Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurde die rassistische AfD aus dem Stand zur zweit- bzw. drittstärksten Kraft. In Deutschland droht die reale Gefahr einer faschistischen Massenpartei. Doch noch kann der Aufstieg der AfD gestoppt werden. Von Volkhard Mosler und Martin Haller
»Politisches Erdbeben«, »Wahl-Schock«, oder »Rechtsruck« lauten die Schlagzeilen am Tag nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Die rassistische »Alternative für Deutschland« stand bereits vor den Wahlen als eine Gewinnerin fest. Dass sie jedoch so stark abschneiden würde, ist dennoch eine böse Überraschung: Mit über 24 Prozent wurde sie aus dem Stand zur zweitstärksten Kraft in Sachsen-Anhalt. Ihre Ergebnisse von 15,1 bzw. 12,6 Prozent in Baden-Württemberg bzw. Rheinland-Pfalz zeigen, dass sie mit ihrer rassistischen Hetze auch im Westen Deutschlands Fuß fassen konnte.
Abstimmung über Merkel
Die AfD hatte die drei Landtagswahlen zu einer Art Volksabstimmung gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (»Merkel muss weg«) und ihre Flüchtlingspolitik stilisiert. Die CSU unter Horst Seehofer leistete der AfD dabei Schützenhilfe. Die CDU-Spitzenkandidaten Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt), Julia Klöckner (Rheinland-Pfalz) und Guido Wolf (Baden-Württemberg) schlugen sich in dieser unerklärten Volksabstimmung auf die Seite der Merkel-Gegner und verloren in den zwei westlichen Bundesländern deutlich an die Merkel-Befürworter Winfried Kretschmann (Grüne) in Baden-Württemberg und Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz.
In Sachsen-Anhalt verlor der Anti-Merkel-Kandidat Haseloff dagegen nur leicht an die AfD. Zumindest in den westlichen Bundesländern kann Merkel sich insofern gegen Seehofer gestärkt sehen, auch wenn die CDU dabei stark geschwächt wurde.
Seehofers Rechtskurs stärkt AfD
Klöckner, Wolf und Haseloff haben versucht, mit einer rechten Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik ihre Verluste an die AfD zu schmälern. Ohne Erfolg, denn wie zu erwarten, entschieden sich die Flüchtlingsgegner für das Original und wählten die AfD.
Seehofer droht inzwischen mit der Spaltung der Union. Aber sein Kurs ist selbstmörderisch. Die rassistischen Geister, die er ruft, stehen nicht ihm und einer rechts gewendeten Union zur Verfügung, sondern streben noch weiter nach rechts. Die Wahlsiege der Grünen und der SPD in den beiden Westländern zeigen jedoch, dass es nach wie vor auch eine antirassistische Stimmung gibt.
LINKE zwischen den Stühlen
Trotzdem zählt die LINKE zu den Wahlverlierern. In Rheinland-Pfalz verfehlte sie mit leichten Verlusten und in Baden-Württemberg mit einem leichtem Zugewinn gegenüber der letzten Wahl den Einzug in die Landtage. Wie in Hessen bei den Kommunalwahlen in der Woche zuvor, gab es aber auch bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg positive Erfahrungen: In Freiburg, Stuttgart und anderen Städten gab es Zugewinne für die LINKE von zwei bis vier Prozent und teilweise eine Verdopplung der Stimmenzahl. Dort wo sie stark verankert war und ein aufsuchender Wahlkampf in den Brennpunkten stattfand, konnte sie ihr Ergebnis verbessern.
Die hohe Zustimmung zu Kretschmann und Dreyer hat es der LINKEN in beiden Bundesländern jedoch schwer gemacht. In Rheinland-Pfalz hat die LINKE in mehreren städtischen Wahlbezirken fast doppelt so viele Erststimmen wie Zweitstimmen erhalten – ein Anzeichen dafür, dass linkes Wählerpotential hier taktisch abgestimmt hat, um einen Sturz Merkels von rechts zu verhindern.
