#Widersetzen in Essen war ein Erfolg. Jetzt gilt es, die Stärken und Schwächen der Protestaktionen gegen den AfD-Parteitag Ende Juni genau zu analysieren, um das Ziel »AfD-Parteitag verhindern« beim nächsten Mal tatsächlich zu erreichen
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Am 28. Juli trafen sich 40 Delegierte aus verschiedenen Städten und Organisationen zur Auswertung von #Widersetzen in Essen und um einem Ausblick zu entwickeln, wie es nun weitergeht.
In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden die Aktionen in Essen ausgewertet. Auch wenn es viele Vorschläge gab, wie #Widersetzen hätte besser laufen können: Angesichts der kurzen Zeit, in der sich ganz unterschiedliche Akteure zu einer der größten Aktionen des zivilen Ungehorsams seit langem zusammengefunden haben, fiel die Gesamtbilanz sehr positiv aus.
Auch wenn der AfD-Parteitag in Essen nur für kurze Zeit verzögert werden konnte, waren sich alle Beteiligten einig, dass es sich lohnt, einen zweiten Anlauf zum nächsten Parteitag der AfD zu wagen. Hierzu wurden auch konkrete Verabredungen getroffen:
Am ersten Novemberwochenende soll eine Strategiekonferenz in Leipzig stattfinden, die die nächsten gemeinsamen Aktionen beraten soll. Der Termin ist bewusst so gelegt, dass er nach dem absehbaren Schock der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September liegt. Die Strategiekonferenz soll also die Möglichkeit bieten, den Wahlschock in eine gemeinsame Beratung und danach eine Verabredung zu einer gemeinsamen Aktion umzuwandeln.
Alice Weidel erklärte, dass der nächste AfD-Bundesparteitag im März/April nächsten Jahres stattfinden wird – allerdings schweigt sich die AfD über den Ort des Parteitags aus. Angesichts dessen, dass alle Beteiligten an der #Widersetzen-Auswertung die Kürze der Vorbereitungszeit bemängelten, war die wichtigste Verabredung, die verbleibende Zeit bis zum nächsten AfD-Parteitag – dann im Vorfeld der Bundestagswahl – zu nutzen, um eine Kampagne aufzubauen, die diesen Parteitag der AfD tatsächlich verhindern kann.
Die folgende Auswertung soll Teil der Reflektion der Stärken und Schwächen der #Widersetzen-Aktion sein. Gleichzeitig soll sie eine Einladung sein, die nächste Kampagne zur Blockade eines AfD-Parteitags gemeinsam anzugehen.
1. In Essen hat sich die Enschlossenheit einer neuen Generation von Antifaschist:innen gezeigt, die notwendige Konfrontation der AfD selbst in die Hand zu nehmen.
Nicht was in der Essener Grugahalle passierte, machte zum Auftakt des AfD-Bundesparteitags die ersten Schlagzeilen, sondern die »massiven Proteste« (Tagesschau) davor. Über 70.000 demonstrierten auf den Straßen Essens gegen die AfD und ihren Parteitag – Tausende beteiligten sich bereits in den frühen Morgenstunden an den Blockaden von Zufahrtswegen rund um die Grugahalle. Der Plan, den Delegierten der AfD, ihre Anreise so unbequem wie möglich zu machen, ging auf. Die AfD bekam deutlich zu spüren, dass sie in Essen nicht willkommen ist. Nicht wenige Delegierte kamen nur im Polizeispalier bis zur Halle. Der Parteitag konnte erst verspätet beginnen.
Warum das von Bedeutung ist: Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es in Deutschland wieder eine im Kern faschistische Partei mit Masseneinfluss. In der Resolution zur Gründung von #Widersetzen heißt es zurecht: »Die AfD ist eine von Faschisten geführte Partei, die Millionen von Mitbürger*innen deportieren will und einen antidemokratischen Umsturz plant. […] Wenn wir der AfD nicht aktiv den Raum nehmen, den sie sich nehmen will, werden wir die Ausbreitung des Faschismus nicht verhindern.«
Klar ist: Die AfD wird so schnell nicht verschwinden. Das Überleben der Arbeiter:innenbewegung sowie der demokratischen Gesellschaft mit all ihren kulturellen und subkulturellen Wurzeln wird davon abhängen, ob die Gesellschaft bereit ist, den Kampf gegen die Bedrohung, die die AfD darstellt, anzunehmen. Dazu gehört neben möglichst breiten Massenprotesten der Aufbau linker Alternativen – etwa in dem es gelingt, in Sozialprotesten und erfolgreichen Klassenkämpfen der AfD den Anspruch streitig zu machen, die einzige wirksame Opposition gegen »die da oben« zu sein. Dazu gehört aber auch die direkte Konfrontation der Faschist:innen.
Konfrontative Massenproteste gegen das öffentliche Auftreten von Nazis sind deswegen von besonderer Bedeutung, weil ihr Anspruch, die Straße zu beherrschen, zu ihrer Strategie gehört, nicht nur an die Regierung zu kommen, sondern die Macht im Staat zu erobern. Im Falle von Parteitagen oder anderen Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen geht es darum, deutlich zu machen, dass wir es hier nicht mit einer bürgerlichen Wahlpartei zu tun haben, sondern mit Nazis, denen es nicht nur um Parlamentssitze geht.
