Am 3. September folgten über 6.000 Menschen dem Aufruf des Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus« und zogen mit einem dynamischen und bunten Demonstrationszug durch Berlin-Charlottenburg vor die AfD-Zentrale. marx21 über erste Erfolge des Bündnisses, offensichtliche Schwächen in der Mobilisierung und die Möglichen nächsten Schritte im Kampf gegen Rassismus und die AfD.
Das Bündnis wollte kurz vor den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin ein starkes Zeichen gegen Rassismus generell und gegen die AfD im Speziellen zu setzen. Ein erster Anfang ist mit der Demonstration und dem anschließenden Konzert am 3.9. gemacht.
Das Bündnis: Aufstehen gegen Rasssismus
Das politisch breite Bündnis gründete sich nach den Landtagswahlen im März diesen Jahres, als die AfD in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Wahlerfolge erzielen konnte. Neben Vertreterinnen und Vertretern der Parteien SPD, Grüne und LINKE, unterzeichneten auch viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter den Aufruf zur Bündnisgründung, darunter der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Bei einer bundesweiten Aktionskonferenz im April mit über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Frankfurt wurde nicht nur die Großdemonstration beschlossen, sondern auch ein antirassistisches Schulungsprogramm gestartet (StammtischkämpferInnen-Schulungen). Seitdem gründeten sich zahlreiche lokale Bündnisableger, die vor Ort mit Massenmaterial gegen die AfD und, wie in Berlin, mit direkten Aktionen gegen AfD-Wahlkampfstände, aktiv sind.
Die Demonstration gegen Rassismus am 3.9.
Mit etwa 6.000 Menschen nahmen weniger an der Demonstration teil, als ursprünglich erhofft. Vor allem zu wenige, um tatsächlich die Stimmung in der Stadt – zwei Wochen vor den Wahlen – zu beeinflussen. Trotzdem war die Demonstration ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, denn man konnte ein Gefühl dafür bekommen, welche gesellschaftliche Breite potenziell für den Kampf gegen rechts gewonnen werden kann.
Neben einem großen Block des Blockupy-Bündnisses, kamen Mitglieder der Parteien SPD, Grüne, Piraten und LINKE zur Demonstration. DIE LINKE stellte einen eigenen Block, der vor allem vom Studierenden- und Jugendverband geprägt wurde. ver.di organisierte kurzfristig einen eigenen Gewerkschaftsblock mit 80 Teilnehmern. Bei der Auftaktkundgebung gab es Redebeiträge von der Flüchtlingshelfer-Initiative »Moabit hilft!«, dem »Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung«, vom VVN-BdA und von attac. Beim Abschluss kamen außerdem Heiko Glawe vom DGB, Michael Müller von den Naturfreunden und Heiko Großer von »Berlin braucht uns« zu Wort.
Besonders wichtig war der Redebeitrag von Aiman Mazyek für den Zentralrat der Muslime, der zu einer breiten Front gegen alle Formen des Rassismus und von Diskriminierung aufrief und die Bedrohung von der AfD für die in Deutschland lebenden Muslime eindrücklich beschrieb. So wurde die Demonstration weder zu einer autonomen Antifa-Demo, noch zu einer reinen Parteienveranstaltung, an der sich auch eine größere Zahl Unorganisierter beteiligte. Unter dem gemeinsamen Dach des Antirassismus war es durch Redebeiträge und Banner möglich die unterschiedlichen Positionen der Bündnispartner und Bündnispartnerinnen deutlich zu machen und trotzdem gemeinsam gegen AfD und Co. auf die Straße zu gehen. Das Bündnis verteilte auf der Demonstration über 400 Aktionstüten mit Flyern, Plakaten und Aufklebern, die in den letzten zwei Wochen vor den Wahlen zur Aufklärung über die AfD genutzt werden können.
Warum kamen weniger Teilnehmer als erwartet?
Die offensichtliche Mobilisierungsschwäche bedarf jedoch einer Erklärung. Das Potenzial für eine große antirassistische Bewegung ist zweifelsfrei vorhanden und wurde zuletzt deutlich, als Pegida Anfang 2015 versuchte bundesweit auszugreifen. Damals nahmen über 100.000 Menschen an Gegendemonstrationen teil und Städte wie Freiburg oder Münster, in denen es noch nicht einmal Ableger der Rassisten gab, sahen die größten Demonstrationen seit Jahrzehnten. Diese Gegenmobilisierung (insbesondere in Leipzig) verhinderte eine nennbare Ausweitung der Pegida-Demonstrationen auf andere Städte. Der »Sommer der Migration« führte zu einer riesigen Welle der Solidarität und es gründeten sich unzählige Flüchtlingshelferinitiativen. Viele dieser Menschen sind auch heute für eine antirassistische Bewegung gewinnbar.
Eine vergleichbare Mobilisierung konnte gegen die AfD bisher nicht erreicht werden. Während Pegida und Co. durch ihr radikales Auftreten mit ihrem Frontmann Lutz Bachmann schnell zu einem Sturm der Entrüstung führte, gelingt es der AfD bisher ein rechts-konservatives Image zu bewahren. Während innerhalb der Partei ein Machtkampf zwischen einem neofaschistischen und einem nationalkonservativen Flügel entbrannt ist, gibt sich die Partei nach außen als wählbare Protestalternative rechts der CDU.