Desaster in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt stürzte das Ergebnis der LINKEN um 7,4 Prozentpunkte auf 16,3 Prozent ab. Mit der Orientierung der Parteiführung auf eine rot-rot-grüne Regierung und mit einem staatstragenden Wahlkampf hat die LINKE 28.000 Stimmen an die AfD verloren. Diese ist mit einem klaren Oppositionsprofil in den Wahlkampf gegangen und konnte so die Stimmen der Protestwähler an sich binden.
In einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung heißt es dazu: »Die AfD ist aktueller Adressat, wenn es um die Formulierung von Protest geht, sie nimmt damit eine Rolle ein, die im Osten sonst stets der Linkspartei zugefallen war.« Die AfD konnte nicht nur mit ihrer Hetze gegen Flüchtlinge gewinnen, sie hat es mit ihrer Haltung als Protestpartei gegen »die da oben« geschafft, auch traditionelle Wähler der LINKEN zu gewinnen, denen die LINKE schon als Teil des politischen Establishments erschien.
AfD in Arbeiterbezirken
Besonders erschreckend ist, dass es der AfD gelang, auch in Großstädten und Ballungsräumen, insbesondere in ärmeren Stadtgebieten, hohe zweistellige Ergebnisse zu erzielen. So wurde sie im Wahlkreis Mannheim I, in einer klassischen SPD-Hochburg, mit 23 Prozent stärkste Kraft. Das Eindringen in die städtische Arbeiterklasse ist eine neue Dimension in der Geschichte der radikalen Rechten in der BRD.
Als etwa die »Republikaner« Anfang der 1990er Jahre mit einem zweistelligen Ergebnis in den baden-württembergischen Landtag einzogen, erzielten sie fast ausschließlich in ländlichen Regionen Erfolge. Das Vordringen der AfD auch in klassische Arbeiterbezirke zeigt, dass der Rassismus gegenüber Flüchtlingen nicht nur im konservativen Milieu immer weiter ausgreift.
Rechte Mobilisierungsfähigkeit
Der AfD ist gelungen, was die LINKE nicht geschafft hat: Sie konnte sich als die Oppositionskraft gegen die etablierte Politik darstellen, als eine Anti-System- und Protestpartei. So konnte sie hunderttausende ehemalige Nichtwähler für sich gewinnen. Zwar ist zumindest in Baden-Württemberg auch die LINKE als klare Opposition aufgetreten, mit einem scharfen antirassistischen, sozialen und kämpferischen Profil. Allerdings konnte sie keine vergleichbare Dynamik erzeugen, wie die rassistische und antisoziale Opposition der AfD.
»Wir wollen kein Koalitionspartner von niemandem sein, weil wir diese Politik bis aufs Messer bekämpfen werden«, sagte der stellvertretende AfD-Vorsitzende und Strippenzieher des neofaschistischen »Flügels« Alexander Gauland nach den Wahlen. Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt André Poggenburg, der wie Björn Höcke ebenfalls dem »Flügel« angehört, sagte in einer ersten Reaktion: »Es gibt zurzeit gar keine wirklichen Oppositionsparteien mehr.«
Die radikale Rechte verfügt momentan, vor allem in Ostdeutschland, über eine enorme gesellschaftliche Mobilisierungsfähigkeit, nicht nur bei Wahlen, was zuletzt der Aufmarsch von über 3000 Nazis und Rassisten aus dem Umfeld von »Pro Deutschland«, der NPD und Bärgida in Berlin gezeigt hat. Obwohl die Versuche im Westen des Landes ähnliche Demonstrationen hochzuziehen, zumeist an den antirassistischen Gegenmobilisierungen gescheitert sind, ist in dieser Stimmung ist auch ein weiterer Anstieg der Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte zu befürchten.
Die große Gefahr ist, dass es dem neofaschistischen Flügel der AfD hinter Gauland, Höcke und Poggenburg gelingt, die Partei zu einer neuen faschistischen Partei in Deutschland zu machen, die – im Unterschied zu NPD und Republikanern – zum ersten Mal seit der Weimarer Republik im Jahr 2017 in Fraktionsstärke in das Nationalparlament einziehen könnte. Das würde die Stimmung im Land nachhaltig nach rechts verschieben.