Essen hat gezeigt, dass eine neue Generation von Antifaschist:innen bereit ist, diese Konfrontation selbst in die Hand zu nehmen und die AfD mit breitem Protest und entschlossenen Mitteln zurückzudrängen. In jedem Bus, auf jedem Plenum, bei jedem Aktionstraining konnten wir es erleben: Der neue Antifaschismus ist jung, bereit für Konfrontation, aber auch (noch) unerfahren. Meist gab es auf 50 Teilnehmer:innen nur zwei bis fünf Personen, die so etwas schon mal gemacht hatten. Dass Tausende bereit sind, sich selbst und die Gesellschaft auch unter Einsatz ihrer Körper – und trotz teilweise massiver Polizeigewalt – zu verteidigen, macht uns Mut für die Auseinandersetzungen, die vor uns liegen.
2. Der Schlüssel zum Erfolg von #Widersetzen in Essen war die gezielte Konzentration unserer Kräfte, eine mutige Kampfansage sowie die Strategie, sich durch den systematischen Aufbau von Stärke der Herausforderung zu stellen, diesen Plan in einen Sieg zu verwandeln.
Wir müssen im Kampf gegen den Faschismus Antworten finden, die den Herausforderungen, vor denen wir stehen, auch gerecht werden. Und diese sind nun mal sehr groß und existenziell. Daher dürfen wir im Kampf gegen die AfD nicht einfach einen Protest nach dem anderen anmelden, zu dem dann die üblichen Verdächtigen kommen. Stattdessen müssen wir uns der Herausforderung stellen und Mittel und Wege finden, wie wir alle gemeinsam daran arbeiten können, Stück für Stück die Stärke aufzubauen, die es braucht, um zu siegen. Dafür müssen wir unsere Kräfte konzentrieren und Schlüsselschlachten identifizieren, die wir gewinnen wollen, um der AfD gezielte Schläge zu versetzen.
Erstmals seit den Erfolgen von »Dresden Nazifrei!« gab es wieder eine bundesweite antifaschistische Massenblockade-Aktion, die viele tausend Aktivist:innen zusammengebracht hat. Innerhalb von nur 65 Tagen seit der Gründung von #Widersetzen durch 170 Einzelpersonen und Vertreter:innen von Organisationen am 25. April 2024 bis zum Aktionstag am 29. Juni hat eine neue Generation von Antifaschist:innen zusammengefunden, die entschlossen ist, nicht ohnmächtig zuzusehen, wie die AfD von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, von gesellschaftlicher Verankerung zur lokalen Hegemonie voranschreitet, sondern ihr den Kampf ansagt.
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Als die ersten Sondierungen zur Gründung von #Widersetzen stattfanden, konnte sich noch kaum jemand vorstellen, dass es gelingen könnte, in so kurzer Zeit eine Kampagne von solcher Wucht aufzustellen. #Widersetzen hat sich getraut, eine große Kampfansage auszusprechen. Und es hat sich gezeigt: Wir können uns eine solche Ansage erlauben. Wenn wir es richtig machen, werden sich viele der Kampagne anschließen, die sich ebenfalls der Größe der Herausforderung stellen wollen.
Der mutige Plan, sich dem Nazi-Parteitag mitten im Ruhrgebiet zu widersetzen, hat Kräfte freigesetzt, die diese Ansage in einen Sieg verwandeln wollten. Das sollte uns Mut machen, wieder zusammenzukommen und gemeinsame Ziele zu setzen. Das bedeutet aber auch eine große Herausforderung für 2025: Wenn wir die AfD stellen wollen, dann brauchen wir eine entsprechende Ansage für 2025, um die wir alle gemeinsam ein Jahr lang kämpfen können.
3. Eine konfrontative Taktik im Kampf gegen die AfD kann dazu beitragen, die eigene Ohnmacht zu überwinden und zugleich einen Keil zwischen den Nazi-Kern der AfD und das breitere Umfeld der Partei zu treiben.
Die Botschaft, die von Essen ausgeht, ist eine doppelte: Sie ist sowohl diskursiv als auch praktisch. Auf der diskursiven Ebene besteht sie darin, den faschistischen Charakter der Führungsnetzwerke der AfD hervorzuheben: Die AfD ist keine »normale« Partei innerhalb des demokratischen Spektrums. Sie ist eine Partei, geführt von Nazis. Dementsprechend müssen wir sie bekämpfen und ihr die Räume nehmen. Keine Demokratie für die Feinde der Demokratie! Das ist die zentrale Lehre, die wir aus der Machtübernahme der Nazis 1933 ziehen müssen.
Indem wir die AfD direkt und entschlossen als Nazi-Partei konfrontieren, können wir dazu beitragen, die Partei zu brandmarken und ihr breites Umfeld zu verunsichern. Viele AfD-Anhänger:innen haben längst ein gefestigtes rechtes Weltbild, aber sie sind selbst überwiegend (noch) keine Nazis, die sich eine faschistische Führerdiktatur zurückwünschen. Hier gilt es den Keil anzusetzen. Ein Kerncharakteristikum faschistischer Bewegungen besteht im Spannungsverhältnis zwischen dem Aufbau einer Straßenkampf-Armee und der Festigung des faschistischen Kerns einerseits sowie der Aufrechterhaltung der bürgerlichen und sozialdemagogischen Fassade andererseits. An diesem Widerspruch müssen wir ansetzen und ihn verstärken. Hierzu gibt es in der Nachkriegsgeschichte auch wichtige Präzedenzfälle.