Rassismus und Wahlen
Die AfD erfüllt dabei eine Doppelfunktion: Während sie es schafft bis in die Mitte der Gesellschaft wählbar zu werden und bereits vorhandene rassistische Ressentiments in Wählerstimmen umzumünzen, verschiebt sie durch ihre Hetze den Diskurs weiter nach rechts und kriegt dadurch weiteren Zulauf. Gleichzeitig geht die Faschisierung der AfD weiter und wird dadurch im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich.
Auch wenn nun nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern das Thema AfD und Rassismus wieder auf den Titelblättern erscheint und Jennifer Rostock mit ihrem Anti-AfD Youtube-Hit eine beeindruckende Klickzahl erreichte, wurden die politischen Debatten in den letzten Wochen durch andere Themen geprägt.
Das Anti-AfD-Video von Jennifer Rostock
AfD in Berlin setzt kaum auf Rassismus
Die AfD in Berlin setzt bisher (zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung) kaum auf Rassismus, sondern gab sich ein konservativ-biederes Profil mit dem Hauptthema Innere Sicherheit. Diese Taktik führte leider teilweise zum Erfolg. Die Gefahr, die von der AfD ausgeht, erscheint vielen nicht so akut. Auch wenn die AfD in den Berliner Umfragen bei 10 bis 15% steht, erscheint – angesichts einer fast schon sicheren rot-rot-grünen Koalition – ein gesellschaftlicher Rechtsruck eher unwahrscheinlich. Anders als bei den Bürgermeisterwahlen in Wien im Oktober 2015, als kurz vor den Wahlen 100.000 Menschen auf die Straße gingen, wird es in Berlin keine Entscheidungsschlacht mit der AfD geben. Eine Mobilisierungsdynamik ist dadurch nur schwer zu erreichen.
Verhaltene Mobilisierung der größeren Organisationen
Der zweite wesentliche Faktor ist die verhaltene Mobilisierung der größeren Organisationen: die Parteien, die Gewerkschaften, aber auch andere zivilgesellschaftliche Verbände. So unterstützen eine Reihe großer Partei und Organisationen das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus«, die zur Demonstration am 3. September in Berlin nur verhalten mobilisiert haben. Hier liegt der entscheidende Faktor nicht darin, dass andere Themen, wie soziale Gerechtigkeit oder die Asylpolitik im Aufruf wenig behandelt wurden, sondern dass das Argument für eine ernsthafte antirassistische Mobilisierung bisher nicht gewonnen wurde.
Die Hoffnung, man könne die AfD durch die richtige Programmatik an der Wahlurne schlagen, ohne dabei eine offensiv antirassistische Bewegung aufzubauen, ist noch immer vorherrschend. Die Diskussion darüber, ob und warum die AfD insbesondere über die Frage des Rassismus als ihre zentrale ideologische Stütze angegriffen werden muss, sollte in den nächsten Monaten geführt und mit einem konkreten Kampagnenplan verknüpft werden. Eine Diskussion, die auch mit der radikalen Linken aussteht.
Der »Grenzenlos Solidarisch«-Block war mit Abstand der größte Block auf der Demonstration, griff mit dem Anti-Feminismus ein oft sträflich vernachlässigtes Thema der neuen Rechten auf und übte scharfe Kritik an der unsoziale Politik von SPD, Grünen und CDU. Auch wenn das grundsätzlich zu begrüßen ist, geriet dabei der Rassismus der AfD und die Betonung eines gemeinsamen Kampfes gegen diese Partei als Hauptschlagrichtung der Demonstration in den Hintergrund.
Wie weiter im Kampf gegen Rassismus und die AfD?
Dessen ungeachtet war der 3. September ein wichtiger Schritt. Er hat viele gesammelt, die als Multiplikatoren in den kommenden Monaten bis zur Bundestagswahl wirken können. Ein solches Projekt braucht einen langen Atem: Die AfD reitet im Moment von Erfolg zu Erfolg. Auch wenn NPD, DVU und Republikaner in den 90er Jahren kurzzeitig Wahlerfolge erzielen konnten, stellen die aktuellen Entwicklungen der AfD eine neue Dimension dar.
Das weitere Ausgreifen der AfD und ihrer rassistischen Hetze gegen Muslime und Geflüchtete wird das zentrale Thema für die gesellschaftliche Linke in den nächsten Jahren werden. Wir dürfen uns nicht vor dem Kernthema der AfD, Pegida und Co. wegducken. Ein Klima der Entsolidarisierung untergräbt soziale Kämpfe. Deshalb müssen wir uns aktiv gegen die rassistische Ideologie stemmen und gegen die AfD als ihren organisatorischen Sammlungspunkt mobilisieren. Der Hetze gegen Muslime, kann nicht einfach mit der Forderung nach mehr Hartz IV begegnet werden, sondern es braucht eine klare antirassistische Positionierung und eine Bewegung gegen die AfD auf der Straße.
Im nächsten Jahr steht das Superwahljahr an: in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Saarland finden Landtagswahlen statt, im September die Bundestagswahl. Das Ziel der AfD ist es, mit einer starken Fraktion einzuziehen. Dies würde zum ersten Mal seit den 50er Jahren einer größeren Anzahl überzeugter Faschisten innerhalb der AfD die Möglichkeit geben, den Bundestag als Propagandabühne zu nutzen. Auf diese Auseinandersetzung müssen wir uns jetzt vorbereiten und das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« bietet dabei das größte Potenzial. Lasst es uns gemeinsam angehen. Ein Anfang ist gemacht.
Foto: majkiki
Schlagwörter: AfD, Antifa, Antifaschismus, Aufstehen gegen Rassismus, Blockupy, Inland, marx21, Muslime, Rassismus