Faschisierung der AfD
Die Partei befindet sich mitten in einem Prozess der Faschisierung, das heißt in der Umwandlung von einer rechtspopulistischen Protestpartei in eine neofaschistische Kampfpartei. Die zunehmenden Straßenmobilisierungen und der strikte Oppositionskurs, den der neofaschistische Flügel der AfD vorgibt, sind Ausdruck dieser Tatsache.
Während die Parteivorsitzende Frauke Petry von einer Regierungsbeteiligung der AfD im Jahr 2021 spricht, wollen die Neofaschisten in der Partei nicht die Regierung im bürgerlichen Staat übernehmen, sondern das politische System als Ganzes bekämpfen, mit dem Ziel letztendlich die Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften und linken Parteien sowie die parlamentarische Demokratie insgesamt zu zerschlagen.
Der Prozess der Faschisierung wird innerhalb der AfD zum Ausbruch neuer Flügelkämpfe führen, deren Wortführer die Parteivorsitzenden Petry und Jörg Meuthen auf der einen Seite und Gauland und Höcke auf der anderen Seite sind. Der neofaschistische Flügel treibt derzeit den rechtspopulistischen Flügel vor sich her. Die ostdeutschen Landesverbände Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind fest in den Händen der Neofaschisten.
Dem Vormarsch dieses Flügels liegt eine Radikalisierung breiter Wählerschichten durch die anhaltenden Massendemonstrationen in vielen größeren und mittleren Ortschaften zugrunde. Das haben nicht zuletzt die Kommunalwahlergebnisse in hessischen Städten wie Büdingen oder Wetzlar gezeigt, in denen die AfD nicht kandidierte, stattdessen aber die NPD über 10 Prozent erzielen konnte.
AfD stoppen
In dieser Situation ist es die Aufgabe der LINKEN sowie aller antirassistischen und antifaschistischen Kräfte, sich der AfD mit allen verfügbaren Mitteln in den Weg zu stellen und sie zu stoppen, solange sie sich noch nicht vollständig in der deutschen Parteienlandschaft festsetzen konnte. Dazu braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Das wird nur gelingen, wenn die LINKE in der Flüchtlingsfrage standhaft bleibt und es schafft, alternative Lösungen zur Abschottung anzubieten. Es ist fatal, wenn etwa die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht selbst von einer drohenden Überforderung Deutschlands durch einen weiteren Zuzug von Flüchtlingen spricht. Indem sie vor »Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung« warnt, positioniert sie sich rhetorisch rechts von Merkel und schadet der LINKEN.
Es gibt keine Flüchtlingskrise
DIE LINKE muss die von den Rassisten von Seehofer bis Höcke geschürten Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen. Sie darf jedoch auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass an der rassistischen Hetze gegen Flüchtlinge auch nur ein Funken Wahrheit ist.
Nirgendwo in Europa und auch nicht in Deutschland haben Menschen wegen der Flüchtlinge Wohnung, Arbeit oder Lebensunterhalt verloren. Nirgendwo sind im reichen Europa und im extrem reichen Deutschland die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht oder auch nur getestet worden.
Nirgendwo in Deutschland ist aber der tatsächlich vorhandene Überfluss an Wohnraum und Lebensmitteln gerecht verteilt worden. Niemand hat den Reichen und Superreichen die Schlüssel zu den Millionen leerstehenden Büros, Zweit- und Drittwohnungen abgenommen, sie stehen immer noch leer. Stattdessen werden Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht und immer mehr Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt. Solange der immense Reichtum nicht aufgebraucht ist, ist auch die Aufnahmefähigkeit nicht annähernd erschöpft.
Alternativen zur Abschottung
Daher sollte die LINKE sich auch weigern von einer realen »Flüchtlingskrise« zu sprechen. Die AfD profitiert davon, dass große Teile der bürgerlichen Mitte eine Krisenstimmung verbreitet haben. Die LINKE muss dem mit aller Kraft entgegenwirken, anstatt mit dem Strom zu schwimmen, in der Hoffnung so nicht unterzugehen. Außerdem muss sie eine alternative Lösung zur Abschottungspolitik der EU anbieten.