Immer wieder haben die Nazis nach dem Untergang des Dritten Reiches versucht, eine Nachfolgeorganisation der NSDAP aufzubauen. Seit dem Ende der 1960er Jahre hat sich dagegen immer wieder massiver Widerstand geregt. Das war aber lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Die NPD konnte nach ihrer Gründung 1964 bis 1968 unbehelligt an Wahlkämpfen teilnehmen und innerhalb kurzer Zeit in sieben Landtage einziehen. Das änderte sich erst mit der Studierendenbewegung Ende der 1960er Jahre und der von ihr eingeforderten kritischen Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus, die bis dahin ausgeblieben war.
Eine Serie von Wahlerfolgen der NPD, die nur knapp unter 10 Prozent blieb und in sieben Landtagen vertreten war, führte 1968 zu einer Welle von Protesten. Die Stimmanteile der Partei halbierten sich, nachdem sie keine Veranstaltung mehr durchführen konnte, die nicht von massiven Protesten begleitet war. Die Auseinandersetzungen spitzten sich zu, als die NPD 1969 im Bundestagswahlkampf mit Schlägertrupps versuchte, sich die Gegendemonstrierenden vom Hals zu schaffen. Zu offensichtlich waren die Parallelen zum Auftreten der SA unter Hitler. Das führte dazu, dass das Image der Partei, die sich als bürgerliche Alternative rechts von der CDU verkaufen wollte, nachhaltig beschädigt wurde. Auf Wahlplakaten wurden dazu passende Sticker mit der Parole »Ein Adolf war genug« geklebt – eine Anspielung auf den Namen des damaligen Parteivorsitzenden Adolf von Thadden.
Die 1969 stattfindende Bundestagswahl wurde zur Niederlage für die NPD, von der sich die Partei nie wieder erholen sollte. Sie scheiterte 1969 bei der Bundestagswahl an der 5-Prozent-Hürde. Die Wahlniederlage provozierte Flügelkämpfe und die Partei verlor innerhalb von nur zwei Jahren ein Viertel ihrer 27.000 Mitglieder. Die NPD war damit noch nicht geschlagen, aber deutlich geschwächt. Adolf von Thadden bescheinigte den Antifaschist:innen nachträglich das richtige Vorgehen gegen seine Partei gewählt zu haben. Er führte die Niederlage auf die »Unterdrückung der Versammlungstätigkeit durch zunehmenden Terror« zurück.
Natürlich sind die gesellschaftliche Stimmung und Ausgangslage heute eine andere. Trotzdem macht es Sinn, daran zu arbeiten, eine zeitgemäße, der aktuellen Lage angemessene Kampfansage an die AfD zu machen. Während wir dieses Mal nur 65 Tage Zeit hatten, lässt sich mit größerem Vorlauf vielleicht eine noch breitere Dynamik erzeugen.
Die praktische Kampfansage hat auch eine Ausstrahlung nach innen: Durch die direkte Konfrontation der AfD können wir die Ohnmacht angesichts des ungebremsten Aufstiegs der neuen Faschist:innen überwinden. Wir können gemeinsam mit Tausenden die Erfahrung machen, dass sich breiter und entschlossener Widerstand lohnt. Die gewaltigen Massenproteste von Millionen Menschen gegen die AfD zu Beginn des Jahres waren ein ermutigendes Zeichen. Gleichzeitig blieb für viele das Gefühl, dass der Widerstand gegen die Gefahr des Faschismus sich angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht in symbolischen Protestkundgebungen erschö-pfen darf. #Widersetzen in Essen war ein Angebot an all jene, die bereit sind, eine konfrontativere Form des Protests zu wählen und der AfD aktiv, auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams, die Räume zu nehmen – mit dem Ziel, stets anschlussfähig für die breite Masse der AfD-Gegner:innen zu bleiben.
Das ist geglückt. Gleichzeitig gibt es aber auch noch viel Luft nach oben und uns muss klar sein, dass wir erst ganz am Anfang stehen und noch viel mehr Menschen überzeugen und mitnehmen müssen, um noch viel stärker zu werden.
So ist es zwar gelungen, in kurzer Zeit Tausende zu den Blockade-Aktionen nach Essen zu mobilisieren – insbesondere der Mobilisierungserfolg im gewerkschaftlichen Bereich ist hier hervorzuheben –, doch bis auf einzelne Ausnahmen wurden vor allem die bereits Überzeugten von dem Plan, den AfD-Parteitag zu blockieren, begeistert. Um weiter auszugreifen, müssen wir die Schwankenden überzeugen. Dazu ist es sinnvoll, eine systematische Massenaufklärung über den Charakter der AfD, wie sie etwa »Aufstehen gegen Rassismus« zur Verfügung stellt, mit der Perspektive effektiver Massenblockaden zu kombinieren. Dafür müssen wir Formate entwickeln, um noch viel breiter über die AfD, ihren faschistischen Charakter und geeignete Widerstandsformen zu diskutieren. Die Kombination des diskursiven und praktischen Elements unserer Kampfansage hat auf jeden Fall Potenzial.
