges Angebot? Mit linkem Populismus gegen Eliten und Rechte« seine Klassenanalyse und -perspektive umrissen hatte, steigt er nun mit »Klassen im Kampf. Vorschläge für eine populäre Linke« in den Ring.
Definition der Arbeiterklasse
Zunächst holt Goes nach, was im »unanständigen Angebot« teilweise für Verwirrung gesorgt hatte: Seine Definition der Klassen. Wenig überraschend ist dabei seine Abgrenzung von Konzepten, die entweder auf die Industriearbeiterschaft als Klasse fokussieren oder ausschließlich auf die prekär Beschäftigten.
Ebenso deutlich lehnt Goes einen Klassenbegriff ab, der alle Menschen umfasst, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Aus seiner Sicht ergibt sich aus diesem differenzierten Blick die lohnabhängige Zwischenklasse, die das grundlegende Bedürfnis der Arbeiterklasse nach guten Löhnen und sicherer Beschäftigung teilt, aber in anderen »fundamentalen Interessen« mit ihr auseinanderklaffen kann. Goes nennt hier vor allem Staatsbeschäftigte, aber auch lohnabhängige Beschäftigte, die in höheren Unternehmenspositionen angestellt sind.
Perspektive von Klassenbündnissen
Hier, so Goes, liegen Interessen quer – denn das gute, auskömmliche Leben dieser Mittelklasse ist abhängig von der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung, die wiederum einer echten, sozialistischen Transformation der Eigentums- und Produktionsverhältnisse im Wege steht. Dies steht jedoch nicht der gemeinsamen Perspektive der Klassenbündnisse im Wege, erfordert aber laut Goes politisch unterschiedliche Herangehensweisen.
Was heißt das für den Klassenbegriff? Die Abgrenzung reicht nicht für eine Definition. Deshalb nähert sich Goes über Produktionsweisen und über den Begriff der Ausbeutung an. Man sucht im Buch zwar weiterhin den einen, definierenden Satz. Stark wird die Analyse jedoch durch die These, dass sich die »Hauptklasse«, die Arbeiterklasse im Konflikt, im Klassenkampf und einer »grundsätzlich konflikthaften Beziehung zum Kapital« definiert. Hier wird die abstrakte sozialwissenschaftliche Abhandlung zur Klassentheorie, zu einer greifbaren Analyse.
Konkrete Vorschläge an die deutsche Linke
Die beiden Schlusskapitel »Das Volk der Linken« und »sozialistische Klassenpolitik heute« sind Goes konkrete Vorschläge an die deutsche Linke, die er schon im »unanständigen Angebot« ausformuliert hatte. Die schwierige Konstruktion eines linken Volksbegriffs ist dabei zu gleichen Teilen interessant, wie kompliziert. Allein die Abgrenzung zum völkisch-nationalistischen Begriff muss gerade in Deutschland so detailliert sein, dass es nur schwer vorstellbar ist, wie hierzulande mit dem Begriff in der politischen Praxis oder Analyse gearbeitet werden kann.
Viel wertvoller ist Goes sozialistische, verbindende Klassenpolitik, die eine antirassistische und inklusive Handlungsanweisung für eine LINKE bieten kann, die ihren Schwerpunkt in (Arbeits-)kämpfen und Selbstermächtigung statt im Stellvertretertum in den Parlamenten sieht.
Klassenkampf statt Stellvertreterpolitik
Goes ist da richtig stark, wo er sich mit konkreten politischen Kämpfen auseinandersetzt oder aber in der innerlinken Auseinandersetzung – gerade nach den Erfahrungen mit der Sammlungsbewegung »Aufstehen«.
Sein Konzept ist eines der wenigen, das die Arbeiterklasse nicht als Feigenblatt für das alte Muster parlamentarischer Stellvertreterpolitik nutzt. Stattdessen gibt er konkrete Vorschläge für einen verbindenden Machtblock gegen die Reichen und Herrschenden.
Wer es sich zutraut, sich durch alle Definitionen zu kämpfen, dem sei das Buch uneingeschränkt empfohlen. Für alle anderen gilt es, die vielen Schätze zur Klassenpolitik im Buch zu suchen und zu finden.
Das Buch:
Thomas E. Goes
Klassen im Kampf
Vorschläge für eine populare Linke
PapyRossa
182 Seiten
April 2019
14,90€
Schlagwörter: Arbeiterklasse, Bücher, Klasse, Rezension