Die Spaltung der europäischen Eliten über die Frage, wo und wie der Flüchtlingszustrom aus den Kriegsländern des Nahen und Mittleren Ostens gestoppt werden soll, hat diejenigen gestärkt, die auf Flüchtlinge an den Grenzen schießen lassen wollen. Der Streit zwischen Merkel und Seehofer ist nur die Fortsetzung dieser Debatte auf nationaler Ebene. Unter Führung Österreichs haben die Balkanstaaten die Grenze zu Griechenland geschlossen, tausende Flüchtlinge werden an der Weiterreise gehindert.
Die Regierung Merkel will stattdessen die Seegrenze im Mittelmeer mit Hilfe der Türkei dicht machen. Als Gegenleistung will sie die türkische Regierung mit sechs Milliarden Euro finanziell unterstützen und der Türkei den Weg in die EU eröffnen.
Offene Grenzen jetzt
Sahra Wagenknecht hat Merkels Plan scharf verurteilt, die Flüchtlinge mit Hilfe der Erdogan-Regierung an der europäischen Außengrenze zu stoppen, eine Regierung, die selbst in einen blutigen Unterdrückungskrieg gegen die kurdischen Minderheiten im eigenen Land und neuerdings auch in Nordsyrien verwickelt ist. Diese Kritik – so richtig sie an sich ist – wird jedoch unglaubwürdig, wenn wir nicht zugleich offene Grenzen zur Rettung der Flüchtlinge einfordern.
In der Sendung »Menschen bei Maischberger« ließ Wagenknecht den Eindruck entstehen, dass es zwischen der LINKEN und der AfD, vertreten durch Alexander Gauland, keine prinzipielle Differenz in der Flüchtlingsfrage gebe. Sie hat der Forderung Gaulands, die innereuropäischen Grenzen für die Flüchtlinge zu schließen, nicht widersprochen.
DIE LINKE muss die Schließung der Grenzen – ob Außen- oder Binnengrenzen der EU – ablehnen und die Öffnung eines sicheren Landwegs für Flüchtlinge von der Türkei bis nach Zentraleuropa fordern. Nicht die Flüchtlinge, sondern die Fluchtursachen müssen bekämpft werden. Dazu gehört der sofortige Stopp deutscher Kriegsbeteiligungen in Asien und Afrika sowie der deutschen Waffenexporte in alle Welt.
Sozialpaket für alle
Um die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu finanzieren, müssen Reiche, Banken und Konzerne zur Kasse gebeten werden. Die LINKE sollte den Vorstoß von Sigmar Gabriel für ein »neues Solidarprojekt« offensiv aufgreifen und ein Sozialpaket für die »allgemeine Bevölkerung« fordern. Von Gabriels sozialen Forderungen kurz vor den Wahlen konnte seine Partei nicht profitieren. Finanzminister Schäuble tat sie als »Wahlkampfgetöse« der SPD ab und auch die Masse der Wähler sah darin offensichtlich lediglich ein Manöver.
Die LINKE wird jedoch nichts dadurch gewinnen, Gabriel zusammen mit Schäuble des Wählerbetrugs zu beschuldigen. Sie muss die Forderungen Gabriels aufgreifen und den Druck auf ihn und die SPD steigern, jetzt ernst zu machen. Allerdings muss auch Kraft wachsen, diesen Forderungen mit realen Bewegungen und Kämpfen Nachdruck zu verleihen.
Widerstand und Proteste aufbauen
Im Wahlkampf ist es der LINKEN nicht gelungen, die fehlgeleiteten Ängste und Verunsicherungen auf die eigentlichen Gefahrenquellen zu lenken: den Kapitalismus, seine Krisen und die damit verbundenen sozialen Missstände und Unsicherheiten. Anders als die geschürte Phantomangst vor den Flüchtlingen oder dem Islam sind diese Ängste real und begründet. Aber soziale Unsicherheit und Abstiegsängste führen nicht automatisch nach rechts.