4. Was es neben dem Aufbau des antifaschistischen Widerstands braucht, ist ein Pol der Hoffnung, also eine politische Vision für den Aufbau linker Alternativen. Ein praktisches Beispiel dafür kann die Kampagne von Nam Duy Nguyen sein, der im sächsischen Landtagswahlkampf mit einem klassenpolitischen, antirassistischen und antifaschistischen Profil um das Direktmandat in Leipzig Mitte-Ost kämpft.
Die sich gegenseitig verschärfenden sozialen, ökonomischen und politischen Krisen haben in vielen Ländern weltweit zu einem massiven Legitimationsverlust des politischen Systems und seiner Träger, den staatlichen Institutionen und politischen Parteien geführt – auch in Deutschland. Dies ist der Hintergrund, vor dem rechte, nationalistische, autoritäre und faschistische Kräfte Erfolge feiern. Mit ihrer Kritik an den neoliberalen Eliten und deren unsozialer Politik, ihrer Sündenbock-Ideologie gegen Minderheiten und äußere Feinde sowie ihrer Beschwörung einer angeblichen »Volksgemeinschaft« gelingt es ihnen, den Frust, die Ängste und die Wut in breiten Bevölkerungsteilen in ihre rechten Bahnen zu lenken.
Um dem etwas entgegenzusetzen, braucht es neben dem antifaschistischen Widerstand auch eine linke Alternative, damit den Rechten nicht das Feld des Protests gegen die neoliberale Politik der Regierenden überlassen wird. Es braucht eine Linke, die Solidarität und sozialen Protest gegen diese Politik von unten aufbaut, den neoliberalen Dogmen Perspektiven für ein besseres Leben für alle entgegenstellt und sichtbar kein Teil der etablierten Parteienlandschaft ist. Nur so kann der Aufstieg der Rechten und die faschistische Gefahr nachhaltig gebrochen werden.
Eine gute Gelegenheit, gemeinsam zu experimentieren und auszutesten, wie eine Kampagne der Linken als klassenpolitischer Kraft, die Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung zusammenführt und statt auf Stellvertretertum auf Aktivierung und Selbstermächtigung setzt, kann die Kandidatur von Nam Duy Nguyen sein, dem Sohn eines vietnamesischen Vertragsarbeiters im Stahlwerk von Riesa, der in Leipzig-Mitte-Ost um das Direktmandat für DIE LINKE im anstehenden sächsischen Landtagswahlkampf kämpfen wird. Damit würde er als erste Person of Color in den Sächsischen Landtag einziehen. Mit diesem Profil setzt sein Wahlkampf auch eine Alternative zum mehrheitlich staatstragenden Kurs des sächsischen Landesverbands.
Gerade vor dem Hintergrund des absehbaren Schocks, den die Landtagswahlen im Osten im September mit dem möglichen Durchbruch für die AfD, erstmals auf Länderebene zur stärksten Kraft aufzusteigen, auslösen werden, ist Nam Duys Kandidatur von großer Bedeutung. Daher wollen wir um sie eine Kampagne aufbauen, die als eine Musterbewegung der Klasse vor Ort und als Experimentierraum für DIE LINKE 2025 dienen kann.
5. Die Beteiligung von Gewerkschafter:innen und betrieb-lichen Kolleg:innen an #Widersetzen in Essen ist ein wichtiger Erfolg, auf den es aufzubauen gilt. Es braucht eine neue soziale Front und einen Kampf um die Seele der Gewerkschaften.
Bei der Europawahl 2024 wurde die AfD unter Gewerkschafter:innen zweitstärkste Kraft. Mit 18,5 Prozent schnitt sie unter organisierten Kolleg:innen sogar besser ab als im Gesamtergebnis. Hier zeigt sich, wie wichtig im Kampf gegen die AfD auch der Kampf um die Seele der Gewerkschaften ist. Umso bedeutender ist, dass es gelungen ist, zahlreiche Gewerkschafter:innen für #Widersetzen und die Mobilisierung nach Essen zu gewinnen. Mehrere Gliederungen von ver.di haben Beschlüsse zur Unterstützung von #Widersetzen gefasst. Und aus mehreren Städten reisten betrieblich organisierte Kolleg:innen gemeinsam mit Bussen an, um sich an den Protesten und Blockaden zu beteiligen.
Dass ein unter anderem von Gewerkschafter:innen getragenes Bündnis zu Aktionen des zivilen Ungehorsams aufruft, ist keine Selbstverständlichkeit. Marvin Hopp schreibt in einem lesenswerten Beitrag in der Zeitung »express«: »Widersetzen beabsichtigt das ›massenhafte inhaltliche Stellen der AfD‹ durch Aktionen des zivilen Ungehorsams. […] Das Besondere dabei: Es sind dieses Mal vor allem Gewerkschafter:innen, die hier eine zentrale Rolle spielen. Innerhalb des Organisationsbereichs von ver.di kursieren zahlreiche Aufrufe von Beschäftigten, sich an den Protesten und den Aktionen des massenhaften Widersetzens zu beteiligen. In kurzen Videoclips mobilisieren bspw. Beschäftigte der Unikliniken in NRW ihre Kolleg:innen sowie Kolleg:innen anderer Branchen nach Essen und kündigen an, sich an den Aktionen des zivilen Ungehorsam zu beteiligen. Auch wenn die gewerkschaftliche Mobilisierung derzeit maßgeblich aus dem Organisationsbereich von ver.di getragen wird, lassen diese Beispiele Hoffnung aufkommen, dass die Stärkung und der Ausbau einer gewerkschaftlichen und vor allem betrieblichen Basis im Kampf gegen die AfD u.a. auch auf diesem Wege gelingen kann. Zumindest können die zahlreichen sichtbaren und klaren Bekenntnisse von Beschäftigten gegen die AfD dazu beisteuern, den antifaschistischen Grundsatz zu erneuern und Gewerkschafter:innen in dieser Haltung zu unterstützen.«
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Den Gewerkschaften kommt im Kampf gegen die AfD eine besondere Bedeutung zu. Um diese wahrzunehmen, braucht es eine Repolitisierung betrieblicher Gewerkschaftsarbeit. Gerade vor dem Hintergrund, dass es der AfD zunehmend gelingt, in die Betriebe und sogar die Gewerkschaften selbst vorzudringen, ist es zentral, denjenigen Kräften den Rücken zu stärken, die für eine klare antifaschistische Haltung einstehen und sich nicht aus Angst vor einer Spaltung der Belegschaften vor politischen Fragen wegducken. In Gewerkschaften argumentativ klare Kante zu zeigen und auf antifaschistischen Protesten gleichgesinnte Gewerkschafter:innen zu treffen und als Teil einer Mobilisierung auf der Straße Mut für das alltägliche Argumentieren im Betrieb zu finden, sollte nicht unterschätzt werden. Insofern ist die rasant entstandene Vernetzung von Gewerkschafter:innen für #Widersetzen ein erster ermutigender Schritt.
Gleichzeitig bedarf es neben Mut und Klarheit im Kampf gegen Rechts einer erfahrbaren gesellschaftspolitischen Opposition zur neoliberalen Regierungspolitik der Ampel. Auch hier spielen gewerkschaftliche Kämpfe eine zentrale Rolle. Viele Kolleg:innen haben zuletzt die Erfahrung gemacht, dass es einen krassen Angriff auf ihren Lebensstandard gibt. Wenn Menschen diese Angriffe passiv ertragen und ihnen vereinzelt ohnmächtig gegenüberstehen, haben die Narrative der AfD eine Chance, soziale Konflikte in rassistische Verteilungskämpfe umzudeuten. Machen die Menschen hingegen die Erfahrung, dass sie sich gemeinsam zusammenschließen können, dann bedeutet dies zwar nicht automatisch einen Rückzug von rassistischen Argumenten, aber es bietet den Ansatz zu beweisen, dass Solidarität ein effektiverer Weg ist, die eigenen Interessen zu verteidigen, als Spaltung.
Hier ist das Bild 2023/2024 gemischt. Einerseits haben viele Beschäftigte die Preissteigerungen in der Inflation passiv ertragen bzw. ertragen müssen, weil ihre Gewerkschaft ihnen keinen Rahmen dafür bereitgestellt hat, um ihren Lebensstandard zu kämpfen. Aber es gibt auch in Ansätzen die Erfahrung, kollektiv Widerstand zu leisten und dadurch Erfolge oder zumindest Teilerfolge zu erzielen. Die anstehenden Tarifrunden im öffentlichen Dienst, bei der Post und der Metallindustrie bieten die Chance, darauf aufzubauen, den Aufbau einer kämpferischen Erneuerung der Gewerkschaften voranzutreiben und aus den Tarifbewegungen heraus Politisierungsprozese anzustoßen.
6. Für den kurzen Zeitraum von nur 65 Tagen von der Gründung bis zur Aktion war #Widersetzen in Essen ein Erfolg. Jetzt sollten wir uns Zeit nehmen für eine gründliche Auswertung der Kampagne, um beim nächsten Mal – mit mehr Vorbereitungszeit – noch stärker zu werden.
Im Vergleich zu einem Nazi-Aufmarsch oder einer -Kundgebung ist ein Parteitag für massenhafte Blockadeaktionen ein besonders schwieriges Terrain. Große Veranstaltungsräume lassen sich leichter von der Polizei abriegeln. Und während ein Nazi-Aufmarsch meist um die Mittagszeit oder nachmittags stattfindet, ist der neuralgische Punkt bei einem Parteitag die Anreise der Delegierten. Sind diese erstmal im Veranstaltungsort des Parteitags angekommen, ist es für die Polizei sehr einfach, diesen vor Demonstrierenden zu schützen. Dementsprechend war das Konzept von #Widersetzen, die Anreise der Delegierten durch massenhaftes Widersetzen an strategisch wichtigen Punkten zu verhindern. Diese Strategie fußt auf der Einschätzung, dass die polizeilichen Entscheidungen und die Einsatzstrategie letztlich immer auch ein politisches Kräfteverhältnis widerspiegeln: Also welchen Preis hat die Räumung einer Sitzblockade politisch?