Das Beispiel Griechenland zeigt, dass dort, wo sich die arbeitenden Klassen in Massenstreiks und mit Klassenkämpfen von unten zu Wehr setzen, der Rassismus geringe Chancen hat, selbst dann, wenn diese Kämpfe noch nicht erfolgreich sind. Es reicht also nicht, sozialpolitische Forderungen nach Wohnraum für alle, Recht auf Kitaplätze und Mindestrenten zu fordern, es muss auch die Kraft wachsen, diesen Forderungen mit realen Bewegungen und Kämpfen Nachdruck zu verleihen.
Rassismus direkt bekämpfen
Doch ein scharfes soziales und antikapitalistisches Profil wird nicht ausreichen, um die AfD und die Dynamik rassistischer Bewegungen wie Pegida zu stoppen. Die LINKE ist momentan schlicht nicht stark genug, um unmittelbar große Klassenkämpfe aufzubauen oder gar Abhilfe für die sozialen Missstände zu schaffen. Solange der Rassismus weiter auf dem Vormarsch ist, werden Rechte weiterhin Flüchtlinge und Migranten als Sündenböcke für soziale Probleme und Abstiegsängste missbrauchen. Nur wenn die LINKE den Rassismus direkt bekämpft, kann sie die soziale Frage von links besetzen.
Gerade im Hinblick auf den neofaschistischen Flügel der AfD reicht eine Kritik an den neoliberalen Verhältnissen und der wachsenden Armut erst recht nicht aus. Dieser Flügel tritt im Unterschied zu den bislang formal noch führenden Parteivorsitzenden nicht mehr neoliberal sondern »national-sozial« auf.
Einen solchen Auftritt hatte sein Wortführer Gauland kurz vor den Wahlen im Brandenburgischen Landtag. In Anlehnung an Gabriel hatte der AfD-Fraktionssprecher einen Sozialpakt für Deutsche gefordert und sich gegen die Aussetzung des Mindestlohns für Flüchtlinge gestellt, »wie es immer häufer von Wirtschaftslobbyisten gefordert« werde. Gauland betonte, die sozialen Probleme würden seit Jahren vernachlässigt und fragte, ob der »sozial bedürftige Deutsche erst mit dem Schlauchboot das Mittelmeer durchqueren« müsse, um wahrgenommen zu werden. Sein Stellvertreter Kalbitz forderte die sofortige Angleichung der Ostrenten an Westniveau.
»National-soziale« Parolen in der AfD
Der neofaschistische Flügel hat den Aufstieg der NSDAP gut studiert, die sich mit einem Programm des »nationalen Sozialismus« in Arbeiterkreisen und bei Arbeitslosen als antikapitalistische Kraft empfahl. Höcke schrieb im Mai letzten Jahres: »Sozial sollte die AfD sein, weil die Kluft zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik Deutschland immer größer wird und die soziale Marktwirtschaft unbedingt gegen einen entarteten Finanzkapitalismus verteidigt werden muss.«
Die Tage von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel sind vorbei. Eine Kritik der AfD ohne einen Fokus auf ihren rassistischen Charakter wird zunehmend ins Leere zielen. Deshalb reicht es nicht, die AfD als neoliberale Partei der Unternehmer und Reichen zu kritisieren. Petry ist gegen den Mindestlohn, Höcke und Gauland verteidigen ihn hingegen vehement und zwar »gegen Flüchtlinge«.
Kampf der Armen gegen die Ärmsten
Eine linke Kritik der AfD muss diese Ambivalenz ihres Programms berücksichtigen. Vor allem dort, wo sie bereits mit »national-sozialen« Parolen auftritt, muss die LINKE den rassistischen, nationalchauvinistischen Charakter der AfD angreifen, der die Spaltung der Arbeiterklasse und damit ihre Ohnmacht gegenüber dem Kapital ebenso vertieft wie ein offen neoliberales Programm.
Der neofaschistische Flügel hat den Kampf der Armen gegen die Ärmsten auf seine Fahnen geschrieben. Auch das nützt nur den Reichen. Kein wohnungsloser Deutscher wird eine Wohnung bekommen, nur weil die Flüchtlinge wieder in die Kriegsgebiete zurückgeschickt werden.