Beispiel »Dresden Nazifrei!«: Die taz berichtete von der Pressekonferenz des damaligen sächsischen Polizeipräsidenten Bernd Merbitz zur Entscheidung, die Blockaden in Dresden nicht zu räumen: »Die Polizei habe aber darauf verzichtet, die Route zu räumen. Das wäre nicht verhältnismäßig gewesen, so Merbitz. Dabei hätte die überwältigende Anzahl der Gegendemonstranten und ihre breit gemischte Zusammensetzung eine Rolle gespielt.«
Auch auf der Pressekonferenz der Polizei am Dienstag vor den Protesten von #Widersetzen musste die Polizeiführung in Essen zugestehen, dass Sitzblockaden nicht per se illegal sind und sie von Fall zu Fall beurteilt werden müssen – auch unter Berücksichtigung ihrer Zusammensetzung. Doch was heißt das nun für die Bilanz des Tages? Ist das Terrain eines Parteitags so ungünstig, dass eine massenhafte Blockade unmöglich ist? Ist die teils massive Polizeigewalt, die wir in Essen erlebt haben, Ausdruck einer zu kleinen Anzahl von Widersetzer:innen oder einer zu geringen Breite in der Zusammensetzung? Diese Fragen muss eine genauere Auswertung beantworten.
Allerdings gibt es aus unserer Perspektive Hinweise, dass wir nicht so weit von einer Massenblockade entfernt waren, die den Auftakt des Parteitags am Samstag tatsächlich hätte verhindern können: Wie Presseartikel mittlerweile bestätigen wurden Delegierte der AfD nach Gelsenkirchen gebracht und von dort aus in mehreren Bussen über die freigehaltenen Zufahrten zum Parteitag eskortiert. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Zufahrtspunkte bereits blockiert. Die wichtigste Anreiseroute für die AfD-Delegierten ging über die Autobahnabfahrt an der A 52. Genau in diesem Moment war es den Widersetzer:innen gelungen, an einem strategisch wichtigen Punkt aus den Bussen auszusteigen. Die Polizei ist hier besonders rabiat vorgegangen. Die 500 Widersetzer:innen wurden unmittelbar nach dem Verlassen der Busse brutal angegriffen und es gelang nicht, den Punkt zu besetzen. Damit war für die meisten Delegierten die Route offen. Wäre es gelungen, an diesem Punkt eine Blockade aufzustellen und zu halten, hätten nicht nur einzelne Delegierte durch die Polizei eskortiert werden müssen, sondern es wäre notwendig geworden, eine hohe Zahl von AfD-Delegierten über andere Routen in den Parteitag zu schleusen.
Wieso ist das nicht gelungen? Das Ziel für die Blockade-Aktion war, dass 5.000 Widersetzer:innen aus NRW kommen und 5.000 weitere aus dem restlichen Deutschland. Und gleichzeitig war das Ziel, durch die Zusammensetzung der Widersetzer:innen den Preis für die Auflösung einer Blockade zu erhöhen. Wir müssen feststellen, dass es nicht gelungen ist, diese 10.000 Menschen zu mobilisieren. Zwar war die Mobilisierung aus dem restlichen Bundesgebiet verhältnismäßig gut, aber aus NRW blieben die Zahlen deutlich unter dem gesetzten Ziel.
Der Einschätzung eines Beteiligten der gescheiterten Blockade an der Autobahnabfahrt zufolge, hätte der Punkt mit 1.000 statt 500 Widersetzer:innen wahrscheinlich gehalten werden können. Dass solch eine stärkere Mobilisierung nicht undenkbar, sondern durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre, zeigen zum Beispiel die Zahlen aus Frankfurt am Main, die zu diesem Blockadepunkt mobilisiert hatten. Aus Frankfurt waren etwa 100 Widersetzerinnen angereist. Zu den Blockaden von »Dresden Nazifrei!« kamen damals aus Frankfurt aber etwa 350 Menschen. Die doppelte Stärke an diesem einen neuralgischen Blockadepunkt und vielleicht 10.000 bis 15.000 Widersetzer:innen in Essen insgesamt, anstatt der etwa 7.000 tatsächlich Mobilisierten, hätten möglicherweise einen qualitativen Unterschied gemacht und das Potenzial gehabt, den AfD-Parteitag deutlich mehr als nur 40 Minuten zu verzögern.
Dass es dafür nicht gereicht hat, liegt unter anderem daran, dass es nicht ausreichend gelungen ist, #Widersetzen als handlungsfähige Einheit vor Ort in NRW zu konstituieren, die eine größere Mobilisierungsdynamik in Gang hätte setzen können. Dass hier mehr drin gewesen wäre, zeigt etwa das Beispiel Aachen. Hier wurde eine systematische lokale Mobilisierung angegangen, indem frühzeitig alle relevanten Organisationen und Strukturen vor Ort zu einem Delegiertentreffen geladen wurden, von dem ausgehend eine große Stadtversammlung organisiert wurde, um so möglichst viele Kräfte in eine starke Mobilisierung einzubinden. Bereits zum Aktionstraining kamen 80 Leute und schließlich reisten aus Aachen etwa 100 Blockierer:innen mit Bus, Zug oder Auto zum Camp nach Essen. Wären mehr Städte diesem Beispiel gefolgt, hätten Tausende weiterer Widersetzer:innen vor Ort in Essen womöglich einen großen Unterschied gemacht.
Nun stellt sich die Frage, wie es denn mit der anderen Dimension – der breiten Zusammensetzung – als Kriterium für die Entscheidung der Polizei, eine Blockade nicht zu räumen, aussieht. Ein Schlüssel, um eine breite Zusammensetzung von Massenblockaden möglich zu machen, ist das breite Ausgreifen in der Mobilisierung vorab – und die Schaffung von Punkten, an denen Menschen aus der Dynamik des Protests heraus Entschlossenheit entwickeln können. Diese Masse-Entschlossenheit-Punk-te waren für erfolgreiche antifaschistische Proteste in der Vergangenheit wesentlich.
Es war richtig, neben den Blockade-Aktionen auch zu breiter getragenen Großdemonstrationen aufzurufen. Allerdings hätte das Zusammenspiel beider Elemente besser sein können. So wurde mit der Rave-Demo am Freitagabend, die Anlaufpunkt für viele, insbesondere junge Leute war, ein kulturelles Protest-Event geschaffen, mit dem in weitere Milieus ausgestrahlt werden konnte. Dort war #Widersetzen jedoch zu wenig präsent. Mit einem Lautsprecherwagen und einer gezielten politischen Ansprache wäre es möglich gewesen, viel mehr der etwa 7.000 Teilnehmer:innen der Demo auf die Blockaden am nächsten Morgen einzuschwören.
Die Großdemo am Samstag war mit etwa 50.000 Teilnehmer:innen ein starkes Zeichen. Jedoch ist es nicht ausreichend gelungen, die Großdemo mit den Blockade-Aktionen am Morgen zu verbinden. So hätte es einen Unterschied machen können, wenn die Demo nicht fernab der Blockaden um die Grugahalle durch die Essener Innenstadt gelaufen wäre, sondern sich als Startpunkt um 10 Uhr vor der Halle gesammelt hätte. Dort hätte sie noch etwa eine Stunde auf die Blockierer:innen warten können, um dann angeführt von einem sehr dynamischen Block von 7.000 Widersetzer:innen mit eigenem Lauti loszuziehen. So hätte nochmal ein ganz anderes Signal gesendet werden können.
Für die Zukunft bedeutet dies: Wir brauchen im Vorfeld einen Kampf darum, dass möglichst viele zum Widersetzen aufrufen. Und wir brauchen in der Aktion Punkte, an denen aus der Masse heraus viele die Entschlossenheit entfalten können, sich der AfD zu widersetzen und mit zu blockieren. Denkbar wäre sogar auf die Großdemonstration während des Parteitages ganz zu verzichten und stattdessen Großdemo und Konzert am Vortag zu konzentrieren. Im Idealfall endet die Großdemo dann auf dem Konzertplatz, der direkt neben dem Protestcamp liegt, wo nach dem Konzert weiter gefeiert und die Aktionen des nächsten Tages vorbereitet werden. Am Tag selbst könnte statt einer Demo eine statische Kundgebung in sicht und Hörweite für alle Antifaschistinnen eine Anlaufüpukt sein, der gleichzeitig auch als Ausgangspunkt für die Beteiligung an #Widersetzen-Aktionen dienen könnte.
8. #Widersetzen muss weitermachen! Aber wie?
Das Delegiertentreffen von #Widersetzen in der Woche vor dem AfD Parteitag hat beschlossen auch in Zukunft gemeinsam Proteste zu organisieren – ohne dies allerdings auszubuchstabieren. Dabei ist in den Diskussionen klar geworden, dass #Widersetzen keine bundesweite, dauerhaft wirkende Organisierung anstrebt, wie dies etwa »Aufstehen gegen Rassismus« darstellt. Vielmehr wurde auf dem Delegiertentreffen die Erwartung geäußert, dass es vor der Bundestagswahl 2025 weitere Anlässe geben könnte, zu denen sich eine Koalition zusammenfindet, die dann in einer konkreten Auseinandersetzung gemeinsam in Aktion tritt. Zu diesem Zweck soll es im November eine Aktionskonferenz geben, die nach dem zu erwartenden Schock der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September und in Brandenburg am 26. September einen Ansatz bietet, gemeinsam die Schockstarre zu überwinden und sich zu Aktionen im nächsten Jahr zu verabreden.
Der nächste Bundesparteitag der AfD im Frühjahr oder Sommer 2025 könnte ein solcher Anlass sein. Die Bundestagswahl wird dann ihren Schatten vorauswerfen und die Chance bieten, langfristig viele Akteure zu einer gemeinsamen Aktion zusammenzubringen. Ob eine erneute Parteitag-Blockade als Ziel ausgegeben werden soll, soll auf einer Strategiekonferenz von #Widersetzen beraten werden. Wir glauben, dass es sich lohnen könnte, diesen Schritt zu gehen und zu versuchen, auf den Erfolg von Essen aufzubauen. Mit mehr Vorbereitungs- und Mobilisierungszeit und den Lehren von #Widersetzen in Essen im Rücken trauen wir uns zu, im nächsten Jahr eine noch größere und schlagkräftigere Kampagne aufzubauen und das Ziel »AfD-Parteitag verhindern« tatsächlich zu erreichen.
Auch die Erfahrung von »Dresden Nazifrei!« zeigt, dass Beharrlichkeit sich auszahlen kann: So standen im ersten Jahr nach Gründung des Blockade-Bündnisses 2009 noch etwa 7.000 Nazis nur 4.000 Antifaschist:innen gegenüber. 2010 aber kamen 12.000 Antifaschist:innen und konnten die 6.000 Nazis, die gekommen waren, am Marsch durch die Stadt hindern. Im folgenden Jahr konnte der Erfolg leicht wiederholt werden, nachdem nur noch halb so viele Nazis wie im Vorjahr angereist waren. Damit haben die Dresdner:innen ihre ganz eigene Tradition, den Jahrestag der Bombardierung ihrer Stadt zu begehen, entwickelt.