Gleiche soziale und politische Rechte für alle – gegen die Spaltung in Deutsche und Migranten, lautet daher die zentrale Forderung für die LINKE. Antirassismus ohne Antikapitalismus ist zum Scheitern verurteilt, aber das gilt auch umgekehrt für einen Antikapitalismus ohne Antirassismus.
Bundesweite antirassistische Mobilisierung
Um die AfD zu stoppen, braucht es weit über die LINKE hinaus eine große bundesweite antirassistische Mobilisierung, die der Partei ihre national-konservative Tarnkappe entreißt. Dazu wiederum braucht es eine breite Aktionseinheit aller ernsthaften antirassistischen und antifaschistischen Kräfte. Die LINKE muss darin ihr Profil als antikapitalistische Protest- und Kampfpartei schärfen und zugleich Teil dieser bundesweiten Massenbewegung gegen die AfD werden.
Noch sind viele nicht überzeugt davon, dass die AfD dabei ist, sich in eine neue faschistische Massenpartei zu entwickeln. Das wird nicht ohne Brüche stattfinden, sie wird sich aber auch nicht von selbst erledigen. Die Unterschätzung der Gefahr ist zur Zeit noch das Haupthindernis für den Aufbau einer breiten und entschlossenen Aktionseinheit gegen die AfD
Chance für antifaschistischen Widerstand
Auch wenn die aktuelle Lage gefährlich ist und die Stimmung weiter nach rechts zu kippen droht, besteht nach dem Schock, den das Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen ausgelöst hat, auch die Chance den antifaschistischen Widerstand zu stärken und zu verbreitern. Es gab in den letzten Wochen und Monaten viele erfolgreiche Gegenmobilisierungen in zahlreichen Städten und Gemeinden.
Vergangenen Samstag demonstrierten im oberbayerischen Geretsried über 1000 Menschen gegen eine Kundgebung der AfD. Zu dieser waren nur 150 Personen erschienen. Im baden-württembergischen Breisach gingen am gleichen Tag über 1000 Demonstranten gegen eine Veranstaltung mit Petry auf die Straße. Auch in Freiburg und vielen anderen Städten war ein Straßenwahlkampf für die AfD aufgrund der Gegenproteste kaum möglich. Die einzige Wahlkampfveranstaltung der AfD in Freiburg mit Spitzenkandidat Meuthen fand nach Androhung von Protest erst gar nicht statt. Allein in Baden-Württemberg demonstrierten seit Anfang Januar über 20.000 Menschen gegen die Rassisten von AfD und den lokalen Ablegern von Pegida.
Aktionskonferenz und Kampagne gegen die AfD
Beispiele von großen Gegenmobilisierungen, Störaktionen oder gar erfolgreichen Verhinderungen von AfD-Veranstaltungen und -Kundgebungen gibt aus vielen Orten. Dort, wo es sie nicht gab und die Hetze unwidersprochen blieb, konnten die Rassisten mittlerweile die Hegemonie auf der Straße und nun teilweise auch in den Parlamenten erringen.
Im Süden Sachsen-Anhalts holte Poggenburgs AfD bis zu 30 Prozent der Zweitstimmen und gewann zahlreiche Direktmandate. Ist es erst einmal so weit gekommen, wird es wesentlich schwieriger, den Rechten durch eine antirassistische Offensive etwas entgegenzusetzen. Deshalb ist jetzt Zeit zu handeln und dem Aufstieg der AfD eine bundesweite Kampagne entgegenzustellen.
Mit dem Ziel, eine solche breite gesellschaftliche Bewegung gegen die AfD aufzubauen, hat sich Anfang des Jahres eine bundesweite Initiative zusammengefunden. Als nächster Schritt wird am 23./24. April eine zentrale Aktionskonferenz in Frankfurt am Main stattfinden. Von dort ausgehend soll eine massenhafte Aktivitäts- und Aufklärungskampagne gestartet werden, um die Rassisten und Nazis zu stoppen, bevor sie sich bundesweit festsetzen können.
Hier findest du weitere Informationen zur Kampagne sowie den Bündnisaufruf zur Aktionskonferenz.
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