Genauso brauchte es bereits im Kampf gegen die ab Mitte der 1970er Jahre wieder erstarkte NPD mehrere Anläufe, bis deren jährlich stattfindendes »Deutschlandtreffen« erfolgreich verhindert werden konnte. Standen 1977 noch lediglich einige Hundert Gegendemonstrierende den etwa 4.000 Nazis gegenüber, kamen ein Jahr später bereits 7.000 Antifaschist:innen nach Frankfurt am Main, um den Versammlungsort der Nazis im Stadtzentrum zu besetzen. Die Polizei versuchte vergeblich, den Platz für die NPD gewaltsam zu räumen und sah sich schließlich gezwungen, der NPD mit ihren 4.000 angereisten Anhänger:innen die im Vorfeld genehmigte Demonstrationsroute zu untersagen. Dieser große Erfolg verbreitete sich wie ein Lauffeuer in ganz Westdeutschland und verhalf der antifaschistischen Bewegung zum Durchbruch. Er stärkte allen den Rücken, die sich nicht damit begnügen wollten, weit weg vom Veranstaltungsort der Nazis zu demonstrieren. Es hatte sich gezeigt, dass die direkte Konfrontation zum Erfolg führen kann. Während die Gewerkschaften in dem Jahr der großen Konfrontationen noch Proteste weitab angemeldet hatte, sahen sie sich im Folgejahr gezwungen eine Demonstration mit Kundgebung direkt am geplanten Aufmarschort der NPD anzumelden. Diese wurde natürlich nicht genehmigt. Trotzdem kamen rund 40.000, die gegen die NPD protestieren wollten, so dass sich die Polizei gezwungen sah, die Demonstration zu dulden. Parallel dazu wurde ein »Rock gegen Rechts«-Konzert organisiert, das von ungefähr 50.000 Antifaschist:innen besucht wurde. Von dieser Demütigung sollte sich die NPD nie wieder richtig erholen.
Diese beiden – oft auch schon in Vergessenheit geratenen – Erfahrungen von erfolgreichen antifaschistischen Massenblockaden sollten uns Mut machen. Wir haben das Gefühl, wir stehen wieder an einer Wegscheide, wo ein erster Anlauf noch nicht erfolgreich war, aber die Grundlage für einen erneuten erfolgreichen Anlauf bieten könnte. Deshalb möchten wir dazu einladen, gemeinsam zu diskutieren, ob wir nicht den nächsten Großprotest zur Blockade eines AfD-Parteitags in Angriff nehmen sollten und diese Aktion nun über ein Jahr lang aufbauen wollen.
Erfahrungsbericht aus Aachen
In Aachen wurde ein systematischer Mobilisierungsansatz verfolgt, der großes Potenzial hat. Eine Übersicht über das Vorgehen und zentrale Lehren:
-> 6 Wochen vor der Aktion wurde ein lokaler Koordinierungskreis gegründet, der bis zur Aktion zentrales Organ war. Er bestand aus sieben Aktiven aus verschiedenen Kontexten, traf sich wöchentlich und arbeitete eigenständig, also nicht als Bündnis
-> Nach der Erstellung eines groben Zeitplans wurde ein Mapping aller (über einhundert) eventuell relevanten Gruppen in der Stadt erstellt. Diese wurden auf einzelne Mitglieder des Koordinierungskreises aufgeteilt, die persönlich die Gruppen ansprachen. Eventuell wäre eine Konzentration auf weniger, aber relevantere Gruppen gut gewesen.
-> 3 Wochen vor der Aktion gab es eine Delegiertenversamm-lung, an der ca. 40 Personen aus 30 verschiedenen Organisationen teilnahmen. Durch ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Gegner und dadurch, dass gemeinsam konkrete Mobilisierungsevents geplant wurden, entstand über alle Differenzen hinweg ein Gemeinschaftsgefühl.
-> ein dabei beworbener Telegram-Channel hat danach die Kommunikation zu einzelnen Gruppen und Menschen vereinfacht, aber vermutlich auch dazu geführt, dass bilaterale Absprachen zwischen Koordinierungs-Kreis und Gruppen vernachlässigt wurden.
-> Aus der Delegiertenversammlung geplant und über den Telegram-Channel beworben, fanden mehrere Mobiaktionen statt (Flyern, Plakatieren, Ansprachetraining, Aktionstraining)
-> 9 Tage vor der Aktion gab es eine »Stadtversammlung gegen rechts« zur breiten Mobilisierung nach Essen. Dabei wurde der faschistische Kern der AFD dargestellt, das Aktionsbild erklärt und mit mehreren kurzen, motivierenden Reden eine positive und kämpferische Stimmung aufgebaut sowie zu den nächsten Mobiaktionen eingeladen.
-> Von autonomen Gruppen bis hin zu den Grünen wurde gut und zuverlässig zusammengearbeitet
-> Aus den Gewerkschaften gab es Unterstützung für #Widersetzen auch über die linken Kreise der Mitgliedschaft hinaus.
-> Die gruppenübergreifende Zusammenarbeit hat nicht nur die Mobilisierung vereinfacht und die Strategie verbessert, sondern auch die einzelnen Gruppen einander nähergebracht.
Schlagwörter: AfD, Antifaschismus, Inland, Kampf gegen Rechts